Rz. 14

Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Arbeitsgericht diesen nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbinden. Voraussetzung dafür ist, dass die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

Die gesetzlich benannten Entbindungsgründe sind abschließend.

a) Mangelnde Erfolgsaussicht der Klage

 

Rz. 15

Gem. § 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BetrVG kann der Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigung entbunden werden, wenn die Kündigungsschutzklage keine Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist der Fall, wenn sie offensichtlich oder mit ganz erheblicher Wahrscheinlichkeit abgewiesen werden wird. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Arbeitgeber. Das Arbeitsgericht prüft nicht nur die Widerspruchsgründe des Betriebsrats, sondern auch das gesamte Vorbringen des Arbeitnehmers.

b) Mutwilligkeit der Klage

 

Rz. 16

Eine Entbindung erfolgt ebenfalls, wenn die Klage mutwillig im Rechtssinne ist. Eine Klage ist mutwillig, wenn eine verständige Partei ihre Rechte nicht oder nicht in gleicher Weise verfolgen würde.[15] Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die einschlägige Kommentierung zu § 114 ZPO verwiesen werden.

[15] Vgl. Zöller/Philippi, § 114 Rn 30.

c) Unzumutbare wirtschaftliche Belastung

 

Rz. 17

Der Arbeitgeber ist dann von der Weiterbeschäftigungspflicht zu entbinden, wenn eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung zu bejahen ist. Die Belastung muss sehr erheblich sein. In der Praxis dürfte dieser Entbindungsgrund vor allem bei einer Vielzahl gleichgerichteter betriebsbedingter Kündigungen in Betracht kommen.[16]

d) Offensichtlich unbegründeter Widerspruch des Betriebsrats

 

Rz. 18

Die Entbindung des Arbeitgebers findet nach § 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG statt, wenn der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet ist; die Unbegründetheit bei unbefangener Betrachtung sich also ohne weiteres aufdrängt.[17] Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Verstoß gegen § 95 BetrVG gerügt wird, obwohl keine Auswahlrichtlinien bestehen oder die Rüge mangelnder Sozialauswahl bei einer verhaltensbedingten Kündigung erhoben wird.[18] Der Arbeitgeber muss diesen für die Beurteilung des Gerichts erforderlichen Grund glaubhaft machen. Der Widerspruch des Betriebsrats muss im Zeitpunkt seiner Erhebung offensichtlich unbegründet sein. Hat der Betriebsrat einen Widerspruch überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß begründet oder ist der Widerspruch verfristet, besteht von vornherein kein WBA.

[17] Vgl. ArbG Stuttgart v. 5.6.1996, NZA-RR 1997, 260; Ascheid/Preis/Schmidt/Koch, § 102 BetrVG Rn 223.
[18] Vgl. LAG Düsseldorf v. 2.9.1975, DB 1975, 1995.

e) Verfahren

 

Rz. 19

Der Arbeitgeber muss die Entbindung von der Weiterbeschäftigungsverpflichtung durch einen Antrag auf Einstweilige Verfügung vor dem Arbeitsgericht geltend machen. Der Antrag ist nicht fristgebunden. Für die Geltendmachung gelten die allgemeinen (prozessualen) Vorschriften, also auch die Regeln über Verzicht und Verwirkung. Das Gericht entscheidet im Urteilsverfahren.[19] Der Arbeitgeber kann auch nach einer rechtskräftigen Abweisung des Antrages einen erneuten Antrag stellen, wobei der neue Antrag aber nur auf neue Tatsachen gestützt werden kann, die nach der rechtskräftigen ersten Entscheidung entstanden sind. Der Verfügungsanspruch ist durch den Arbeitgeber glaubhaft zu machen. Ein Verfügungsgrund muss in Anbetracht der gesetzlichen Verweisung nicht vorliegen.[20]

[19] LAG Düsseldorf v. 21.6.1974, DB 1975, 2112.
[20] Vgl. LAG Köln v. 19.5.1983, DB 1983, 2368.

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