BAG lässt pfändungsschädliche Entgeltumwandlung zu

Die monatlich von der Beklagten aufgrund der mit der Streitverkündeten vereinbarten Entgeltumwandlung zu zahlende Versicherungsprämie in die von der Beklagten zugunsten der Streitverkündeten abgeschlossene Lebensversicherung (Direktversicherung) gehört nicht zum pfändbaren Einkommen der Streitverkündeten i.S.v. § 850 Abs. 2 ZPO. Abweichendes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Streitverkündete und die Beklagte die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst getroffen haben, nachdem der Beklagten der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG vom 24.11.2015 zugestellt worden war.

Entgeltumwandlung reduziert rechtliches Arbeitseinkommen

§ 850 Abs. 2 ZPO bestimmt, was Arbeitseinkommen im Sinne der Pfändungsschutzvorschriften ist. Dazu gehört insbesondere das laufende Arbeitsentgelt. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien allerdings, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Direktversicherung abschließt und dass ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet wird, liegt insoweit kein pfändbares Arbeitseinkommen mehr vor (BAG v. 17.2.1998 – 3 AZR 611/97). Bei einer solchen Vereinbarung entstehen in Höhe der Belastungen des Arbeitgebers, der zur Erfüllung seines Versorgungsversprechens einen Versicherungsvertrag schließt und als Versicherungsnehmer die mit dem Versicherer vereinbarten Prämien zu zahlen hat, keine Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitseinkommen i.S.v. § 850 Abs. 2 ZPO mehr, die der Pfändung unterliegen könnten (BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 459/07, Rn 16 m.w.N.).

Umwandlung ist jederzeit möglich

Abweichendes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Streitverkündete und die Beklagte die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst getroffen haben, nachdem der Beklagten der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG vom 24.11.2015 zugestellt worden war. Die von der Streitverkündeten mit der Beklagten getroffene Entgeltumwandlungsvereinbarung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO nach §§ 135, 136 BGB im Verhältnis zum Kläger als Gläubiger der Streitverkündeten unwirksam.

Grundsätzlich gilt ein Verfügungsverbot

Allerdings sind gegen das Verbot des § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO verstoßende Verfügungen des Pfändungsschuldners dem Pfändungsgläubiger gegenüber nach §§ 135, 136 BGB relativ unwirksam, soweit sie ihn rechtlich oder tatsächlich beeinträchtigen (BGH, 19.11.2020 – IX ZR 210/19, Rn 15 m.w.N.).

BAG verneint "normative" Verfügung

Es kann vorliegend dahinstehen, wie die Entgeltumwandlung, die zum endgültigen Untergang des Anspruchs auf Barauszahlung und zu dessen Ersetzung durch eine Versorgungsanwartschaft führt, rechtsdogmatisch einzuordnen ist und ob es sich hierbei um eine "Verfügung" i.S.v. § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO handelt. Jedenfalls stellt die von der Streitverkündeten mit der Beklagten getroffene Entgeltumwandlungsvereinbarung bei einer an § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG orientierten normativen Betrachtung (vgl. hierzu BAG v. 10.2.2004 – 9 AZR 401/02) keine den Kläger benachteiligende Verfügung i.S.v. § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO dar, da die Streitverkündete mit der Entgeltumwandlungsvereinbarung von ihrem Recht aus § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht hat und mit dem monatlichen Versicherungsbeitrag i.H.v. 248,00 EUR der in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG vorgesehene Betrag von vier vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht überschritten wurde. Ob eine andere Bewertung dann geboten ist, wenn – anders als hier – ein höherer Betrag als der in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG vorgesehene umgewandelt wird, musste der Senat nicht entscheiden.

BAG argumentiert mit sozialpolitischer Funktion des Umwandlungsanspruchs

Nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu vier vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden.

Die sozialpolitische Funktion der betrieblichen Altersversorgung erfasst nicht nur generelle sozialpolitische Aspekte wie das staatliche Interesse, dass ein Arbeitnehmer im Alter nicht der Allgemeinheit zur Last fällt. Sie dient auch der notwendigen Ergänzung der durch die Sozialversicherung gewährten Sicherung der Arbeitnehmer im Alter (BT-Drucks 7/1281, S. 19). Mit ihrer Hilfe soll, da das beständig sinkende Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Versorgungslücken führt, auch der Lebensstandard des Arbeitnehmers oder gegebenenfalls seiner Hinterbliebenen nach Ausscheiden aus dem Berufs- bzw. Erwerbsleben zumindest teilweise gesichert werden (vgl. BAG v. 26.4.2018 – 3 AZR 586/16 Rn 16 m.w.N., BAGE 162, 354).

Diese mit der Schaffung eines Anspruchs auf Entgeltumwandlung nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG umgesetzte gesetzgeberische Grundentscheid...

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