Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung der Tarifverträge Ost

 

Leitsatz (amtlich)

Tarifgeltung nach Maßgabe der (zeitlich) überwiegenden Tätigkeit

 

Normenkette

TV Arb § 1; TV Arb-O § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 15.11.1995; Aktenzeichen 21 Ca 38934/94)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Berlin vom 15. November 1995 – 21 Ca 38 934/94 – wird zurückgewiesen; der Tenor wird im Hinblick auf die teilweise Klagerücknahme wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ab 1. Juni 1992 den Tarifvertrag für die Arbeiter der … (West) bezogen auf Jeweils solche Abrechnungsmonate anzuwenden, in denen der Kläger an mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit in den alten Bundesländern gearbeitet hat.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben bis zur teilweisen Klagerücknahme bei einem Streitwert von 32.400,– DM der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen, während die restlichen Kosten bei einem Streitwert von 24.400,– DM der Beklagten allein auferlegt werden.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Arbeiter der … (West) anzuwenden ist.

Der Kläger ist nach absolvierter Ausbildung seit dem 16. Februar 1989 als Fernmeldemonteur beim Fernmeldeamt der … der … beschäftigt.

Nach der Herstellung der deutschen Einheit ist das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen. Diese versetzte ihn mit Wirkung vom 1. Juni 1991 zu dem im Ostteil der Stadt gelegenen …, wies ihn dann zum gleichen Tage dem im Westteil der Stadt gelegenen … zu. 1993 wurde er von … versetzt.

Seine Beschäftigungsdienststelle befindet sich im Ostteil der Stadt; dort beginnt der Kläger seine tägliche Arbeit und beendet sie. Die Zuständigkeit der Dienststelle bezieht sich auf das gesamte Gebiet der Stadt; der im Außendienst tätige Kläger arbeitet je nach Arbeitsauftrag wechselnd im Westteil der Stadt und im Ostteil der Stadt. Hinsichtlich der Tätigkeiten im einzelnen wird auf eine von ihm eingereichte Aufstellung (Bl. 27 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe Vergütung nach dem Tarifvertrag (West) zu.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen,

daß die Beklagte verpflichtet ist, auf sein Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juni 1992 den Tarifvertrag für die Arbeiter der … (West) anzuwenden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger arbeite überwiegend im Ostteil der Stadt, so daß eine Anwendung der Tarifverträge (West) nicht in Betracht komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen, § 543 Abs. 1 ZPO.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15. November 1995 festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ab dem 1. Juni 1992 den Tarifvertrag für die Arbeiter der … (West) anzuwenden; es hat den Wert des Streitgegenstandes auf 32.400,– DM festgesetzt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei zwar ursprünglich im Beitrittsgebiet begründet worden, jedoch habe der Kläger jedenfalls seit Juni 1992 seinen Arbeitsplatz nicht mehr im Beitrittsgebiet, sondern im Geltungsbereich der Westtarifverträge, denn er erbringe dort überwiegend seine Arbeitsleistung. So ergebe sich für das Jahr 1992 seit dem Monat Juni eine tatsächliche Arbeitsleistung im Tarifgebiet West von mindestens 72,38 %, im Jahre 1993 von 62,2 % und im Jahre 1994 von 59,54 %. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedeute dies, daß der Tarifvertrag für das Tarifgebiet West auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelange. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird auf die Urteilsgründe (Bl. 35 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses am 24. November 1995 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 21. Dezember 1995 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. Februar 1996 – am 22. Februar 1996 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte und Berufungsklägerin wendet sich mit Rechtsausführungen gegen das erstinstanzliche Urteil. Sie rügt, daß auf der Grundlage des erstinstanzlichen Urteils es nicht planbar wäre, welcher Tarifvertrag jeweils zur Anwendung gelange. Die Vergütungsfrage wäre stets erst im Nachhinein entscheidbar. Zumindest in Fällen ständig wechselnder Einsatzgebiete müsse die „ständige Dienststelle” bzw. der Umstand für die Tarifanwendung maßgebend sein, wo das Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Die ständige Dienststelle sei in § 18 TV Arbeiter Ost festgelegt und befinde sich im Streitfalle ganz eindeutig im ehemaligen Berlin-Ost. Die Beklagte rügt weiter, daß ein vernünftiger Anknüpfungspunkt für einen bestimmten zeitlichen Rahmen...

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