Rz. 9

Mit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG)[11] am 1.7.1998 sind die Vorschriften über die Legitimation nichtehelicher Kinder (§§ 1719 bis 1740g BGB a.F.) ersatzlos entfallen.[12] Die Rechtsstellung nichtehelicher Kinder wurde der der ehelichen vollständig angeglichen.[13] So wurde das bisher geltende Erbrecht nichtehelicher Kinder grundlegend revidiert, ohne jedoch neue erbrechtliche Vorschriften einzuführen. Vielmehr wurden die Vorschriften, die bisher den Erbersatzanspruch regelten (§§ 1934a, 1934b, 2338a BGB a.F.), ersatzlos gestrichen. Nach § 10 Abs. 2 NEhelG haben nichteheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden, kein gesetzliches Erbrecht nach ihrem Vater und umgekehrt. Auch durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz (ErbGleichG) hatte sich hieran nichts geändert. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 28.5.2009 entschieden,[14] dass auch nichtehelichen Kindern ein unentziehbares Recht auf Achtung ihres Familienlebens zusteht (Art. 8 Abs. 1 EMRK). Daraufhin wurde durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 12.4.2011[15] die vollständige erbrechtliche Gleichstellung aller nichtehelichen Kinder bewirkt, indem der Anwendungsstichtag nach Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG für die ab dem 29.5.2009 eingetretenen Erbfälle rückwirkend aufgehoben wurde. Demzufolge steht nunmehr auch den vor dem 1.7.1949 geborenen, aber erst nach dem 28.5.2009 verstorbenen nichtehelichen Kindern sowohl ein Erb- als auch ein Pflichtteilsrecht nach ihrem Vater zu.[16] Für Erbfälle vor dem 29.5.2009 gilt zwar grundsätzlich die alte Regelung weiter, jedoch muss nach Auffassung des EGMR ein nationales Gericht bei Anwendung der Stichtagsregelung jedoch unter den besonderen Umständen des Falls einen gerechten Ausgleich zwischen den betroffenen widerstreitenden Interessen des nichtehelichen Kindes und der Erben herstellen.[17]

Nach der Mutter hatten nichteheliche Kinder schon bisher ein volles gesetzliches Erb- bzw. Pflichtteilsrecht; Gleiches galt auch im umgekehrten Fall bzgl. des Erb- und Pflichtteilsrechts der Mutter nach dem Kind.[18]

[12] Das frühere Recht gilt aber in Ausnahmefällen weiter, nämlich dann, wenn vor dem 1.7.1998 der Erblasser verstorben ist, eine rechtswirksame Vereinbarung über den Erbausgleich getroffen wurde oder der Erbausgleich durch rechtskräftiges Urteil zuerkannt worden war. Aus Gründen der Rechtssicherheit sind Erbfälle, die vor dem Inkrafttreten des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes eingetreten sind, von den Auswirkungen der Reform des Nichtehelichen-Erbrechts ausgenommen, Art. 227 EGBGB. Nichteheliche Kinder, die zwar vor dem 1.7.1949 geboren wurden, deren Vater jedoch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der ehemaligen DDR hatte, haben entsprechend dem bisherigen Recht der DDR nach ihm ein volles Erbrecht, und zwar unabhängig davon, ob der Vater vor oder nach dem Beitritt der DDR am 3.10.1990 verstorben ist, Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB n.F. Diese Rechtslage gilt auch für das Pflichtteilsrecht.
[13] In erbrechtlicher Hinsicht war die Gleichstellung bereits durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz v. 16.12.1997 (BGBl I 1997, 2968) 1997 mit Wirkung ab dem 1.4.1998 bewirkt worden.
[14] EGMR ZEV 2009, 510.
[15] BGBl I 2011, 615 (vgl. BR-Drucks 486/10 v. 13.8.2010); dazu Bäßler, ZErb 2011, 92 ff.; Krug, ZEV 2011, 397.
[16] Für die vor dem 29.5.2009 verstorbenen nichtehelichen Kinder (mit Geburtstag vor dem 1.7.1949) bleibt es aber dabei, dass diese weder ein Erb- noch ein Pflichtteilsrecht nach dem Vater haben, vgl. BGH v. 26.10.2011 – IV ZR 150/10, BeckRS 2011, 26791 sowie diesbzgl. Anm. Litzenburger, FD-ErbR 2011, 326123.
[17] EGMR NJW 2017, 1805; vgl. dazu auch Weber, NotBZ 2018, 32; Dutta, ZfPW 2018, 129.
[18] Die Mutterschaft definiert § 1591 BGB n.F. seit dem 1.7.1998 erstmalig wie folgt: "Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat." Entscheidend ist also der Vorrang der Geburt, nicht die genetische Abstammung. Die Herkunft der befruchteten Eizelle ist hingegen nicht entscheidend. Die Mutterschaft kann nicht angefochten werden.

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