Leitsatz (redaktionell)

Ändern Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre ursprüngliche Lohnvereinbarung dahin, daß in Zukunft anstelle eines Teiles des monatlichen Barlohns vom Arbeitgeber eine Versicherungsprämie auf einen Lebensversicherungsvertrag zugunsten des Arbeitnehmers (Direktversicherung) gezahlt werden soll (Gehaltsumwandlung), entstehen insoweit keine pfändbaren Ansprüche auf Arbeitseinkommen (§ 850 Abs. 2 ZPO) mehr.

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 14.05.1997; Aktenzeichen 4 Sa 9/97)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 11.12.1996; Aktenzeichen 9 Ca 283/96)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber einer Forderung gegen Herrn Hans-Eckhart B                 auf Zahlung von 7.456,24 DM. Herr Hans-Eckhart B           ist Arbeitnehmer der Beklagten. Sein Arbeitseinkommen wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Tostedt vom 29. November 1995 zugunsten des Klägers gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde der Beklagten am 23. Dezember 1995 zugestellt.

Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens will der Kläger einen Be-trag von 350,00 DM monatlich zu seinen Gunsten berücksichtigt wissen. Diesen Betrag zahlt die Beklagte monatlich an die Lebensversicherung AG der Deutschen Bank aufgrund eines Versicherungsvertrages, den sie als Arbeitgeberin zugunsten ihres Arbeitnehmers, Herrn Hans-Eckhart B               , abgeschlossen hat, auf dessen Leben der Vertrag abgeschlossen wurde und der im Versicherungsfall bezugsberechtigt ist. Werden diese 350,00 DM dem Arbeitseinkommen des Herrn B       

     zugerechnet, waren in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1996 vom Arbeitseinkommen insgesamt 6.574,40 DM pfändbar. Bleiben diese 350,00 DM bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens unberücksichtigt, waren nur 3.802,40 DM pfändbar.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.574,40 DM nebst 4 % Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1996 seien nur 3.802,40 DM pfändbar gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg bezieht sich auf die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1996. In der Berufungsinstanz hat der Kläger die Klage um die pfändbaren Beträge für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1996 erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte nach dem zuletzt vom Kläger gestellten Antrag verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg insoweit aufzuheben, als sie zur Zahlung von mehr als 3.802,40 DM nebst Zinsen verurteilt wurde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die von der Beklagten an den Lebensversicherer gezahlten 350,00 DM monatlich nicht dem Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers B                 zurechnen; sie gehören nicht zum Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO.

1. § 850 Abs. 2 ZPO bestimmt, was Arbeitseinkommen im Sinne des Vollstreckungsrechts ist. Dazu gehört vor allem das laufende Arbeitsentgelt. Die 350,00 DM Versicherungsprämie gehören nicht dazu. Dem Arbeitnehmer B       

    stand gegen seine Arbeitgeberin kein Anspruch auf Zahlung dieser 350,00 DM monatlich zu. Das gilt zunächst für den Fall, daß die Arbeitgeberin, die Beklagte, ihrem Arbeitnehmer zusätzlich zum Barlohn eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung zugesagt hatte. Bei dieser Vertragsgestaltung schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer von vornherein keinen Barlohn, sondern nur Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Er schließt zur Erfüllung seines Versorgungsversprechens einen Versicherungsvertrag und zahlt als Schuldner dieses Versicherungsvertrages die mit dem Versicherer vereinbarten Prämien. Der Arbeitnehmer erhält erst bei Eintritt des Versicherungsfalles als Bezugsberechtigter die Leistungen aus diesem Versicherungsverhältnis. Diese Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Lebensversicherer sind pfändbar.

2. Nichts anderes gilt für den Fall, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunächst monatlich eine höhere Barlohnvergütung vereinbart hatten und erst später einverständlich die Lohnvereinbarung in der Weise geändert haben, daß an die Stelle von Barlohn ein Versorgungsversprechen treten soll. Auch in diesen Fällen wird der Arbeitgeber Versicherungsnehmer, der Arbeitnehmer ist Versicherter und Bezugsberechtigter. Die von der Versicherung im Versicherungsfall zu zahlenden Leistungen dienen dem Versorgungsbedarf des Klägers, der entweder durch seinen Tod oder durch Erreichen eines Rentenalters ausgelöst wird (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 1990 - 3 AZR 641/88 - BAGE 65, 215, 220 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, zu I 2 a aa der Gründe).

Bei einer solchen Vereinbarung entstehen keine Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO mehr. Der Arbeitgeber, der zur Erfüllung seines Versorgungsversprechens eine Verbindlichkeit gegenüber einem Versicherungsunternehmen eingeht, will in Höhe der Belastungen den Anspruch des Arbeitnehmers auf laufende Vergütung endgültig beseitigen. Der Arbeitnehmer, der Versorgungslohn statt Barlohn will, ist damit einverstanden, daß in Zukunft in dieser Höhe kein Anspruch auf Barlohn entsteht. Deshalb handelt es sich um mehr als um eine Lohnverwendungsabrede. Diese Vereinbarung über die Gehaltsumwandlung ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. Die neue Vergütungsvereinbarung tritt an die Stelle der alten.

Im vorliegenden Fall hat das Landesarbeitsgericht keine weiteren Feststellungen zum Inhalt der Vereinbarung über eine Gehaltsumwandlung getroffen. Die Parteien sind jedoch übereinstimmend von einer solchen Gehaltsumwandlung ausgegangen. Es handelt es sich um typische Vertragsgestaltungen. Der Kläger kann deshalb nicht mehr in Abrede stellen, daß sein Schuldner im streitigen Lohnabrechnungszeitraum einen um 350,00 DM geringeren Anspruch auf laufendes Arbeitsentgelt hatte.

Eine solche Vereinbarung ist rechtlich wirksam. Sie kann allenfalls dann gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB), wenn sich der Schuldner vorsätzlich einer Unterhaltspflicht gegenüber seinen minderjährigen Kindern entzieht. Dafür ist hier nichts vorgetragen. Im übrigen bleibt ein Teil der Lohnforderung pfändbar. Auf Dauer wird dem Gläubiger durch eine solche Vereinbarung auch kein Vermögensbestandteil entzogen, auf den er im Wege der Zwangsvollstreckung zurückgreifen kann. Die seinem Schuldner B                   mit dem Abschluß des Versicherungsvertrages zugewendeten Vorteile stehen ihm zur Verfügung, wenn er dessen Ansprüche auf Versicherungsleistungen pfänden und sich zur Einziehung überweisen läßt.

3. Danach hätte die Beklagte an den Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 30. August 1996 jeweils 399,70 DM monatlich abführen müssen. Im September 1996 waren es 203,70 DM, im Oktober 1996 189,70 DM und in den Monaten November und Dezember 1996 jeweils 105,70 DM. Dies ergibt den insgesamt an den Kläger zu zahlenden Betrag von 3.802,40 DM. Nur diesen Betrag schuldet die Beklagte. Dazu kommen die Zinsen. Die Lohnansprüche des Schuldners B             waren jeweils zum letzten eines Monats fällig. In diesem Umfange muß das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufrechterhalten werden. Das wird mit der Urteilsformel klargestellt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 438706

BAGE, 28

BB 1998, 1009

DB 1998, 1039

DStR 1998, 1564

HFR 1999, 499

FA 1998, 284

NZA 1998, 707

RdA 1998, 255

SAE 1999, 40

ZTR 1998, 430

AP, 0

ArbuR 1998, 249

MDR 1998, 721

VersR 1999, 80

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