Entscheidungsstichwort (Thema)

Getrenntleben der Eheleute trotz gemeinsamer Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für ein Getrenntleben der Eheleute genügt im objektiven Sinne ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung, was zum einen danach verlangt, dass die Eheleute (innerhalb der Ehewohnung) getrennt wohnen und schlafen, mithin das Getrenntleben auch nach außen erkennbar wird. Zum anderen erfordert dies, dass die Eheleute keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen und keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen. Verbleibende Gemeinsamkeiten müssen sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich für das eheliche Zusammenleben darstellen, so dass vereinzelt bleibende Versorgungsleistungen bzw. Handreichungen der Ehegatten füreinander ohne besondere Intensität oder Regelmäßigkeit ein Getrenntleben nicht hindern. Auch steht ein freundschaftlicher, anständiger und vernünftiger Umgang der Ehegatten der Annahme eines Getrenntlebens im objektiven Sinn nicht entgegen.

2. Dies gilt insbesondere dann, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben. Denn auch nach der Trennung bleiben die Ehegatten über die Elternschaft miteinander verbunden und sind zum Wohle ihrer Kinder zum Wohlverhalten verpflichtet (arg. e. § 1684 Abs. 2 BGB). Ob und wie die gemeinsamen Kinder die Trennung der Eltern verarbeiten können, wird häufig maßgeblich davon geprägt sein, wie die Ehegatten sich zueinander verhalten. Vor diesem Hintergrund stehen insbesondere ein höfliches Miteinander und gemeinsame Mahlzeiten mit den Kindern der Annahme eines Getrenntlebens nicht entgegen.

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.05.2023; Aktenzeichen 473 F 19014/22 GÜ)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Teilbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 19. Mai 2023 wird dieser wie folgt teilweise a b g e ä n d e r t:

1. In Ziff. 1. b. des Tenors lautet es nicht "09.03.2021", sondern "20.01.2021".

Ziff. 1. des Tenors wird dahin ergänzt, dass im Übrigen der Antrag des Antragsgegners zurückgewiesen wird.

2. Ziff. 3. des Tenors lautet:

"Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über sein Trennungsvermögen zum 20.01.2021 durch Vorlage eines spezifizierten, geordneten, auf den Stichtag bezogenen Vermögensverzeichnisses über alle aktiven und passiven Vermögenswerte im In- und Ausland mit ihren wertbildenden Faktoren, insbesondere zu

(1) Kapitalvermögen wie laufende Konten, Sparkonten, Bausparguthaben, Depots und sonstige Finanzeinlagen bei in- und ausländischen Banken, aufgegliedert nach Anlageart, Anlagesumme, -ort und -höhe;

(2) Lebensversicherungen mit ihren Fortführungs- und Zeitwerten;

(3) Forderungen;

(4) Immobilien;

(5) Unternehmen, Unternehmensbeiteiligungen, Gesellschafterbeteiligungen auch im Ausland;

(6) Fahrzeuge;

(7) Sammlungen, insbesondere von Musikinstrumenten einschließlich Geigenbögen, sonstigen Kunstgegegenständen sowie allen weiteren Vermögensgegenständen

sowie

über die unentgeltlichen Zuwendungen, die er nach Eintritt des Güterstandes gemacht hat und Vermögen, das er nach Eintritt des Güterstandes verschwendet hat."

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdegegner.

 

Gründe

I. Die Beteiligten, verheiratet seit dem XX.XX.2014, streiten im Beschwerdeverfahren über den Zeitpunkt der wechselseitigen Auskunftsverpflichtung zum Trennungsvermögen im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsverbund.

Aus ihrer Ehe sind drei noch minderjährige Kinder hervorgegangen, die in den Jahren 2015, 2017 und 2019 geboren worden sind. Nachdem die Eheleute innerhalb des gemeinsamen Ehehauses unter anderem bereits unterschiedliche Schlafzimmer bezogen hatten und der Antragsgegner am 13.1.2021 mitgeteilt hatte "Ich bin ja praktisch schon ausgezogen im Keller", schrieb die Antragstellerin dem Antragsgegner am 20.1.2021 eine E-Mail, in welcher sie unter anderem ausführte, dass sie zu dem Schluss gekommen sei, "dass es für uns alle besser ist, wenn wir getrennt leben." Bereits zu diesem Zeitpunkt schlief der Antragsgegner im Untergeschoss des Hauses und nutzte im Schwerpunkt das dort befindliche Badezimmer. Die Antragstellerin nutzte das Badezimmer im Obergeschoss, wo sie nun das vormalige eheliche Schlafzimmer allein bzw. mit den Kindern nutzte. Eine intime Beziehung bestand jedenfalls seither zwischen den Eheleuten nicht mehr. Gemeinsame Mahlzeiten fanden nur in Anwesenheit der gemeinsamen Kinder statt. Gelegentlich gab es wechselseitige Handreichungen, wie Einkäufe bzw. sonstige Besorgungen. Beide Ehegatten tauschten sich im Januar 2021 auch über die Folgen der Trennung aus und versuchten, sich zu einigen. Sie suchten jeweils juristischen Beistand. Am 1.2.2021 kontaktierte die von der Antragstellerin beauftragte Rechtsanwältin den vom Antragsgegner beauftragten Rechtsanwalt zur Regelung der Trennungsfolgen. Im Februar 2021 beauftragte die Antragstellerin einen Immobilienmakler und am 9.3.2021 zog sie aus dem Haus aus.

Die Antragste...

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