Rz. 77

§ 20 Abs. 6 S. 1 ErbStG betrifft inländische Versicherungsunternehmen und inländische Zweigstellen ausländischer Versicherungsunternehmen.

Die Haftung nach § 20 Abs. 6 ErbStG setzt eine Steuerpflicht nach dem Versicherungsnehmer voraus. Versicherungssummen, die dem Versicherungsnehmer selbst ausgezahlt werden, stellen keinen erbschaftsteuerpflichtigen Vorgang dar. Bei einem entgeltlichen Erwerb von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen durch im Ausland ansässige Käufer begründet die im Anschluss an die Vertragskündigung zu leistende Auszahlung an den ausländischen Käufer keine Haftung der Versicherungsunternehmen nach § 20 Abs. 6 ErbStG, weil es sich hier um einen entgeltlichen Vorgang handelt.[108]

 

Rz. 78

Werden Zahlungen dagegen an einen anderen als den Versicherungsnehmer geleistet, kann insoweit eine Schenkung des Versicherungsnehmers vorliegen und Schenkungsteuerpflicht gegeben sein. In Fällen dieser Art kann daher, wenn die Zahlung in das Ausland oder an einen ausländischen Berechtigten erfolgt und der Betrag 600 EUR übersteigt (§ 20 Abs. 7 ErbStG), eine Haftungsinanspruchnahme des Versicherungsunternehmens in Betracht kommen. Die Haftung nach § 20 Abs. 6 ErbStG setzt voraus, dass der "außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhafte Berechtigte" weder in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 8 und 9 AO hatte. Das Finanzamt trifft insoweit die Nachweispflicht.[109] Maßgebend ist dabei der Wohnsitz im Zeitpunkt der Auszahlung. Für das Entstehen der Haftung ist der Wohnsitz des berechtigten Erben und nicht der Wohnsitz des Bevollmächtigten maßgebend.[110] Bei einer Mehrheit von Erben, von denen lediglich ein Teil zu den ausländischen Berechtigten i.S.d. § 20 Abs. 6 ErbStG zählt, tritt eine Haftung nicht ein, soweit die Bank das Guthaben den inländischen Miterben anteilig entsprechend ihren Erbquoten zur Verfügung stellt.[111]

 

Rz. 79

Überweist eine Bank auf Anordnung des vom Erblasser über dessen Tod hinaus Bevollmächtigten Geldbeträge von einem inländischen Erblasserkonto auf das inländische Konto eines Dritten, haftet sie, wenn aus der Bankvollmacht des Erblassers hervorgeht, dass der Bevollmächtigte im Ausland wohnhaft ist und keine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts vorliegt. Die einem Versicherungsunternehmen im Rahmen des § 20 Abs. 6 ErbStG zur Vermeidung der Haftung erteilte bzw. von diesem begehrte "Unbedenklichkeitsbescheinigung" dient dem Interesse des Versicherungsunternehmens an der Vermeidung einer Haftung;[112] Näheres siehe Rdn 91.

 

Rz. 80

Die Überweisung zur Begleichung von Steuerschulden des Erblassers oder unaufschiebbarer Erbfallverbindlichkeiten soll unschädlich sein.[113] Allgemein stimmt die Finanzverwaltung[114] Auszahlungen für bestimmte zweckgebundene Verfügungen bezüglich des Guthabens des Erblassers zugunsten der Erben nicht zu, auch wenn das zuständige Finanzamt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung noch nicht erteilen kann. Hierzu zählen insb. Arztkosten und Krankenhauskosten, Beerdigungskosten i.S.d. § 1968 BGB einschließlich Kosten für Todesanzeigen und die Trauerfeier, Wohnungsmiete und Nebenkosten sowie Kosten für Energie, Wasser, Abwasser u.Ä., Kosten für die Grabanlage und Dauergrabpflege, Ausbezahlung von Pflichtteilen.

[108] BMF, Schreiben v. 15.12.2010, DB 2011, 849.
[109] FG München v. 26.4.1989 – X 64/84, EFG 1989, 465.
[111] Nach LG Frankfurt v. 21.11.2013 – 2–12 O 352/12, WM 2014, 166 könne im Fall einer ungeteilten Erbengemeinschaft eine Auszahlung den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 6 ErbStG eröffnen, wenn einer der Miterben im Ausland wohnhaft ist, selbst wenn die Auszahlung an einen im Inland wohnhaften Miterben erfolgen soll, da eine Bank bei einer ungeteilten Erbengemeinschaft nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten darf. In einem solchen Fall könne von der Bank nicht verlangt werden, ihren vertraglichen Verpflichtungen im Verhältnis zum Bankkunden nachzukommen und gleichzeitig eine eigene Haftung gem. § 20 Abs. 6 ErbStG in Kauf zu nehmen. Dies dürfte nur gelten, wenn nach gesicherter Rechtslage wirklich eine Haftung "droht".
[113] FG München v. 21.12.1994 – 4 K 1296/93, UVR 1995, 153. Die wegen der Nichtzulassung der Revision gegen die Entscheidung des FG München eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschl. v. 30.8.1995 – II B 66/95, n.v., nicht angenommen.
[114] OFD Karlsruhe v. 30.12.2015 – S 3830, ErbSt-Kartei BW § 20 ErbStG Karte 4; BayLfSt ZEV 2015, 185.

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