Leitsatz

Das FamG hatte den Eltern - gläubigen Baptisten - das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Regelung von Schulangelegenheiten entzogen und insoweit eine Pflegschaft angeordnet, da die Eltern sich weigerten, zwei ihrer Kinder am Schulunterricht in einer öffentlichen Grundschule teilnehmen zu lassen.

 

Sachverhalt

Die Eltern mehrerer minderjähriger Kinder wehrten sich bei zwei ihrer Kinder gegen deren Besuch einer öffentlichen Grundschule. Das ältere Kind hatte während der ersten beiden Schuljahre die öffentliche Grundschule besucht. Seit dem Schuljahr 2004/2005 nahm es am Unterricht nicht mehr teil. Ein weiteres Kind hätte im Schuljahr 2004/2005 eingeschult werden sollen. Eine Einschulung erfolgte nicht. Die älteren Geschwister der beiden Kinder hatten öffentliche Schule wie Hauptschule, Realschule und Gymnasium besucht oder besuchten sie noch. Eine weitere jüngere Schwester hingegen war von den Eltern ebenfalls nicht in Deutschland eingeschult worden.

Die Eltern waren gläubige Baptisten. Am 6.9.2004 erschien der Vater in der Grundschule und teilte dort mit, dass die beiden Kinder ab sofort nicht mehr am Unterricht der Grundschule teilnehmen und über die deutsche Fernschule zu Hause unterrichtet würden. Der Besuch der staatlichen Schule werde aus religiösen Gründen von den Eltern abgelehnt. Bei der von den Eltern ausgewählten deutschen Fernschule handelte es sich weder um eine öffentliche Schule, noch um eine staatlich anerkannte oder vorläufig erlaubte Ersatzschule.

Trotz mehrfacher Aufforderungen und Hinweisen durch die Schulleitung und das Schulamt, der Schulpflicht nachzukommen, schickten die Eltern die betroffenen Kinder nicht wieder zur Schule. Auch das gegen die Eltern angestrengte Bußgeldverfahren und die sich anschließende rechtskräftige Verurteilung der Eltern zur Zahlung eines Bußgeldes führten nicht dazu, dass die betroffenen Kinder die Schule wieder besuchen konnten. Die Einschaltung eines Integrationsbeauftragten der Landesregierung blieb ebenfalls erfolglos. Die Kindesmutter hatte mit weiteren glaubenszugehörigen Eltern anderer Kinder einen Antrag auf Genehmigung einer Ersatzschule gestellt. Weder die Dauer noch der Ausgang dieses Verfahrens waren seinerzeit absehbar.

Mit einstweiliger Anordnung vom 15.7.2005 hat das FamG den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Regelung von Schulangelegenheiten entzogen. Insoweit wurde eine Pflegschaft angeordnet und das Jugendamt zum Pfleger bestellt. Der Pfleger wurde ermächtigt, die Herausgabe der Kinder unter Anwendung von Gewalt, notfalls mittels Betreten und Durchsuchen der Wohnung zu erzwingen. Den betroffenen Kindern wurde eine Rechtsanwältin als Verfahrenspflegerin zur Seite gestellt.

Mit Schriftsatz vom 29.7.2005 stellten die Eltern den Antrag, ihnen zu gestatten, die betroffenen Kinder in einem anderen Ort anzumelden, um eine Anmeldung zum Fernunterricht zu erreichen. Die Anmeldung zum dortigen Fernunterricht erfordere eine Ummeldung, was wiederum eine Abmeldung in Deutschland voraussetze. Von dem Pfleger werde dies zu Unrecht verweigert. Der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts berechtige den Pfleger nicht, die Begründung eines neuen Wohnsitzes der betroffenen Kinder mit ihrer Mutter im Ausland zu verhindern.

Nach Anhörung der betroffenen Kinder, der Verfahrenspflegerin und des beteiligten Jugendamts sowie der Eltern und weiteren schriftlichen Stellungnahmen wurde die einstweilige Anordnung vom FamG aufrechterhalten. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Pflegers wurde jedoch dahin eingeschränkt, dass im Falle einer notwendig werdenden Fremdunterbringung keine Heimunterbringung, sondern eine Unterbringung in einer baptistischen Pflegefamilie erfolgen solle, die die allgemeine Schulpflicht anerkenne und die Teilnahme der Kinder am Unterricht in einer öffentlichen Schule oder einer anerkannten Ersatzschule ermögliche. Gleichzeitig wurde dem Pfleger im Wege der einstweiligen Anordnung das Recht übertragen, Maßnahmen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz zu beantragen, um eine Finanzierung der gegebenenfalls in Betracht kommenden Fremdunterbringung sicherstellen zu können. Der Antrag der Eltern auf Aufhebung der Bestellung der Verfahrenspflegerin wurde zurückgewiesen.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Das geistige und seelische Wohl der Kinder sei durch das Erziehungsversagen der Eltern nachhaltig gefährdet und es bestehe ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten. Die betroffenen Kinder waren seit Ende Juli/Anfang August 2005 nach Österreich umgemeldet worden und hielten sich dort überwiegend gemeinsam mit ihrer Mutter auf. Der Kindesvater lebte mit den übrigen Kindern auch weiterhin in Deutschland und ging dort seiner Berufstätigkeit nach.

Seit dem Schuljahr 2005/2006 erhielten die betroffenen Kinder sowie ihre jüngere Schwester in Österreich Heimunterricht gem. § 11 des österreichischen Schulpflichtgesetzes.

Im Hauptsacheverfahren hat das FamG nach Anhöru...

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