Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Steuerberater

KI-Technologien werden nachgesagt, dass sie einigen Menschen die Arbeitsplätze wegnehmen könnten. Betrifft das auch die Steuerberater? KI-Experte Peter Fettke erklärt im Interview, welche Auswirkungen KI auf die Branche haben könnte.

Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Steuerberater

Herr Fettke, Sie beleuchten die Anwendungsbereiche von KI im Steuerumfeld, müssen Steuerberater Angst haben, dass ihre Arbeit bald von Maschinen erledigt werden kann?

Peter Fettke: Nein, ich glaube nicht, dass alle Aufgaben eines Steuerberaters aufgrund von KI wegrationalisiert werden können. Der Beruf des Steuerberaters ist und war schon immer sehr heterogen. Sicherlich gibt es aber eine Reihe von Tätigkeiten, bei denen man sich die Frage stellen kann, ob sie noch so richtig wertschöpfend sind.

Zum Beispiel?

Das sind Arbeiten, für die es mittlerweile digitale Lösungen gibt, etwa für die Standard-Steuererklärung eines Arbeitnehmers. In den Bereich drängen ja auch schon viele Unternehmen. Ein sehr deutliches Beispiel ist der VAT-Service von Amazon, der Unternehmen die Umsatzsteuerdeklaration abnimmt. Bei so einer neuen Marktsituation müssen sich Kanzleien ganz bewusst entscheiden, wie sich weiterentwickeln wollen.

Künstliche Intelligenz in der Steuerbranche: Es bewegt sich etwas

Ist die Branche denn gewappnet für so eine Transformation?

Für den Bereich KI kann ich sagen, dass schon einige Steuerkanzleien aktiv geworden sind. Sie sehen darin ein neues Beratungsangebot für ihre Mandanten. Ich bekomme diverse Anfragen von Steuerberaterkammern, die mit mir zusammen Veranstaltungen dazu organisieren wollen. Nicht selten erhalte ich danach aber auch die Rückmeldung, dass zu solchen Veranstaltungen meist nur die Menschen kommen, die in diesem Bereich sowieso schon gut aufgestellt sind. Es gibt sicherlich auch Leute, die froh sind, dass sie am Ende ihrer beruflichen Karriere angekommen sind.

Peter Fettke

Und was ist mit denen, die am Beginn ihrer beruflichen Karriere stehen?

In Zukunft werden neue Kompetenzen im Steuer-Umfeld wichtig. Es kommt zu immer mehr Schnittstellen zwischen IT und Steuern. Menschen, die im Bereich Steuer tätig sind, kommen ja zum Teil aus ganz unterschiedlichen Wissenschaften. Die Steuerrechtler lernen an der juristischen Fakultät, die Leute, die betriebswirtschaftliche Steuerlehre machen, sind in der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät beheimatet und die Finanzwissenschaftler sind nicht selten in der Politik- oder Verwaltungswissenschaft untergebracht. Das sind sehr heterogene Ausbildungswege, die jetzt von der Technik vereint werden können.

Wie IT und Tax zueinanderfinden

Sie haben auf der Tax Technology Conference von einer vierten Steuerwissenschaft gesprochen: Tax Tech.

Ja, und damit meine ich nicht nur, dass Steuerrechtler, Finanzwissenschaftler und BWLer sich jetzt IT-Kompetenzen aneignen sollen. Ich sehe den Bedarf auch in die umgekehrte Richtung. Die Informatik hat den Bereich Steuern in der Vergangenheit brutal ausgespart, vielleicht auch, weil sie die Notwendigkeiten dazu nicht gesehen hat.


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Gemeinsam mit WTS haben sie eine Studie veröffentlicht, die sich mit der AI Readiness von Steuerabteilungen in Unternehmen befasst hat, wie steht es darum?

Die Lage ist sehr heterogen. Es gibt Unternehmen, die federführend sind und viele Unternehmen sehen gewaltige Potentiale. Man darf aber nicht vergessen: Durch den Einsatz von KI in den Steuerabteilungen revolutioniert sich nicht das Kerngeschäft der Unternehmen. Die Abteilung wird zwar besser funktionieren, aber es tun sich durch diese Maßnahmen keine neuen Geschäftsfelder auf. Zudem stecken auch die Beratungsunternehmen im Bereich KI in der Anfangsphase. Die Projekte, die sie anbieten sind oftmals Pilotprojekte. Aus Sicht der Leiter der Steuerabteilungen bezahlen sie sozusagen die Lernkurve der Steuerberatungen.

Vor der KI kommt die Harmonisierung der Daten

Gibt es noch weitere Herausforderungen, die der Anwendung von KI-Technologien im Wege stehen?

Die Harmonisierung der Daten ist natürlich ein wichtiger Punkt. Der wiederum hängt von der Unternehmensstrategie ab, also ob ein Unternehmen erkannt hat, dass Daten eine wichtige Rolle spielen und dass die Daten von einer guten Qualität sein sollten.

Das heißt, die Harmonisierung der Daten sollte nicht erst in der Steuerabteilung eines Unternehmens beginnen?

Genau, und vor der Harmonisierung sollte eine Strategie festgelegt werden.

Das sind ganz schön viele Schritte bis hin zur Anwendung von KI.

Man kann sicherlich an einzelnen Stellen, an denen man bereits Daten integriert hat, damit anfangen. Das macht auch Sinn, denn die reine Datenintegration zeigt noch nicht so viel Nutzen und sie ist in großen Unternehmen eine Lebensaufgabe. Eine Vision, also der Grund, warum man KI anwenden möchte, braucht es aber immer.

Sie haben in einem Beitrag für das Datev-Magazin geschrieben, „KI ist das neue Bio“, glauben Sie, dass dieser Hype wieder abflachen kann?

KI ist momentan eine absolute Modewelle und es ist nicht die erste. Es gab auch schon zwei KI-Winter, also Zeiten, in denen das Interesse an KI abgeflaut ist und das kann heute natürlich auch wieder passieren. Trotzdem glaube ich, dass wir in den kommenden Jahren noch einige Innovationen erleben werden, die wir heute noch gar nicht voraussehen können.

Zur Person

Peter Fettke ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes und leitender Wissenschaftler sowie DFKI Research Fellow am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken.

Schlagworte zum Thema:  Künstliche Intelligenz (KI)