Überstunden: Kann der Betriebsrat eine Zeiterfassung initiieren?

Nach dem Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung wollte auf einmal jeder so lange arbeiten dürfen, wie es ihm passt. Doch die Betriebsräte setzen sich für eine verlässliche Zeiterfassung ein.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) macht keine Vorgaben zur Art und Weise der Arbeitszeiterfassung. Die Ausgestaltung ist den Mitgliedstaaten überlassen. Dadurch ist eine Diskussion entstanden, die letztlich wohl durch Gerichte entschieden werden muss.

Alles wie bisher?

Bisher werden in Deutschland Arbeitszeiten oft von den Arbeitnehmern händisch erfasst. Auf der einen Seite wird nun die Meinung vertreten, dass auch zukünftig eine Arbeitszeiterfassung von Hand und auf dem Papier ausreichen würde.

Betriebsräte wollen verlässliche Zeiterfassung initiieren

In den Bedingungen, die der EuGH formuliert hat, heißt es allerdings, dass die Zeiterfassung objektiv, verlässlich und zugänglich erfolgen muss. Das wäre z. B. mit einer digitalen Zeiterfassung einfach und zeitgemäß zu erreichen. Darauf könnten sich auch die Betriebsräte berufen, wenn sie ihr Mitbestimmungsrecht im Arbeitsschutz und eine bestimmte Form der Zeiterfassung einfordern. Grundlage für solch eine Initiative könnte eventuell das Betriebsverfassungsgesetz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) sein.

Nur Mitbestimmungsrecht oder auch Initiativrecht?

Führt ein Unternehmen ein technisches System zur Zeiterfassung ein, besteht für den Betriebsrat ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Ob er allerdings auf Grundlage der EuGH-Entscheidung auch ein Initiativrecht dabei hat und z. B. ein digitales Zeiterfassungssystem einfordern kann, ist bisher noch ungeklärt.

Wissenschaftler hält moderne Zeiterfassung für angebracht

Direkt nach dem Urteil befürwortete Prof. Dr. Dirk Lehr, Gesundheitspsychologe an der Leuphana-Universität in Lüneburg, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung eine Arbeitszeiterfassung. Die Zeiterfassung müsse nicht aufwendig sein, koste mit modernen Erfassungsmethoden wenig Zeit und würde daher auch keinen Stress erzeugen.

Zweifel an der Freiwilligkeit von Überstunden

Heute, so Lehr, würden ausschließlich Kennzahlen verglichen. Immer seltener werden diese in Relation mit der Zeit gesetzt, die dafür gebraucht wird. Dieses Prinzip führt zum Dauerstress. Denn viele Mitarbeiter leisten Überstunden, so Lehr, weil sie vor Vorgesetzten und Kollegen nicht schlecht dastehen wollen. Dieser Antrieb sei aber nur „halb freiwillig“, wie Lehr meint.

Kennzahlen und Zeitaufwand gehören zusammen erfasst

Mit einer Arbeitszeiterfassung könnte ein Zusammenhang zwischen Kennzahlen und dem dafür benötigten Zeitaufwand hergestellt werden. So ließe sich ermitteln, wie lange bestimmte Tätigkeiten dauern, wobei gute und schlechte Tage zu berücksichtigen sind. Das ergäbe eine Einschätzung, mit der (Arbeits-)Ziele realistisch umgesetzt werden könnten.

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