Entscheidungsstichwort (Thema)

Zivilprozesskosten im Zusammenhang mit der Sicherung und Erhaltung des Lebensunterhalts als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, Kosten geschiedener Ehegatten für eine außergerichtliche Streitbeilegung sowie die gerichtliche Teilung des Vermögens und die gerichtliche Klärung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder sind nicht abzugsfähig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 33 EStG ist im weitesten Sinne als Ausfluss des subjektiven Nettoprinzips zu sehen. Die Vorschrift soll in Ergänzung zum Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 EStG, der typisierend existenznotwendige Aufwendungen von der Besteuerung ausnimmt, bestimmte zusätzliche, nicht vom Grundfreibetrag umfasste untypische Aufwendungen ebenfalls von der Besteuerung ausnehmen; jedenfalls insoweit, wie sie eine an dem Gesamtbetrag der Einkünfte bemessene und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit typisierend Rechnung tragende zumutbare Eigenbelastung des Steuerpflichtigen übersteigen. Aus Sicht des Senats muss es sich auch bei Prozesskosten um Aufwendungen handeln, die mit dem Lebensunterhalt des Steuerpflichtigen in Zusammenhang stehen (Abgrenzung zur BFH-Rechtsprechung).

2. Zumindest Kosten für solche Zivilprozesse sind zwangsläufig i. S. d. § 33 EStG, die in der Sache mit der Sicherung bzw. dem Erhalt des Lebensunterhalts in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Jedenfalls bei sog. „Dauersachverhalten”, also solchen, denen eine dauernde Zahlung zugrunde liegt (z. B. Miete, Einkommen, Unterhalt), die sich unmittelbar auf die zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel auswirken, dürften Prozesskosten dem Grunde nach regelmäßig zwangsläufig sein.

3. Nach diesen Grundsätzen sind Kosten eines Ehegatten vor und nach der Scheidung für ein Gerichtsverfahren zur Klärung der Höhe des Unterhaltsanspruchs des getrennt lebenden anderen Ehegatten als außergewöhnliche Belastung abziehbar, nicht aber Kosten für außergerichtliche Tätigkeiten eines Rechtsanwalts bzw. Notars zur außergerichtlichen Streitbeilegung zwischen den Ehegatten sowie für die gerichtliche Teilung des Vermögens der Ehegatten (Teilungsversteigerung) sowie die gerichtliche Klärung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsamen Kinder.

 

Normenkette

EStG 2009 § 33 Abs. 1, 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.04.2016; Aktenzeichen VI R 5/15)

BFH (Urteil vom 28.04.2016; Aktenzeichen VI R 5/15)

 

Tenor

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom – Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom – Juli 2013 wird die Einkommensteuer 2010 unter Berücksichtigung weiterer Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von 3.287,87 EUR als außergewöhnliche Belastungen festgesetzt. Dem Beklagten wird aufgegeben, die Steuer nach dieser Maßgabe neu zu berechnen. Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 75 % den Klägern und zu 25 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Anwalts- und Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastungen.

Der Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der …GmbH (GmbH). Gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau … (B) erwarb er 2004 ein Grundstück, das mit einem Betriebsgebäude bebaut und an die GmbH vermietet wurde. An der Vermietungsgesellschaft waren der Kläger zu 49 % und B zu 51 % beteiligt. Die Eheleute hatten zudem in ihrer 27 Jahre andauernden Ehe weiteren Grundbesitz erworben. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.

Die Ehe wurde mit Urteil des Amtsgerichts … vom … November 2009 geschieden. Gleichzeitig wurden Rentenanwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu Gunsten von B übertragen. Die Kosten des Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben. Dem Kläger ging eine Kostenrechnung über 223 EUR zu, die er 2010 bezahlte.

Im Rahmen verschiedener, bereits während der Zeit des Getrenntlebens (2008) bestehender juristischer Auseinandersetzungen entstanden dem Kläger 2010 weitere Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von 13.500 EUR, die sich wie folgt aufschlüsseln:

1.

Antrag Prozesskostenvorschuss Gegner

775.64

2.

Scheidungsverfahren 20 F …

1,588.65

3.

Gerichtsverfahren 20 F … Getrenntlebendenunterhalt plus Rückstände

3,237.87

4.

Außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit Aufstockungsunterhalt,Umgangsregelung,Scheidungsfolgenvereinbarung abzügl. geleisteter Vorauszahlungen 2009:

3,810.48

5.

Antrag auf Teilungsversteigerung und Klage auf Auseinandersetzung Vermietungsgesellschaft abzügl. geleisteter Zahlungen 2009:

4,533.34

6.

Außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit Aufenthaltsbestimmungsrecht abzüglich einer 2010 geleisteten Teilzahlung von 627,73 EUR:

169.99

Summe

14,115.97

Der Kläger hatte mit den Rechtsanwälten …...

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