Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung. Selbstentscheidung. Richterablehnung. Verbot der Selbstentscheidung. Gesetzlicher Richter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ausnahme vom Verbot der Selbstentscheidung bei offensichtlich unzulässigen und rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen.

2. Zur Erprobung an das Landesarbeitsgericht abgeordnete Richterin am Arbeitsgericht als "gesetzlicher Richter" i. S. d. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2, § 45 Abs. 1; ArbGG § 35 Abs. 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Aktenzeichen 4 Ca 340/09)

 

Tenor

Die Ablehnungsgesuche des Klägers vom 25.03.2012, 24.04.2012 und 14.05.2012 betreffend die Richterin am Arbeitsgericht R werden als unzulässig verworfen.

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 28.11.2011 betreffend den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht S wird für unbegründet erklärt.

 

Gründe

I.

Die Ablehnungsgesuche des Klägers vom 25.03.2012, 24.04.2012 und 14.05.2012 betreffend die Richterin am Arbeitsgericht Riemann sind unzulässig.

1.

Die Gesuche sind unzulässig, weil sie offensichtlich nur dazu dienen sollen, weitere Verfahrensverzögerungen zu bewirken.

Der Kläger hat bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens nahezu alle Gerichtspersonen des Arbeitsgerichts Köln, die namentlich nach außen in Erscheinung getreten sind, mit Befangenheitsanträgen und/oder Dienstaufsichtsbeschwerden überzogen. Dieses Verhalten setzt der Kläger nunmehr in der zweiten Instanz mit seinen Ablehnungsgesuchen betreffend den Vorsitzenden Richter am LAG Dr. Staschik (siehe hierzu unter II.) und der als Vertreterin bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch geschäftsplanmäßig zuständigen Richterin am Arbeitsgericht Riemann sowie mit mehreren Dienstaufsichtsbeschwerden fort. Der Kläger versucht ersichtlich, jede Entscheidung in seinen beim LAG Köln anhängigen Beschwerdeverfahren und dem eingeleiteten Berufungsverfahren durch Ablehnung der zuständigen Richter zu verhindern. Der Kläger setzt das Rechtsinstitut der Richterablehnung in rechtsmissbräuchlicher Weise ein. Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterin am Arbeitsgericht Riemann sind damit als unzulässig zu verwerfen.

2.

Über die Ablehnungsgesuche konnte die 10. Kammer des LAG Köln unter Beteiligung der abgelehnten Richterin am Arbeitsgericht Riemann entscheiden, weil die Gesuche offensichtlich unzulässig und rechtsmissbräuchlich sind. Die Ausnahme vom Verbot der Selbstentscheidung (§ 45 Abs. 1 ZPO) gilt jedenfalls dann, wenn zur Entscheidung über die Unzulässigkeit des Gesuchs schon deswegen nicht in eine Sachprüfung einzutreten ist, weil nicht erkennbar ist, dass das Gesuch überhaupt auf einen Grund gestützt werden soll, der die Besorgnis der Befangenheit auslösen oder einen Ausschlussgrund darstellen könnte (BAG, Beschluss vom 07.02.2012, 8 AZA 20/11, NZA 2012, 526). So liegt der Fall hier. Wie bereits oben ausgeführt, geht es dem Kläger ersichtlich nur darum, den Rechtsfindungsprozess zu stören und Verfahrenskomplikationen auszulösen, indem er jede Gerichtsperson, die namentlich nach außen in Erscheinung tritt, mit Befangenheitsanträgen und / oder Dienstaufsichtsbeschwerden überzieht.

3.

Bei der 10. Kammer des LAG Köln unter Beteiligung der Richterin am Arbeitsgericht Riemann als stellvertretende Vorsitzende handelt es sich auch um "den gesetzlichen Richter" i.S.d. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Die Zuständigkeit ergibt sich - worauf der Kläger bereits mit Schreiben vom 10.04.2012 hingewiesen worden ist - aus dem Richterlichen Geschäftsverteilungsplan des LAG Köln für das Jahr 2012, dort unter Ziffer II. 2 b) i.V.m. II. 1.. Richterin am Arbeitsgericht Riemann ist für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.09.2012 zum Zwecke der Erprobung an das LAG abgeordnet. Zwar geht § 35 Abs. 1 ArbGG davon aus, dass die Richter, die die Funktion eines Kammervorsitzenden am Landesarbeitsgericht ausüben, an diesem Gericht planmäßig angestellt und als "Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht" ernannt sind. Die Heranziehung von nicht planmäßig angestellten Richtern (Richtern auf Probe, abgeordneten Richtern) darf aber in den Grenzen erfolgen, die sich nach verständigem Ermessen aus der Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden, oder aus anderen zwingenden Gründen ergeben (so schon BVerfG 9. November 1955 - 1 BvL 13/52 u.a. - BVerfGE 4, 331, 345). Eine vorübergehende Abordnung eines Richters am Arbeitsgericht an ein Landesarbeitsgericht kann zulässigerweise mit dem Zweck seiner Erprobung begründet werden (BAG, Urteil vom 06.06.2007, 4 AZR 411/06, NZA 2008, 1086).

II.

Das Ablehnungsgesuch vom 28.11.2011 betreffend den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staschik ist unbegründet.

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn die Partei bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise befürchten kann, dass der Richter nicht u...

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