Leitsatz

Berechtigte Unterbrechung der Heizungs- und Wasserversorgung gegenüber einem Wohnungseigentümer mit nicht nur geringfügiger und titulierter Wohngeldschuld

 

Normenkette

(§ 16 Abs. 2 WEG; § 273 BGB)

 

Kommentar

  1. Ein Wohnungseigentümer hatte seit Mitte 2003 Wohngeldrückstände in Höhe von knapp 4.000 EUR, die zwischenzeitlich auch in dieser Höhe rechtskräftig tituliert waren. Die Versorgung der Wohnungen mit Wasser- und Heizenergie beruhte nicht auf eigenständigen Verträgen der Eigentümer mit Versorgungsunternehmen, sondern auf einem Rechtsverhältnis der Gesamtheit der Eigentümer mit diesen Unternehmen. In einer Eigentümerversammlung Mitte 2004 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, dass die Verwaltung berechtigt und verpflichtet sei, einen Handwerker zu beauftragen, die betroffene Schuldnerwohnung von der Heizung und Wasserzufuhr abzutrennen, falls die Zahlungsrückstände nicht bis spätestens 15.8.2004 ausgeglichen seien. Die Verwaltung als ermächtigte Antragstellerin beantragte daraufhin die Abtrennung der Wohnung des Antragsgegners von Heizung sowie Kalt- und Warmwasserversorgung bis zum Ausgleich von 70 % der Wohngeldrückstände.
  2. Das Amtsgericht bestätigte den Antrag unter Hinweis auf § 273 BGB mit folgendem Beschlusstenor:

    1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Unterbrechung der Kalt- und Warmwasserversorgung sowie der Heizversorgung durch die Anbringung von Sperrvorrichtungen im Bereich der Wohnung Nr. ... in der Straße ... in ... nach den technischen Vorgaben eines Fachunternehmens zu dulden, und zwar befristet bis zum Ausgleich von 70 % der titulierten Wohngeldforderungen (2.772 EUR) gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft ...straße in ...
    2. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten zu tragen und der Antragstellerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
    3. Der Geschäftswert wird auf 2.772 EUR festgesetzt.
  3. Das Gericht führte in den Gründen u.a. aus, dass die erforderliche und erfolgte Beschlussfassung der Gemeinschaft nicht zu beanstanden sei und hier ein gegenseitiger Anspruch im Sinne des § 273 BGB vorliege. Auch aus der Natur des Schutzverhältnisses unter Wohnungseigentümern ergebe sich hier kein Ausschluss des Zurückweisungsrechts, auch wenn der Eigentümer durch das Absperren der Versorgungsanschlüsse an einer Nutzung und Verwertung seines Eigentums weitgehend gehindert werde. I.Ü. sei nicht einzusehen, weshalb die Gesamtheit der Wohnungseigentümer an der Durchführung einer Notmaßnahme oder an der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gehindert sein solle, das auch den Versorgungsunternehmen selbst gegenüber ihren Schuldnern zustehe (vgl. auch BayObLG v. 16.1.1992, BReg 2 Z 162/91, MDR 1992, 967). Im Ergebnis dürfe der Wohnungseigentümer nicht in die Lage versetzt werden, seine Wohnung ohne Hausgeldzahlungen unbegrenzt zeitlich in vollem Umfang zu nutzen. Allerdings sei bei Ausübung eines solchen Zurückbehaltungsrechts der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; zum einen müssten hier berechtigte Wohngeldrückstände tituliert sein (was vorliegend der Fall sei), zum anderen dürften die Rückstände nicht nur geringfügig sein (was hier bei einem Rückstand von 3.960 EUR ebenfalls nicht zweifelhaft sei). Sollte der Schuldner seine Rückstände um 70 % mindern, gebiete auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Sperrvorrichtungen wieder zu entfernen.
 

Link zur Entscheidung

AG Göppingen, Beschluss vom 25.11.2004, 7 GRA I 171/04(AG Göppingen v. 25.11.2004, Gesch. Nr. 7 GRA I 171/04, mitgeteilt von Immobilienverwaltung Edelmann GmbH in Göppingen)

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