Rz. 5

Einigkeit in der Normauslegung konnte bisher nicht erzielt werden; die Äußerungen gehen von einer weiten Beachtung des Voreintragungsgrundsatzes[10] bis hin zu restriktiver Normanwendung.[11] Eine klare Linie lässt sich wohl auch deswegen nicht ausmachen, weil § 39 GBO inmitten einiger gegenläufiger Grundsätze anzuwenden ist.[12]

 

Rz. 6

§ 39 GBO verhält sich nicht zum Charakter der Voreintragung. Tatsächlich kann es sich aber nur um Fälle der Grundbuchberichtigung handeln, da bei verfügender Voreintragung in Wahrheit das Recht gar nicht entstanden ist (§ 873 BGB) und damit der Bewilligende gar nicht Betroffener i.S.d. § 19 GBO ist. Das hat in der Regel mit § 39 GBO nichts zu tun. (Anders allenfalls in Fällen einer Korrektur der Grundbucheintragung durch deren Auslegung).[13]

Dann aber ist neben dem häufigen sofortigen Wegfall der durch Berichtigung soeben erst gewonnenen Eintragung zu berücksichtigen, dass die vorzunehmende Grundbuchberichtigung nicht ihrerseits zu einer neuen, dann gleichfalls fortbestehenden Grundbuchunrichtigkeit führen darf.[14] Das wäre mit dem Legalitätsprinzip nicht vereinbar. Mehrere zwischenzeitlich eingetretene Unrichtigkeiten werden deswegen in einem Akt berichtigt, nicht sukzessive.[15]

 

Rz. 7

Trotz der daraus resultierenden Probleme für die Praxis scheint an einer eher einzelfallorientierten Normanwendung kein Weg vorbeizuführen. Das zeigt sich gerade bei der verwirrenden Rspr zum Verzicht auf die Voreintragung (oder eben dem Beharren auf Voreintragung) bei nicht aufgedeckten Eigentümergrundschulden. Dabei wäre gerade hier eine sehr exakte Handhabung wünschenswert, um eventuell fingiert-vormerkungsgesicherte Löschungsansprüche gem. § 1179a BGB einfach erkennen zu können.

 

Rz. 8

Zur Verunsicherung über den Normzweck und die Normauslegung trägt es weiter bei, wenn Grundbuchpraxis und vereinzelt auch Obergerichte mit der Nichtbeachtung von § 39 GBO argumentieren, obwohl schon die dem § 39 GBO vorgelagerte materielle Berechtigung – das Betroffensein i.S.d. § 19 GBO – oder der Bestand des Rechts zweifelhaft, wenn nicht nach Rechtslage ausgeschlossen sind. Wenn etwa eine zunächst im Grundbuch eingetragene Gemeinde eine Auflassung erklärt, vor Vollzug der Auflassung im Grundbuch aber aufgrund Vermögenszuordnung der Kreis als Eigentümer eingetragen wird, kann man natürlich für den Auflassungsvollzug nun die fehlende Voreintragung bemängeln.[16] Das verdunkelt aber nur die Tatsache, dass das Grundbuchamt wegen § 891 BGB im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt den Kreis als Eigentümer zugrunde legen muss und der Gemeinde schlicht die Bewilligungsberechtigung fehlt.[17] Der Voreintragungsgrundsatz ist der Prüfung der Verfügungs-/Bewilligungsberechtigung nach-, nicht vorgelagert, was sich schon daraus ergibt, dass der Bewilligungsbetroffene für die Anforderung seiner Voreintragung ermittelt sein muss.

 

Rz. 9

Ebenso schief ist die Argumentation, auf die sich das OLG Naumburg[18] infolge irriger Begründung des Beschwerdeführers einließ. Der Beschwerdeführer hatte aufgrund eines gewonnenen Prozesses, den der Zwangsverwalter der vormaligen Eigentümerin gegen ihn angestrengt hatte, einen titulierten Kostenerstattungsanspruch, zu dessen Absicherung er am 19.4.2021 eine Zwangshypothek beantragte. Zwischenzeitlich (Grundbuchvollzug der Auflassung am 9.8.2018) hatte die vormalige Eigentümerin aber das Grundstück an einen Dritten verkauft und aufgelassen. Die Eintragung war zurückzuweisen, aber nicht wegen § 40 GBO, sondern wegen fehlender Identität von Eigentümer und Vollstreckungsschuldner, § 750 Abs. 1 ZPO.

 

Rz. 10

Dieselbe Unsicherheit tritt vereinzelt bei einer verlangten Voreintragung des Rechts – ebenfalls von § 39 GBO verlangt – zutage. Wenn etwa OLG München die fehlende Zuordnung eines Sondernutzungsrechts zur Vollendung der Auflassung als Verstoß gegen den Voreintragungsgrundsatz rügt,[19] ist das zwar richtig, verdunkelt aber auch nur die Tatsache, dass schon materiell-rechtlich erst die Zuordnung des Sondernutzungsrechts den Gegenstand der Verfügung als vertragsgemäß hätte entstehen lassen sollen.

[10] So KEHE/Volmer, 7. Aufl. § 31 Rn 4; Weber, DNotZ 1955, 457; BayObLGZ 1990, 51, 57.
[11] Bauer/v. Oefele/Bauer, § 39 Rn 5.
[12] Schon Weber, DNotZ 1955, 457.
[13] Vgl. Volmer, notar 2022, 87, mit Darstellung der Fallvarianten.
[14] So etwa bei Übergang des Rechts außerhalb des Grundbuchs auf einen Dritten; KG KGJ 38, 217.
[15] KG FGPrax 2019, 166.
[16] So OLG Rostock Rpfleger 2001, 231.
[17] Falsch auch OLG Dresden BeckRS 2011, 17796; OLG München BeckRS 2013, 01177.
[19] OLG München RPfleger 2017, 144.

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