Rz. 102

Zumindest erste Hilfe bietet dem Organ die Durchsetzung der Vergütungsansprüche in einem Urkundenprozess, da die von Seiten der AG oder GmbH zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) geltend gemachten Pflichtverletzungen regelmäßig jedenfalls insoweit nicht mit den Mitteln des Urkundenprozesses beweisbar sind, als es um das Verschulden des Organs geht. Der Vortrag zum Verschulden betrifft eine innere Tatsache. Der Beweis für das Vorliegen innerer Tatsachen kann jedoch nicht durch Urkunden, sondern nur indirekt geführt werden, da solche nicht äußerlich unmittelbar wahrgenommen werden können.

Auf das Kündigungsschreiben als solches kann sich die Gesellschaft nicht berufen, da es eine Frage der Wirksamkeit der Kündigungserklärung ist, ob die Kündigungserklärung tatsächlich das Dienstverhältnis des Organs aufgelöst hat. Entsprechendes gilt übrigens auch für die Ausschlussfrist des § 626 BGB.[148]

Eine analoge Anwendung des § 46 Abs. 2 S. 2 ArbGG, der die Vorschriften über den Urkunden- und Wechselprozess für das Verfahren vor den Arbeitsgerichten ausdrücklich ausschließt, kommt wegen der fehlenden Regelungslücke nicht in Betracht.[149]

Im Hinblick darauf, dass im Nachverfahren die Frage geklärt werden kann, ob die dem Organ vorgeworfenen Pflichtverletzungen einen wichtigen Grund zur Kündigung des Dienstvertrags darstellen, mag sich ein obsiegendes Urteil im Urkundenprozess lediglich als "Etappensieg" des Organs erweisen;[150] es eröffnet aber Spielräume für Vergleichsverhandlungen und schafft für das gekündigte Organ vorläufige finanzielle Sicherheit.[151]

[148] OLG Düsseldorf v. 20.10.1983, 8 U 3/83, n.v.
[149] OLG Rostock v. 5.1.2005 – 6 U 122/04, OLGR Rostock 2005, 804.
[150] Krüger, EWiR 2011, 213, 214.
[151] Vgl. dazu ausführlich Pauly, FS Heidel, S. 631 ff.; Besgen/Dornbusch, Teil 8 Rn 18 ff.

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