Wiedereingliederung von depressiven Beschäftigten

Wenn Menschen mit Depressionen, einem Burn-out oder einer Angststörung ins Berufsleben zurückkehren, stellt das Betroffene und Unternehmen vor eine besondere Herausforderung. Eine stufenweise Wiedereingliederung gilt als problematisch. Eine aktuelle Studie untersuchte, ob die Erfolgsaussichten für eine gelungene Wiedereingliederung tatsächlich schlechter und die Rückfallquoten höher sind als nach anderen Erkrankungen.

Depressionen, chronische Erschöpfung, Ängste: Der Arbeitsausfall aufgrund psychischer Erkrankungen erreichte im  Jahr 2022 einen neuen Höchststand. Mit 301 Fehltagen je 100 Versicherte lagen die Fehlzeiten wegen dieser Erkrankungen um 48 Prozent über dem Niveau von vor zehn Jahren. Hinsichtlich der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nach einer Erkrankung gelten sie als besondere Herausforderung, das Rückfallrisiko wird allgemein als hoch betrachtet. Ist diese Betrachtungsweise aber wirklich gerechtfertigt?

Deutschlandweite Umfrage

In einer Ende 2022 veröffentlichten Studie wurde der Erfolg von Wiedereingliederung von psychisch Erkrankten im Rahmen von Interviews mit den betroffenen Beschäftigten und den Betriebsärzten untersucht. An der deutschlandweiten Online-Befragung konnten Betriebsärzte, die regelmäßig mit Beschäftigten mit depressiver Episode arbeiten, und Beschäftigte, die nach einer krankheitsbedingten Auszeit an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt sind, zwischen November 2021 und März 2022 teilnehmen. Insgesamt wurden die Antworten von 192 Beschäftigten und 180 Betriebsärzten statistisch ausgewertet. Im Fokus der Interviews standen dabei in erster Linie die Beratungen der Betroffenen durch die Werksärzte während des Wiedereingliederungsprozesses, die auf freiwilliger Basis durchgeführt werden, von den betroffenen Beschäftigten aber mehrheitlich genutzt werden. In ihnen werden die aktuelle Situation des Arbeitnehmers sowie das weitere Vorgehen individuell und weitgehend unabhängig vom vorgefertigten Wiedereingliederungsplan festgelegt.

Fragen und Ziele der Studie

Dabei fragte sich das Forschungsteam, ob bei psychisch Erkrankten spezielle Prozesse in der Wiedereingliederung erforderlich sein könnten oder ob sich diese Gruppe von Erkrankten von anderen unterscheidet. Hieraus sollen Empfehlungen für den konkreten Umgang mit psychisch Erkrankten abgeleitet werden. Neben den subjektiven Angaben der Studienteilnehmer wurden die für die Wiedereingliederung relevanten Unternehmensdaten ausgewertet. Bewertete Parameter waren dabei die Dauer der Arbeitsunfähigkeit (in Monaten) vor der Wiedereingliederung, die Dauer von Wiedereingliederungsmaßnahmen (in Wochen) und die Erfolgsrate in Abhängigkeit von der Existenz psychiatrisch relevanter Diagnosen bei den Betroffenen.

Zwischenmenschliche Beziehungen wichtig

In dieser Studie wurde erstmals ein Vergleich der Perspektiven der Betriebsärzte und der Beschäftigten basierend auf einer quantitativen Erhebung durchgeführt. Insgesamt fiel dabei auf, dass beide Gruppen dieselben Maßnahmen als am besten geeignet für die Rückfallprävention einschätzen. Dies seien vor allem die Lösung von Konflikten mit den Vorgesetzten sowie die Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen. Gute zwischenmenschliche Beziehungen seien, so die Erkenntnis der Forscher, eine grundlegende Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit im Arbeitsalltag nach der Wiedereingliederung und damit besonders wichtig für eine erfolgreiche Wiedereingliederung.

Schlechtere Erfolgsaussichten der Wiedereingliederung bei psychischen Erkrankungen

Weiterbildungen für (alle) Beschäftigte zur Vorbeugung von psychischen Erkrankungen hätten nach Angaben der Informanten den größten positiven Einfluss und Stigmatisierung am Arbeitsplatz durch die Kollegen den größten negativen Einfluss auf den Erfolg einer Wiedereingliederung von psychisch erkrankten Beschäftigten. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit vor einer Wiedereingliederung und auch die Dauer der Wiedereingliederung selbst waren bei psychisch kranken Arbeitnehmern signifikant länger als bei anderweitig Erkrankten. Auch die Erfolgsquote der Wiedereingliederungen war bei psychischen Erkrankungen schlechter als bei nicht-psychischen Krankheiten. Ob hierfür erkrankungsimmanente Faktoren verantwortlich sind oder besondere Qualifikationsmaßnahmen für die verantwortlichen Akteure im Betrieb (Betriebsärzte, Beschäftigte, Führungskräfte) das Ergebnis verbessern könnten, z. B. frühere Wiedereingliederungsversuche oder psychiatrisch noch besser geschulte Betriebsärzte, konnte anhand der vorliegenden Daten nicht geklärt werden. Beschäftigte, die mehr Zeit für eine Wiedereingliederung zur Verfügung hatten, kehrten häufiger zu einer Vollzeitbeschäftigung zurück, wohingegen Alleinverdienende mit voller Verantwortung für die finanzielle Versorgung ihrer Familien hierbei weniger erfolgreich waren. Immerhin sei die Erfolgsquote noch hoch genug gewesen, um daraus zu schließen, so die Verfasser der Studie, dass sich zumindest in einem gut etablierten Eingliederungsmanagementsystem mit einer ausreichenden finanziellen Versorgung der Betroffenen auch psychisch Erkrankte in vielen Fällen gut reintegrieren lassen.

Die Studie: Paulinus, Richard, Ersel, Roman, Pauli, Petra, Gaum, Maria: Wiedereingliederung nach Depression, in: ASU – Arbeitsmedizin. Sozialmedizin. Umweltmedizin, 2022; 58: 43–47 kann hier heruntergeladen werden.

Schlagworte zum Thema:  Wiedereinstieg, Wiedereingliederung, Burnout