In der Praxis ist es keine Seltenheit, dass über Jahre hinweg Beiträge in die Rücklage geflossen sind und diese eine stattliche Höhe erreicht hat. Sind in einem derartigen Fall keine größeren Erhaltungsmaßnahmen absehbar, haben die Wohnungseigentümer die Kompetenz zur Beschlussfassung über eine Teilauflösung der Rücklage.[1] Stets aber muss noch eine angemessene Rücklage verbleiben. Im Fall der Teilauflösung der Erhaltungsrücklage kann allerdings nicht auf die zur sog. "eisernen Reserve" ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.[2] Zu berücksichtigen ist insoweit nämlich, dass diese zur Frage der Ordnungsmäßigkeit eines temporären Zugriffs auf die Erhaltungsrücklage zum Ausgleich von Liquiditätsengpässen ergangen ist. Voraussetzung eines solchen Zugriffs ist gerade, dass innerhalb eines kurzen Zeitraums von bis zu 3 Monaten die Rücklage wieder bis zur angemessenen Höhe aufgefüllt ist.

Die Teilauflösung der Rücklage kann erfolgen durch

  • Auszahlung an die Wohnungseigentümer,
  • Finanzierung einer Maßnahme der baulichen Veränderung, die mit einer Kostentragungsverpflichtung aller Wohnungseigentümer verbunden ist,
  • Bildung einer Liquiditätsrücklage.
[2] LG Düsseldorf, Urteil v. 23.9.2015, 25 S 18/15.

10.1 Auszahlung an die Wohnungseigentümer

Erfahrungsgemäß stehen Wohnungseigentümer einem für sie unerwarteten "Geldsegen" offen gegenüber, weshalb das Risiko einer Beschlussanfechtung als gering zu bewerten sein dürfte. Zur Vermeidung jeglicher Anfechtungsrisiken sollte die Auflösung der Rücklage durch Auszahlung an die Wohnungseigentümer als solche – also als Auszahlung – auch im Ladungsschreiben angekündigt werden. Da die Rechtsprechung jedenfalls die ausdrückliche Ankündigung einer beabsichtigten Kostenverteilungsänderung auf Grundlage der Bestimmung des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG fordert[1], dürfte eine entsprechend konkretisierte Ankündigung auch bezüglich der Art der Rücklagen-Teilauflösung erforderlich sein.

 

Muster: Formulierung des Tagesordnungspunkts

TOP XX Beschlussfassung über eine Teilauflösung der Erhaltungsrücklage durch Auszahlung an die Wohnungseigentümer

Verteilungsschlüssel

Zwingend zu beachten ist, dass bei einer Teilauflösung der Erhaltungsrücklage bezüglich der Auszahlung an die Wohnungseigentümer derjenige Verteilungsschlüssel zur Anwendung kommt, der auch der Bildung der Erhaltungsrücklage, also der Bemessung der durch die Wohnungseigentümer zu leistenden Anteile, zugrunde liegt.

 
Praxis-Beispiel

Einheitlicher Verteilungsschlüssel

Nach der Gemeinschaftsordnung richtet sich die Höhe der von den Wohnungseigentümern zu leistenden Beiträge zur Erhaltungsrücklage nach der Wohnfläche. Wollen die Wohnungseigentümer nun eine Teilauflösung der Rücklage durch Auszahlung an die Wohnungseigentümer beschließen, so muss der Auszahlungsbetrag unter den Wohnungseigentümern wiederum nach Wohnfläche verteilt werden.

Zwar erlaubt § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die beschlussweise Änderung der Kostenverteilung mit Blick auf eine Maßnahme der Erhaltung, also der Instandhaltung und Instandsetzung. Diese Bestimmung ist aber nicht – auch nicht entsprechend – auf den Fall einer Teilauflösung der Rücklage übertragbar. Der Grund liegt bereits insoweit auf der Hand, als es sich bei der Teilauflösung der Erhaltungsrücklage nicht um eine Maßnahme der Erhaltung, also der Instandhaltung oder Instandsetzung handelt.

 

Musterbeschluss: Teilauflösung der Erhaltungsrücklage durch Auszahlung an die Eigentümer

TOP XX Beschlussfassung über eine Teilauflösung der Erhaltungsrücklage durch Auszahlung an die Wohnungseigentümer

Die Erhaltungsrücklage weist derzeit liquide Mittel in Höhe von 80.457 EUR auf. Größere Maßnahmen der Erhaltung bzw. Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums sind nicht absehbar. Für eine Wohnanlage vergleichbaren Alters, vergleichbarer Größe und Ausstattung ist eine Erhaltungsrücklage in Höhe von 50.000 EUR angemessen. Vor diesem Hintergrund beschließen die Wohnungseigentümer eine Teilauflösung der Erhaltungsrücklage in Höhe von 30.000 EUR. Die Auszahlung dieses Betrags an die Wohnungseigentümer erfolgt entsprechend des für die Beitragszahlungen für Zuführungen zur Erhaltungsrücklage geltenden Verteilungsschlüssels nach Wohnfläche.

Auf die einzelnen Wohnungseigentümer entfallen insoweit folgende Beträge:

Wohnung Nr. 1: ___ EUR

Wohnung Nr. 2: ___ EUR

(…)

(Alternative: Die insoweit auf die einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Beiträge sind in der dem Ladungsschreiben beigefügten Auflistung zu entnehmen, die Bestandteil dieses Beschlusses ist und als Anlage zur Beschluss-Sammlung zu nehmen ist.)

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: _____

Nein-Stimmen: _____

Enthaltungen: _____

Der Versammlungsleiter verkündete folgendes Beschlussergebnis:

__________________

Der Beschluss wurde angenommen/abgelehnt.

10.2 Finanzierung einer Maßnahme der baulichen Veränderung

Eine Teilauflösung der Erhaltungsrücklage zur Finanzierung einer Maßnahme der baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums kommt ausschließlich dann in Betracht, ...

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