Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungslast bei Anpassungsprüfungen nach § 16 BetrAVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG mit der Begründung abgelehnt, sie würde zu einer übermäßigen wirtschaftlichen Belastung führen, so trägt der Arbeitgeber insoweit die Darlegungs- und Beweislast.

2. Die Mitteilung von Verlusten, mit denen einzelne Handelsbilanzen oder Betriebsergebnisberechnungen abgeschlossen haben, reicht als Vortrag nicht aus. Solche Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens in der Regel nur in Verbindung mit den übrigen Bilanzdaten, also ihren Berechnungsgrundlagen.

3. Kann der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nur genügen, indem er Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse preisgibt, muß ihn das Gericht mit den Mitteln des Prozeßrechts schützen. In Betracht kommen: Der zeitweise Ausschluß der Öffentlichkeit (§ 52 ArbGG, § 172 GVG) und strafbewehrte Schweigegebote (§ 174 Abs. 2 GVG).

 

Normenkette

BetrAVG § 16; BGB §§ 242, 315; ArbGG § 52; GVG §§ 172, 174 Abs. 3; StGB § 353d Nr. 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 07.09.1982; Aktenzeichen 6 Sa 423/82)

ArbG Dortmund (Urteil vom 03.02.1982; Aktenzeichen 4 Ca 1358/81)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. September 1982 – 6 Sa 423/82 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Anpassung seiner Betriebsrente nach § 16 BetrAVG.

Der Kläger war bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Nach seinem Ausscheiden zahlte ihm die Beklagte ergänzend zu der Rente aus der Sozialversicherung seit dem 1. April 1976 ein betriebliches Ruhegeld von 150,– DM monatlich. Eine Anpassung hat bisher nicht stattgefunden.

Der Kläger begehrt ab 1. April 1980 die Erhöhung seiner Betriebsrente unter Hinweis auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten von 1976 bis 1980 um 16 %, bezogen auf den Preisindex für die Lebenshaltung eines Vier-Personenarbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 1. April 1980 eine betriebliche Altersversorgung von monatlich 174,– DM statt der gezahlten 150,– DM zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie lehnt eine Anpassung ab, da ihre wirtschaftliche Lage eine weitere Belastung nicht zulasse. Dazu hat sie vorgetragen: Der Fortbestand des Unternehmens sei nur durch Opfer der aktiven Belegschaft erreicht worden. Sie habe die Zahl ihrer Arbeitnehmer erheblich senken müssen. Die Mitarbeiterzahlen seien von 1976 bis 1980 kontinuierlich von 731 auf 556 reduziert worden. Dennoch seien die Personalkosten zunächst von 30,1 Mio. DM auf 33,5 Mio. DM gestiegen. Erst im Jahre 1980 sei ein Rückgang auf 29,3 Mio. DM erreicht worden.

Die Bilanzergebnisse zeigten folgende Entwicklung:

1976

93.000,– DM

1977

-350.000,– DM

1978

196.000,– DM

1979

-1.582.000,– DM

1980

366.000,– DM

Dabei sei das positive Bilanzergebnis für 1980 nur zustande gekommen, weil Rückstellungen für Pensionen nicht in voller Höhe vorgenommen worden seien. Den Rückstellungen hätten an sich weitere 645.000,– DM zugeführt werden müssen. Dann aber hätte sich für 1980 ein Bilanzverlust von 279.000,– DM ergeben.

In demselben Zeitraum weise das Betriebsergebnis nur Verluste aus:

1976

-3,1 Mio. DM

1977

-7,4 Mio. DM

1978

-5,8 Mio. DM

1979

-8,5 Mio. DM

1980

-5,3 Mio. DM

Die Umsatzentwicklung sei, abgestellt auf das Jahr 1973 mit 100 %, wie folgt verlaufen (Gesamtausstoß):

1975

106,3 %

1977

100,7 %

1978

93,5 %

1979

91,6 %

1980

96,8 %

Es seien folgende Netto-Biererlöse erzielt worden:

1975

117,5 Mio. DM

1976

120,3 Mio. DM

1977

116,0 Mio. DM

1978

109,5 Mio. DM

1979

109,2 Mio. DM

1980

114,5 Mio. DM

Der Investitionsplan sehe für die anschließenden fünf Jahre folgende Beträge vor:

1981

16,521 Mio. DM

1982

12,000 Mio. DM

1983

9,923 Mio. DM

1984

7,314 Mio. DM

1985

6,348 Mio. DM

Diese Investitionen seien erforderlich, um die technische Leistungsfähigkeit des Unternehmens und den Absatz sicherzustellen. Bei der derzeitigen Ertragslage müßten sämtliche verfügbaren Mittel für die Zukunftssicherung eingesetzt werden. Doch selbst dazu reichten die Mittel nicht aus. Der allein aus Abschreibungen finanzierte Investitionsplan genüge nicht zur Substanzerhaltung, da er die Preissteigerungen für verbrauchte Güter nicht berücksichtige. Insgesamt zeige die Entwicklung der letzten Jahre, daß der Fortbestand des Unternehmens und dessen gesunde Weiterentwicklung nur gewährleistet seien, wenn zusätzliche konsumtive Ausgaben und Liquiditätsabflüsse vermieden würden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das von der Beklagten vorgetragene Zahlenwerk stehe einer Anpassung nicht entgegen. Infolge der Senkung der Mitarbeiterzahl seien die Personalkosten trotz Steigerung der Tariflöhne nahezu konstant geblieben. Die Bilanzergebnisse seien nicht aussagekräftig, weil ihnen nicht zu entnehmen sei, welche Erträge dem Betrieb wieder zugeflossen seien. Die Ergebnisse würden auch dadurch verändert, daß die Beklagte zum Jahresende in erheblichem Umfang Fässer und Flaschen kaufe, deren Kosten sie sogleich steuerlich absetzen könne. Selbst die negativen Betriebsergebnisse belegten in Wahrheit eine zufriedenstellende wirtschaftliche Lage der Beklagten. Sie berücksichtigten eine Eigenkapitalverzinsung aus Gewinnen, die für Neuinvestitionen verwendet worden seien. Tatsächlich habe die Beklagte seit 1973 mehr als 100 Mio. DM aufgewendet, um einen Neubau der gesamten Brauerei zu errichten. Dabei habe sie nicht einmal Fremdkapital in nennenswertem Umfang einsetzen müssen.

Beim Bier habe die Beklagte von 1973 bis 1980 ihren Umsatz gehalten. Die Angaben über die Erlöse seien lückenhaft; die Beklagte habe Einnahmen aus dem Verkauf von Hefe, Treber und Kornrückständen nicht vorgetragen. Schließlich habe sie erhebliche Einnahmen aus dem Verkauf von Anlagevermögen erzielt.

Die Ruhegeldverpflichtungen der Beklagten lägen unter dem Betrag der vorhandenen Rückstellungen, so daß schon die hiermit erzielte Steuerersparnis ausreiche, die laufenden Renten aufzubringen. Eine Anpassung um 16 % bewirke eine jährliche Mehrbelastung von maximal 80.000,– DM und stehe mithin einem Ausgleich des Kaufkraftverlustes nicht entgegen.

Das Arbeitsgericht hat der Beklagten aufgegeben, „die Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen und eventuelle Leistungsberechungen bzw. Betriebsergebnisberechnungen der Jahre 1976 bis 1980 vorzulegen”. Die Beklagte hat das abgelehnt. Sie habe als nicht zur Veröffentlichung verpflichtete Personalgesellschaft ein schutzwürdiges Interesse daran, ihre Jahresabschlüsse geheimzuhalten. Im öffentlich geführten Rechtsstreit sei die Vertraulichkeit nicht gewahrt. Außerdem reichten die mitgeteilten Zahlen aus, um eine gerichtliche Überprüfung ihrer Ermessensentscheidung zu ermöglichen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Kläger habe den Kaufkraftverlust im Anpassungszeitraum mit 16 % zutreffend berechnet und könne daher grundsätzlich die begehrte Anhebung erwarten. Soweit sich der Arbeitgeber demgegenüber auf seine ungünstige wirtschaftliche Lage berufe, sei er dafür darlegungs- und beweispflichtig, daß diese eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zulasse. Infolge ihrer Weigerung, weitere betriebliche Daten zur wirtschaftlichen Lage mitzuteilen, sei die Beklagte diesen Nachweis schuldig geblieben. Sie trage daher das Risiko, die Renten trotz einer eventuell schlechten wirtschaftlichen Lage anpassen zu müssen. (Das Urteil ist veröffentlicht in EzA Nr. 13 zu § 16 BetrAVG mit Anm. von Schulin.) Der Senat kann sich dieser Begründung nur im Ansatz anschließen, nicht aber in den prozessrechtlichen Folgerungen.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig ist, soweit er ein auf § 16 BetrAVG gestütztes Anpassungsbegehren mit der Begründung ablehnt, seine wirtschaftliche Lage lasse eine Anpassung nicht zu.

a) Gemäß § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Entscheidung des Arbeitgebers kann in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB durch die Gerichte überprüft werden (vgl. Urteil des Senats vom heutigen Tage – 3 AZR 156/83 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 1 a der Gründe; BAG 28, 279, 288 = AP Nr. 4 zu § 16 BetrAVG, zu V der Gründe).

b) Wer eine einseitige Leistungsbestimmung zu treffen hat, muß die Billigkeit seiner Entscheidung darlegen und, soweit die tatsächlichen Grundlagen bestritten sind, beweisen. Dies läßt sich der Fassung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB entnehmen. Danach ist die Bestimmung einer Leistung durch eine Vertragspartei für den anderen Teil nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht (BGH NJW 1981, 571 und NJW 1969, 1809; Schulin in Anm. zu LAG Hamm, EzA Nr. 13 zu § 16 BetrAVG).

Ferner ist zu berücksichtigen, daß in der Regel der Beweis von demjenigen zu verlangen ist, der über die maßgeblichen Umstände Auskunft geben kann und über die entsprechenden Beweismittel verfügt. Dieser Grundsatz gilt vor allem dann, wenn es auf besondere Interessen einer Partei oder deren Vermögensverhältnisse ankommt (Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., § 30 S. 374). Die Rentner sind im Anpassungsrechtsstreit nach § 16 BetrAVG im allgemeinen nicht in der Lage zu beurteilen, wie es mit der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bestellt ist und ob diese die Anpassung der Renten erlaubt. Die erforderliche Kenntnis der Situation des Unternehmens hat nur der Arbeitgeber. Darum ist es seine Sache darzutun, daß die wirtschaftliche Lage eine Anpassung nicht zuläßt (im Ergebnis ebenso: Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 16 Rz 293; Höfer/Abt, BetrAVG, Band I, 2. Aufl., § 16 Rz 175; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, Band I, 2. Aufl., § 16 Rz 164).

2. Dennoch durfte das Berufungsgericht der Klage nicht schon wegen des lückenhaften Vortrags der Beklagten stattgeben. Die Beklagte hat die Vorlage der Bilanzen sowie der Gewinn- und Verlustrechnungen deshalb abgelehnt, weil sie befürchtete, in der öffentlichen Verhandlung des Gerichts würden Betriebsgeheimnisse offenbart, was sich im Wettbewerb zu ihrem Nachteil auswirken könne. Das Berufungsgericht hat diese Befürchtung als berechtigt anerkannt, ist der Beklagten aber mit dem Hinweis begegnet, es sei ihre Sache zu entscheiden, auf welche Weise sie ihre wirtschaftliche Lage darstellen und die Offenbarung von Betriebsgeheimnissen vermeiden wolle. Diese Begründung wird den Erfordernissen eines fairen Verfahrens nicht gerecht, wie die Revision zu Recht rügt.

Da das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, die Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen könnten Betriebsgeheimnisse enthalten (vgl. dazu Urteil des Senats vom 16. März 1982, BAG 41, 21, 29 = EzA Nr. 1 zu § 242 BGB Nachvertragliche Treuepflicht, zu B III 1 a der Gründe), mußte es der Beklagten die Möglichkeit eröffnen, die für die Beurteilung der Streitsache für erforderlich gehaltenen Urkunden unter Wahrung der Vertraulichkeit vorzulegen. So konnte das Gericht gemäß § 52 ArbGG, § 172 GVG die Öffentlichkeit für die Dauer der Erörterung von Geschäftsgeheimnissen, Betriebsgeheimnissen, Erfindungs- oder Steuergeheimnissen ausschließen. Dazu können auch Kalkulationen, Marktstrategien, Kundenlisten und Bilanzen gehören (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 43. Aufl., § 172 GVG Anm. 1 B). Maßgeblich ist insofern allein, daß ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Ein Ausschluß der Öffentlichkeit ist nicht nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig, sondern bereits dann, wenn durch die öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen eines Beteiligten verletzt würden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO).

Darüber hinaus steht gemäß § 203 StGB die Verletzung von Privatgeheimnissen und Betriebsgeheimnissen unter Strafe, sofern sie von bestimmten Berufsgruppen offenbart werden, z. B. von Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftsprüfern. Hätte der Beklagten der Ausschluß der Öffentlichkeit nicht ausgereicht, etwa weil die Offenbarung eines Geschäftsgeheimnisses durch einen Verbandsvertreter als Prozeßbevollmächtigten nicht strafbewehrt ist (vgl. § 203 StGB), so hätte das Berufungsgericht eine weitergehende Maßnahme nach § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG in Erwägung ziehen und gegebenenfalls den in der Sitzung anwesenden Personen ein Schweigegebot auferlegen müssen. Eine Verletzung der auf diese Weise begründeten Geheimhaltungspflicht wäre strafbar (§ 353 d Nr. 2 StGB).

Nur wenn sich eine Partei weigert, trotz des vom Prozeßrecht gewährten Geheimnisschutzes Angaben zu machen und geheimhaltungsbedürftige Unterlagen vorzulegen, darf ein Gericht diese Weigerung zum Nachteil der Partei berücksichtigen. Das hat das Berufungsgericht verkannt.

II. Der Senat kann ohne weitere Feststellungen nicht entscheiden, weil der Klagevortrag nicht unschlüssig ist, andererseits aber auch die Einwendungen der Beklagten zum Ziele führen könnten, wenn sie in ausreichender Weise ergänzt werden sollten.

1. In dem Urteil vom heutigen Tage (3 AZR 156/83) hat der Senat zu dem unbestimmten Rechtsbegriff „wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers” näher Stellung genommen und dargelegt, daß § 16 BetrAVG eine Sonderregelung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch den Kaufkraftverlust von Betriebsrenten enthält. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ist eine Prognose für die Zeit nach dem Anpassungstermin und damit eine zukunftsorientierte Betrachtung der wirtschaftlichen Daten des Unternehmens erforderlich. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers widerspricht einer Rentenanpassung nur dann, wenn die Mehrkosten der Anpassung das Unternehmen übermäßig belasten. Das ist anzunehmen, wenn es mit einiger Wahrscheinlichkeit unmöglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus Erträgen und dem Wertzuwachs des Unternehmens in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen. Sind Einbußen in der Unternehmenssubstanz zu befürchten, so steht die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers und der aktiven Arbeitnehmer einer Anpassung entgegen (zu II 3 a der Gründe). Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe dieses Urteils Bezug genommen.

2. Nach dem bisherigen Vortrag der Parteien und den mitgeteilten Daten läßt sich im Streitfall nicht abschließend beurteilen, ob die Ablehnung einer Rentenanpassung der Billigkeit entspricht. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß nach dem unvollständigen Vortrag der Beklagten eine Anpassungsverpflichtung in Betracht kommt.

a) Die Verringerung der Mitarbeiterzahl der Beklagten von 731 im Jahre 1976 auf 556 im Jahre 1980 läßt keine Schlüsse auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nach dem Anpassungstermin zu. Die Beklagte behauptet zwar, hieran zeige sich, daß der Fortbestand des Unternehmens nur durch Opfer der aktiven Belegschaft erreicht worden sei. Das läßt sich der Reduzierung der Mitarbeiterzahl aber nicht entnehmen und würde auch nichts für die Zeit nach dem Anpassungsstichtag besagen. Die Verringerung der Belegschaft kann Ausdruck der wirtschaftlich angespannten Situation eines Unternehmens sein, sie kann aber auch allein der Rationalisierung dienen. Der Beklagten ist es gelungen, durch den Personalabbau ihre Personalkosten von 1979 bis 1980 um 4,2 Mio. DM zu senken, zugleich aber den Produktionsumfang sowie den Umsatz und die Erlöse zu halten. Zudem hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe ihren Betrieb seit 1973 stark modernisiert und ohne Inanspruchnahme von Fremdmitteln in nennenswerter Höhe damit einen Gesamtneubau der Brauerei erreicht; dafür seien mehr als 100 Mio. DM aufgewendet worden. Wenn das zutrifft, erweist sich die Verringerung des Personalbestandes der Beklagten als eine Maßnahme zur Kosteneinsparung mit dem Ziel der Produktivitätsverbesserung.

b) Zu Recht hat es das Berufungsgericht abgelehnt, eine Entscheidung zugunsten der Beklagten allein auf die mitgeteilten Endergebnisse von Handelsbilanzen und Betriebsergebnisberechnungen zu stützen. Diese Ergebniszahlen können nicht isoliert betrachtet werden. Aufschlüsse über die Unternehmenssituation geben Bilanzen und Betriebsergebnisberechnungen nur dann, wenn erkennbar wird, in welcher Weise und aufgrund welcher wirtschaftlichen Vorgaben die Ergebnisse dargestellt sind. Die starken Schwankungen der Ergebniszahlen, die die Beklagte vorträgt, belegen ferner, daß für die gebotene langfristige Prognose eine Bewertung im zeitlichen Zusammenhang unerläßlich ist. Die negativen Betriebsergebnisse stellen einen zu engen Ausschnitt für eine sachgerechte Unternehmensbeurteilung dar. Die Zahlen über die Umsatzentwicklung und die Biererlöse lassen allenfalls die Tendenz erkennen, daß die Beklagte im Absatzbereich ihre Position halten konnte und durch Rationalisierungsmaßnahmen ihre Wirtschaftskraft nicht unerheblich stärkt.

c) Gewichtiger erscheint der Einwand der Beklagten, sie habe nicht in voller Höhe Pensionsrückstellungen vornehmen können. Da Rückstellungen dem Arbeitgeber ermöglichen, Gewinne nicht versteuern zu müssen und bis zur Fälligkeit der einzelnen Rentenbeträge als Betriebskapital zu verwenden, könnte die Unterlassung dieser steuerlich und betriebswirtschaftlich sinnvollen Maßnahme die Annahme rechtfertigen, daß die dazu erforderlichen Gewinne nicht zu erwirtschaften waren. Der Anpassungsbedarf könnte sich langfristig in nachteiliger Weise auf die Unternehmenssubstanz auswirken, wenn der Arbeitgeber nicht ausreichende Gewinne erzielt, um die erforderlichen Beträge steuerbegünstigt zurückstellen zu können. Die Anpassung darf nicht zu einer übermäßigen Belastung führen, sie muß aus den Erträgen und Wertzuwächsen des Unternehmens finanzierbar sein (im einzelnen: Urteil des Senats vom heutigen Tage – 3 AZR 156/83 – zu II 3 der Gründe).

Im vorliegenden Rechtsstreit ist der diesbezügliche Vortrag der Beklagten nicht unbestritten. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe schon bisher so hohe Rückstellungen angesammelt, daß sich die Anpassungslast allein aus den Zinserträgen finanzieren lasse. Dieser Vortrag könnte erheblich und daher klärungsbedürftig sein.

III. Für die erneute Entscheidung wird das Berufungsgericht folgendes zu berücksichtigen haben:

1. Lehnt die Beklagte es ab, die Bilanzen, Gewinn- und. Verlustrechnungen sowie die Betriebsergebnisberechnungen vorzulegen, obwohl diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht enthalten oder die Geheimhaltung der Unterlagen durch Maßnahmen nach §§ 172, 174 GVG sichergestellt wird, so muß sie erneut antragsgemäß verurteilt werden.

2. Legt die Beklagte die erforderlichen Unterlagen aber vor, so wird das Berufungsgericht die Frage der Finanzierung des Anpassungsbedarfs aus den Erträgen des Unternehmens neu unter Zugrundelegung der zusätzlichen Unternehmensdaten prüfen müssen. Dabei wird das Berufungsgericht die seit dem Anpassungsstichtag eingetretene wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens zu berücksichtigen haben, um zu vermeiden, daß die Entscheidungsgrundlage auf einem rein fiktiven, durch die Realität, überholten Bild beruht. Soweit wirtschaftliche Erwartungen aus der Sicht des Anpassungsstichtags durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt sind, müßten die neuen Daten in die Betrachtung einbezogen werden (vgl. auch hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tage – 3 AZR 156/83 – zu III 1 der Gründe).

3. Im übrigen wird das Berufungsgericht die ihm bisher nicht mögliche Analyse der Bilanzen, der Gewinn- und Verlustrechnungen sowie der Berechnungen der Betriebsergebnisse nachholen müssen. Hinsichtlich deren Bewertung teilt der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts, daß unter dem Gesichtspunkt der Substanzerhaltung die steuerliche Abschreibung verbrauchter Güter zu den historischen Werten in den Bilanzen zum Ausweis von Scheingewinnen führen kann (Ahrend/Förster/Rößler in Anm. zu AP Nr. 8 zu § 16 BetrAVG m.w.N.). Zu Recht ist das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung ferner von der Annahme ausgegangen, eine angemessene Kapitalverzinsung sei in der Regel notwendig, da auf lange Sicht nur ein Unternehmen, das Kapitalgewinne abwirft, in der Lage sein wird, sich im Wettbewerb zu behaupten. Andererseits müssen die Rentner nicht den Teuerungsverlust allein tragen, wenn es dem Unternehmen gelingt, Erträge zu erzielen und den Unternehmenswert zu steigern.

Soweit die Beklagte das Übermaß der Anpassungslast mit Hilfe der dazu erforderlichen Rückstellungen deutlich machen will, ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden. Wenn ein Unternehmen stets ausreichende Rückstellungen für seine Versorgungsverpflichtungen gebildet hat, muß es bei der Anpassung seiner Betriebsrenten genauso verfahren dürfen. Nur sind die Schlußfolgerungen, die die Beklagte aus der Höhe ihres Rückstellungsbedarfs zieht, ohne nähere Darlegungen nicht zwingend. Rückstellungen bezeichnen nicht den aktuellen Bedarf an liquiden Mitteln. Die zurückgestellte Summe steht vielmehr bis zur Fälligkeit der einzelnen Raten dem Unternehmen zur Verfügung und kann zur Finanzierung von Investitionen genutzt werden. Die auf diese Weise erzielbaren Steuervorteile und Investitionserträge sind wirtschaftliche Vorteile, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, wenn die wahrscheinlichen Folgen einer Rentenanpassung für die weitere Entwicklung des Unternehmens abzuschätzen sind.

 

Unterschriften

Dr. Dieterich, Dr. Peifer, Griebeling, Lichtenstein, Fieberg

 

Fundstellen

Haufe-Index 951835

BAGE, 284

JR 1986, 484

ZIP 1985, 893

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