Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach den abgesenkten Maßstäben für die Substantiierungspflicht im Arzthaftungsprozess genügt es nicht lediglich vorzutragen, vorhandene Gesundheitsbeeinträchtigungen müssten auf eine Sauerstoffunterversorgung unter der Geburt zurück zu führen sein und damit dem Arzt letztlich nur den negativen Ausgang der Behandlung vorzuwerfen.

2. Ist in einem vorgerichtlichen Schlichtungsverfahren ein Gutachten erstattet worden, muss für einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe substantiiert dargelegt werden, dass und warum die Feststellungen dieses Gutachten unzureichend sind.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 721/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 17.07.2018 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für materielle und immateriellen Schäden, die ihm aus der vorwerfbar fehlerhaften Leitung seiner Geburt entstanden seien mit der Behauptung, seine bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen seien auf einen Sauerstoffmangel unter der Geburt zurückzuführen, weil die am 09.06.2012 i m Klinikum der Beklagten durchgeführte Schnittentbindung verspätet gewesen sei.

II. Die sofortige Beschwerde des bedürftigen Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss des Landgerichts ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage i.S.d. § 114 ZPO verneint.

Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der PKH begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Zöller-Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 19 m.w.N.). Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird.

Auch unter Berücksichtigung der an den im Arzthaftungsprozess für den Patienten abgesenkten Anforderungen an die Darlegung hat der Antragsteller ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen der Antragsgegnerin bei seiner Geburt nicht hinreichend schlüssig vorgetragen. Grundsätzlich muss der Patient, der einen Arzt auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, zunächst den nach §§ 823 Abs. 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB notwendigen Behandlungsfehler darlegen und beweisen. Hierbei sind an seine Substantiierungspflichten lediglich maßvolle Anforderungen zu stellen, weil von ihm angesichts des bestehenden Informationsgefälles zwischen Arzt und Patient regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 08.06.2004 - VI ZR 199/03 - NJW 2004, 2825, 2827; OLG Frankfurt, Urt. v. 29.11.2016 - 8 U 143/13; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.07.2017 - 8 U 150/16; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl. 2018, Rn. S 60). Die Partei darf sich daher auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. BGH, Urt. v. 08.06.2004 - VI ZR 199/03 - NJW 2004, 2825, 2827; BGH, Urt. v. 14.03.2017 - VI ZR 605/15 - MDR 2017, 762, 763; OLG Frankfurt, Urt. v. 29.11.2016 - 8 U 143/13; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.07.2017 - 8 U 150/16). Selbst wenn man in Arzthaftungsfällen an die Substanziierungspflicht des Patienten somit nur minimale Anforderungen stellen kann, muss aber doch zumindest eine Beschreibung erfolgen, worin der Behandlungsfehler liegen könnte.

Der Vortrag des Antragstellers erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Vorliegend mangelt es bereits an einem nachvollziehbaren und hinreichend konkreten Vortrag zu den beim Antragsteller bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen, die lediglich allgemein behauptet, aber an keiner Stelle näher dargestellt werden. Die Gesundheitsbeeinträchtigungen werden zudem allgemein auf den Geburtsablauf zurückgeführt, ohne ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen näher darzulegen. Auch die Beschwerdebegründung vermag dies auch nicht ansatzweise darzustellen, so dass es auf den vom Antragsteller bemängelten fehlenden Hinweis des Landgerichts auf die fehlende Substantiierung seines Vortrags im Ergebnis nicht ankommt. Das Vorbringen des Antragstellers erschöpft sich somit darin, von dem Vorliegen nicht näher beschriebener Gesundheitsbeeinträchtigungen auf eine Sauerstoffunterversorgung unter der Geburt und einen dadurch eingetretenen Hirnschaden zu schließen.

Ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen ergibt sich auch nicht aus den vorgerichtlich eingeholten Gutachten in dem vom Antragsteller angestrengten Schlichtungsverfahren. Die Gutachter haben den gesamten Geburtsablauf im Einzelnen dargestellt und ausgewertet, ohne indes Feststellungen treffen zu können, dass den behandelnden Ärzten bei dem geburtshilflichen Vorgehen ein Fehler vorzuwerfen wäre. Der Gutachter Dr. K., insoweit den Ausführungen der Vorgutachterin Dr. S. folgend, kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass das fetale outcome b...

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