Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegestufe I. Pflegebedürftigkeit. Zeitaufwand für Grundpflege. Regelmäßigkeit des Hilfebedarfs. Depression

 

Leitsatz (amtlich)

Fehlen der Voraussetzungen der Pflegestufe I

 

Normenkette

SGB XI § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 3 Nr. 1, § 37 Abs. 1, § 114 Abs. 1

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der 1956 geborene Kläger und Berufungskläger begehrt die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I.

Der Kläger beantragte am 4. November 2009 die Gewährung von Pflegegeld. Die Beklagte und Berufungsbeklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 11. Dezember 2009, erstellt nach Hausbesuch, ein. Als pflegebegründende Diagnose stellte der Gutachter eine Quetschung der Wirbelkörper C6/C7 infolge eines Schädelhirntraumas vom April 2007, eine leichte Geh- und Stehbehinderung sowie als weitere Diagnose eine Bewegungseinschränkung der linken oberen Extremität fest. Den täglichen Hilfebedarf schätzte er im Bereich der Grundpflege auf 13 Minuten (Körperpflege 6 Minuten, Mobilität 7 Minuten), im Bereich der Hauswirtschaft auf 43 Minuten. Im Vordergrund stehe die hauswirtschaftliche Versorgung. Mit Bescheid vom 12. Januar 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2010 nach Einholung einer Stellungnahme des MDK nach Aktenlage vom 12. Mai 2010 zurück.

Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 31. August 2010 hat das Sozialgericht Augsburg (Az.: S 10 P 48/10 ER) mit Beschluss vom 10. September 2010 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 17. November 2010 zurückgewiesen (Az.: L 2 P 79/10 B ER).

Im Klageverfahren hat der Kläger ein Pflegetagebuch für die Zeit vom 16. bis 23. Januar 2011 vorgelegt. Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakten beigezogen, die u.a. einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. M. vom 25. Oktober 2010 und ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 17. Februar 2011 enthalten haben, und den Arzt für Innere Medizin Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Hausbesuch beauftragt. Dieser hat in dem Gutachten vom 10. Juli 2011 chronische Schmerzen (Kopfschmerzen, Schmerzen am Bewegungssystem) sowie eine Depression bei leicht kränkbarer Persönlichkeit beschrieben. Es bestehe weder bei der Körperpflege noch im Bereich der Ernährung oder der Mobilität ein mit hinreichender Regelmäßigkeit auftretender Hilfebedarf. Die geleistete Hilfe erfolge sporadisch und im Rahmen ausgeprägter seelischer Tiefpunkte. Es falle auch keine im Rahmen der Pflegeversicherung anrechenbare Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung an, da die Fahrten zu Ärzten oder Therapeuten weit weniger als einmal pro Woche stattfänden. Die Bemessung des zeitlichen Hilfebedarfs für die Grundpflege von 13 Minuten durch den MDK sei als sehr großzügig einzustufen. Der zeitliche Hilfebedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung betrage deutlich unter 30 Minuten täglich.

Das Sozialgericht hat Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten über die Häufigkeit des Praxisbesuchs ab November 2009 eingeholt. Mit Urteil vom 23. Februar 2012 hat es die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des Vorliegens der Pflegestufe I seien von der Beklagten zutreffend abgelehnt worden. Dies ergebe sich aus den im Ergebnis übereinstimmenden Gutachten des MDK und des Dr. H.. Die Tatsache, dass der Kläger in Phasen ausgeprägter seelischer Tiefs einen größeren Pflegebedarf habe, könne nicht berücksichtigt werden, da bei der Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs nur Verrichtungen berücksichtigt werden können, die regelmäßig mindestens einmal wöchentlich anfallen. Nach den Ermittlungen der Kammer treffe dies auch nicht für das Aufsuchen eines Arztes oder Therapeuten zu. Die Behandlungen seien immer wieder durch mehrwöchige Zeiträume unterbrochen. Aber selbst bei Berücksichtigung der Zeiten für Fahrten zur Physiotherapie ergebe sich nur ein zeitlicher Bedarf von sechs Minuten täglich, so dass der Grundpflegebedarf weiterhin deutlich unter den erforderlichen 46 Minuten liege.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Berufung hat der Kläger auf seine chronische Erkrankung bzw. massiven Schmerzen und Beschwerden hingewiesen. Er werde als Kranker und Schwerbehinderter diskriminiert und menschenunwürdig behandelt.

Zu einem vom Kläger vorgebrachten Unfall vom 4. Januar 2012 hat die Beklagte dargelegt, dass der Kläger nur von Schmerzen und allgemeinen Beschwerden berichtet. Ein zusätzlicher Hilfebedarf auf Dauer sei nicht eingetreten. Der Senat hat einen Entlassungsbericht der vom 14. Februar 2012 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 4. bis 12. Januar 2012 eingeholt, bei dem ein Zustand nach Sturz und Commotio cerebri diagnostiziert worden war. Er wurde i...

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