Man glaubt es zwar nicht, aber trotzdem ist es wahr: Auch Kuhglocken können Nachbarstreitigkeiten auslösen. Im Kern geht es bei diesen Streitigkeiten um die Frage, ob die auf einer eingezäunten Wiese weidenden Kühe mit Glocken ausgerüstet sein müssen und die Wohnnachbarschaft den dadurch verursachten Lärm hinzunehmen hat.

3.10.1 Gemischte Bebauung

Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Bewertung derartiger Fälle einerseits daran, ob es einen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für die Lärmerzeugung gibt. Ist ein solcher nicht zu erkennen, wie beim nächtlichen Kuhglockengeläut von Kühen auf eingezäunter Weide in einer nicht ausschließlich landwirtschaftlich geprägten Gegend, ist das Interesse des Nachbarn auf Ruhe höher zu werten als das Interesse des Lärmerzeugers auf Fortsetzung seiner lärmenden Tätigkeit. Das Ruhebedürfnis der Nachbarschaft reicht aber nicht so weit, dass dem Landwirt ohne jede zeitliche Beschränkung aufgegeben werden darf, die Glocken an seinen Kühen zu entfernen. Es können höchstens Maßnahmen zum Schutz der Nachtruhe verlangt werden.[1]

[1] Vgl. AG Lindau, Urteil v. 19.8.1991, C 507/91, NJW-RR 1992, 277; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 7.3.1996, 1 S 2947/95, ZMR 1996, 401

3.10.2 Ländliche Gegend

Andererseits wird nach Auffassung der Rechtsprechung in einer ausschließlich landwirtschaftlich geprägten Gegend, in welcher der Viehhaltung noch eine größere Bedeutung zukommt, auch nächtliches Kuhglockengeläut üblicherweise nicht als störend empfunden, sodass es keine wesentliche Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke bedeutet.

In diesen Fällen wird das Läuten von Kuhglocken denjenigen Geräuschen zugerechnet, die notwendigerweise mit der landwirtschaftlichen Arbeit verbunden, die also "landwirtschaftliche Arbeitsgeräusche" im weiteren Sinn sind und deshalb von den Bewohnern eines überwiegend oder ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Gebiets als normal hingenommen werden.[1]

Schließlich wird von der Rechtsprechung auch berücksichtigt, ob das Behängen von Kühen mit Glocken in der betreffenden Gegend überhaupt traditionell üblich ist. Dies hat etwa das Amtsgericht Menden für Nordrhein-Westfalen (Sauerland) im Gegensatz zu den Ländern Süddeutschlands verneint.[2]

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