Rz. 362

Die Anpassungsprüfung findet nicht einseitig und ausschließlich zur Wahrung der Belange der Versorgungsempfänger statt. Vielmehr sind im Rahmen einer Interessenabwägung auch wirtschaftliche Aspekte des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Vorrangig geht es dabei um die Erhaltung und gesunde Weiterentwicklung sowie die Substanzerhaltung des Unternehmens und der Arbeitsplätze (vgl. BAG v. 15.9.1977 – 3 AZR 654/76, NJW 1977, 2370; BAG v. 17.1.1980 – 3 AZR 1107/87, BB 1980, 417; BAG v. 23.4.1985 – 3 AZR 156/83, NZA 1985, 496). Die Anpassung der Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung kann also ganz oder teilweise unterbleiben, wenn und soweit hierdurch eine übermäßige Belastung des Unternehmens verursacht würde. Als übermäßig ist vielmehr nur eine solche Belastung zu werten, die es mit einiger Wahrscheinlichkeit unmöglich macht, den Teuerungsausgleich aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und seinen Erträgen in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen. Die dazu erforderliche Prognose muss auf die Unternehmensentwicklung der zurückliegenden Zeit gestützt und durch anerkannte betriebswirtschaftliche Methoden im jeweiligen Einzelfall ermittelt werden und auch eine Prognose für die Zukunft enthalten (BAG v. 17.10.1995 – 3 AZR 881/94, BB 1996, 1388; BAG v. 17.4.1996 – 3 AZR 56/95, BetrAV 1996, 322).

 

Rz. 363

Die Rspr. begnügt sich insoweit nicht mit isolierten Aussagen über die Entwicklung der Auftragslage, die Rentabilität, den Investitionsbedarf oder den handelsrechtlichen Gewinn bzw. Steuerbilanzgewinn, sondern verlangt eine vollständige und lückenlose Darstellung der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens (ausführlich hierzu Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, Rn 1017 ff. u. 1076 ff.). Insoweit obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast. Sofern der Arbeitgeber dieser Darlegungslast in einem eventuellen Gerichtsverfahren nur durch die Veröffentlichung von betrieblichen Interna und Geschäftsgeheimnissen genügen kann, ist er vom Gericht mit den Mitteln des Prozessrechtes (Ausschluss der Öffentlichkeit gem. § 52 ArbGG, § 172 GVG; strafbewehrte Schweigegebote gem. § 174 Abs. 2 GVG) vor nachteiligen Auswirkungen zu schützen (BAG v. 23.4.1985 – 3 AZR 548/82, NZA 1985, 499).

 

Rz. 364

Ist aufgrund einer nachholenden Anpassung nicht nur der Kaufkraftverlust der letzten drei Jahre, sondern für einen darüber hinausgehenden Zeitraum auszugleichen, kann ein voller Ausgleich den Arbeitgeber wirtschaftlich überfordern. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers ist daher in Fällen der nachholenden Anpassung besonders sorgfältig zu prüfen. Sofern die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers nur eine teilweise Anpassung zulässt, steht dem Arbeitgeber bei der Verteilung des Anpassungsbudgets ein gewisser Ermessensspielraum zur Verfügung. Es entspricht insoweit den Grundsätzen billigen Ermessens, wenn der Arbeitgeber die vorhandenen finanziellen Mittel entweder

zur anteilsmäßigen Befriedigung des Anpassungsbedarfes mit einer einheitlichen Quote,
zur vorrangigen Schließung länger zurückliegender Versorgungslücken oder
zunächst zur Erfüllung des Anpassungsbedarfes der letzten drei Jahre verwendet (BAG v. 17.4.1996 – 3 AZR 56/95, BetrAV 1996, 322).
 

Rz. 365

Der BAG-Rspr. ist deutlich die Tendenz zu entnehmen, der Erhaltung der Arbeitsplätze Vorrang vor dem Anpassungsbegehren der Betriebsrentner einzuräumen (so ausdrücklich BAG v. 17.4.1996 – 3 AZR 56/95, BetrAV 1996, 322, 325 m.w.N.). Damit wird der Substanzerhaltung des Unternehmens eine Vorrangstellung eingeräumt. Das "lebende" Unternehmen als Ertragsfaktor sowie eine sachgerechte Entlohnungspolitik für die noch am Produktionsprozess beteiligten Arbeitnehmer bilden eine wesentliche Grundlage für die Erwirtschaftung der zugesagten betrieblichen Versorgungsleistungen. Da sich auf lange Sicht nur ein Unternehmen, das Gewinne erwirtschaftet, im Wettbewerb behaupten kann, ist eine angemessene Eigenkapitalverzinsung und Eigenkapitalausstattung i.d.R. unerlässlich (BAG v. 23.4.1985 – 3 AZR 156/83, NZA 1985, 496; BAG v. 14.2.1989 – 3 AZR 191/87, NZA 1989, 844; BAG v. 17.4.1996 – 3 AZR 56/95, BetrAV 1996, 322, 325; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362). Insoweit ist zunächst der in § 266 Abs. 3 HGB festgelegte Begriff des Eigenkapitals zugrunde zu legen. Maßgeblich sind somit neben dem Stammkapital und Kapitalrücklagen auch Gewinnrücklagen, der Gewinn-/Verlustvortrag und Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (BAG v. 23.5.2000 – 3 AZR 146/99, DB 2000, 1126). Die angemessene Verzinsung besteht aus der bei festverzinslichen Wertpapieren langfristig erzielbaren Verzinsung (= Basiszins = Umlaufrendite öffentlicher Anleihen) zzgl. einem Risikozuschlag von 2 % (BAG v. 23.5.2000 – 3 AZR 146/99, DB 2000, 1126; BAG v. 23.1.2001 – 3 AZR 287/00, BB 2001, 2325, 2326).

 

Rz. 366

Unzureichendes Eigenkapital beeinflusst nicht nur das Unternehmensergebnis (Zinsen für zusätzlich erforderliche Fremdmittel) und die Liquidität, sondern auch die Fähig...

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