Leitsatz

Das Thüringer OLG hatte sich in dieser Entscheidung damit auseinanderzusetzen, innerhalb welcher Zeit rückständiger Unterhalt ggü. dem Unterhaltspflichtigen geltend gemacht werden muss, um nicht der Verwirkung zu unterliegen.

 

Sachverhalt

Der Kläger war Vater zweier minderjähriger Kinder, die am 28.3.2002 gegen ihn ein Teil-Anerkenntnisurteil auf laufenden und rückständigen Kindesunterhalt erwirkt hatten. Zahlungen hierauf wurden nicht geleistet.

Erstmalig mit Schreiben vom 1.10.2007 wurde der Kläger von den Beklagten über deren Prozessbevollmächtigten aufgefordert, die Unterhaltsrückstände zu begleichen. Beide Beklagten vertraten die Auffassung, sie könnten nach wie vor wegen der Rückstände vor dem 1.10.2007 auch für den Zeitraum vom 1.1.2002 bis zum 23.12.2007 aus dem Teil-Anerkenntnisurteil vollstrecken.

Der Kläger begehrte Prozesskostenhilfe für seine Vollstreckungsgegenklage, mit der er die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Teil-Anerkenntnisurteil soweit sie die Zeit vor dem 1.3.2007 betraf, geltend machte. Er war der Ansicht, die vor diesem Zeitraum liegenden Unterhaltsansprüche seien verwirkt, weil die Beklagten den titulierten Unterhalt über mehrere Jahre hinweg nicht geltend gemacht hätten.

Das AG hat den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zurückgewiesen und seine Entscheidung u.a. damit begründet, titulierten Forderungen könne nur ausnahmsweise der Verwirkungseinwand entgegengehalten werden.

Gegen den Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts hat der Kläger Beschwerde eingelegt, die weitgehend Erfolg hatte.

 

Entscheidung

Das OLG gewährte dem Kläger unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses Prozesskostenhilfe insoweit, als der Kläger die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung von Unterhaltsrückständen in der Zeit vom 1.1.2002 bis zum 30.9.2006 begehrte.

Ansprüche der Beklagten auf rückständigen Unterhalt seien - soweit sie den Zeitraum vor dem 1.10.2006 beträfen, wegen langjähriger Nichtgeltendmachung gemäß § 242 BGB verwirkt.

Die Verwirkung sei ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Sie setze voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend mache, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich auch darauf eingerichtet habe, dieser werde sein Recht auch zukünftig nicht mehr geltend machen (sog. Umstandsmoment). Insoweit gelte für Unterhaltsrückstände nichts anderes, als für andere in der Vergangenheit fällig gewordene Ansprüche (BGH FamRZ 2002, 1698).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH seit dem 16.6.1982 (FamRZ 1982, 898, zuletzt FamRZ 2007, 543) unterlägen auch rückständige Unterhaltsrückstände der Verwirkung.

Der Umstand, dass die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes ggü. seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt sei (§ 204 S. 2 BGB), stehe der Annahme einer Verwirkung der Ansprüche während der Dauer der Minderjährigkeit dann nicht entgegen, wenn aus besonderen Gründen die Voraussetzungen sowohl des Zeit- als auch des Umstandsmoments für die Bejahung der Verwirkung erfüllt seien (vgl. BGHZ 103, 62, 68 m. Hinw. auf OLG München in FamRZ 1986, 504, 505 zu § 204 S. 2 BGB). Sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment hielt das OLG für erfüllt, zumal die Beklagten dem Kläger in keiner Weise deutlich gemacht hätten, dass sie weiterhin auf Erfüllung ihrer titulierten Ansprüche bestehen würden und auch sonst keine Umstände ersichtlich seien, aus denen sich dies ergeben könnte. Jedenfalls die im Zeitpunkt der Aufforderung zum 1.10.2007 zur Begleichung des Unterhaltsrückstandes länger als ein Jahr fälligen Unterhaltsansprüche, also die für den Zeitraum vor dem 1.10.2006, seien bereits bei Eintritt der Volljährigkeit des Beklagten verwirkt gewesen.

 

Link zur Entscheidung

Thüringer OLG, Beschluss vom 01.04.2009, 2 WF 85/09

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