Anwendung der Wesentlichkeitsanalyse

Die Wesentlichkeitsanalyse ist zentraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsberichterstattung und insbesondere Ausgangspunkt für den Umsetzungsprozess in Unternehmen. Daher verwundert es nicht, dass diese aktuell intensiv diskutiert wird.

Die Verankerung der Wesentlichkeitsanalyse in der CSRD und den ESRS

Auch wenn der Entwurf zur gesetzlichen Umsetzung im HGB weiter fehlt, sollten die europäischen Vorgaben der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie beachtet werden, da es bezüglich Zielgruppe und Anwendungszeitpunkte keine Spielräume gibt. Ab dem Geschäftsjahr 2024 haben bislang nach § 289b HGB zur Nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtete Unternehmen eine Nachhaltigkeitserklärung im Lagebericht abzugeben, ab dem Geschäftsjahr 2025 alle großen Kapital- und denen über § 264a HGB gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften sowie alle zur Konzernrechnungslegung verpflichteten Unternehmen. 

In der Praxis ist bezüglich der Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung, bei der die Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) zu beachten sind, zu beobachten, dass der Aufwand enorm ist. Alleine die bereits final als Delegierte Rechtsakte im EU-Amtsblatt veröffentlichten 12 Standards (ESRS Set 1) enthalten 826 zu beachtenden Datenpunkte, d.h. konkrete Angabepflichten. Davon sind 177 stets anzugeben und die übrigen 649 stehen unter dem Wesentlichkeitsvorbehalt. Dazu kommen noch einmal 257 Datenpunkte, die per Wahlrecht angegeben werden dürfen. Bei diesen ist aber noch nicht ganz klar, ob hier Interessengruppen des Unternehmens ggf. auch die Angabe verlangen (können).

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Die doppelte Wesentlichkeit

Bezüglich der Wesentlichkeit gilt die doppelte Betrachtung, wobei neu die Erfüllung eines Kriteriums bereits die Angabepflicht auslöst:

  • einerseits ist wesentlich, wenn die Risiken oder Chancen analog zur bisherigen Finanzberichterstattung wesentlich sind, d.h. entscheidungsrelevant aus der Sicht der Eigen- oder Fremdkapitalgeber;
  • andererseits sind auch Auswirkungen des unternehmerischen Handelns zu berichten, wenn diese aus der Sicht der Stakeholder (Interessengruppen) wesentlich sind.

Bisherige Unterstützung von Seiten der Regulierung

Die Wesentlichkeitsanalyse ist meistens, ggf. nach einer vorgeschalteten Bestandsaufnahme der vorhandenen Nachhaltigkeitsinformationen im Unternehmen der Ausgangspunkt für den Umsetzungsprozess. Daher verwundert es nicht, dass dies aktuell intensiv diskutiert wird. Dabei gibt es zwar einen Entwurf für weitere Erläuterungen vom EFRAG SRB, aber dieser ist immer noch nicht final, sondern aktuell zur Konsultation gestellt. Auch soll eine Verknüpfung mit der Sorgfaltspflichtenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD) hergestellt werden, in der die Vorgaben für die Prüfung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten konkretisiert werden sollen, was dann auch eine Wesentlichkeitsbetrachtung beinhaltet. Daher ist von Seiten der Regulierung bisher nicht eine Unterstützung mit finalen Dokumenten vorzufinden.

Veranstaltungen diskutieren Aspekte der Wesentlichkeitsanalyse und geben Anwendungsbeispiele

So gibt es zahlreiche Veranstaltungen, auf denen insbesondere die Aspekte der Wesentlichkeitsanalyse diskutiert und erste Anwendungsbeispiele der DAX-Konzerne vorgestellt werden. Exemplarisch sei genannt das Anwenderforum des DRSC, welches am 30.11.2023 zum 5. Mal stattfand. Die Anwenderforen stehen exklusiv den DRSC-Mitgliedsunternehmen und -verbänden offen. Hier sollen Anwendungsthemen und -herausforderungen bzgl. der ESRS diskutiert werden, um diese anschließend (in anonymisierter Form) der EFRAG bzw. der Europäischen Kommission zu übermitteln. 

Am 22. und 23.11.2023 fand in Wien ein 2-tägiger Kongress zu Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS statt, der sich mit Beispielanwendungen und Spezialfragestellungen rund um das Thema beschäftigte.

Auch der Arbeitskreis Nachhaltigkeitsberichterstattung des BVBC hat sich auf der letzten Sitzung am 8.12.2023 mit der Thematik der Wesentlichkeitsanalyse insbesondere mit Bezug auf den Mittelstand beschäftigt und plant ein FAQ-Dokument dazu zu erstellen.

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In der News-Reihe "Aktuelles zur Nachhaltigkeitsberichterstattung" fasst Herr Prof. Dr. Müller monatlich die neusten und relevantesten Entwicklungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung prägnant für Sie zusammen. Weitere Ausgaben:

ESRS Set 1 – EU-Kommission veröffentlicht Delegierten Rechtsakt

EFRAG arbeitet an Hinweisen zur Anwendung der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung

CSDDD: Noch keine Einigung bei der EU-Lieferkettenrichtlinie

Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeitsberichterstattung, CSRD, ESRS