Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung. Schadenersatz

 

Orientierungssatz

§ 10 Nr 8 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30.4.1980 verhindert bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis im Falle der Krankheit das Erlöschen des Urlaubsanspruchs auch dann, wenn dieser nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt dies jedoch nicht. Der Abgeltungsanspruch erlöscht nach § 10 Nr 8 des Tarifvertrages mit Ablauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden 31. März.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 287; BUrlG § 7; BGB §§ 249, 284, 286; BUrlG § 13; SchwbG § 44

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 31.10.1984; Aktenzeichen 2 Sa 826/84)

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 04.06.1984; Aktenzeichen 1 Ca 975/84)

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 04.06.1984; Aktenzeichen 1 Ca 1224/84)

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 04.06.1984; Aktenzeichen 1 Ca 1223/84)

 

Tatbestand

Die Kläger waren langjährig bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit war auf die Arbeitsverhältnisse der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 (MTV) anzuwenden. Darin ist geregelt:

"§ 9

Grundsätze der Urlaubsgewährung

.....

3. Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist

nur zulässig, wenn bei Beendigung des

Arbeitsverhältnisses/Ausbildungsverhält-

nisses noch Urlaubsansprüche bestehen.

.....

.....

§ 10

Allgemeine Urlaubsbestimmungen

.....

3. Im Ein- und Austrittsjahr hat der Arbeitnehmer/Auszubildende

gegen den alten und

neuen Arbeitgeber/Ausbildungsbetrieb auf

so viele Zwölftel des ihm zustehenden Urlaubs

Anspruch, als er Monate bei ihnen

gearbeitet hat (Beschäftigungsmonate)/ausgebildet

wurde (Ausbildungsmonate). Ein

angefangener Monat wird voll gerechnet,

wenn die Beschäftigung/Ausbildung mindestens

zehn Kalendertage bestanden hat.

.....

4. In den auf das Eintrittsjahr folgenden

Kalenderjahren ist der volle Jahresurlaub

zu gewähren, wenn das Arbeitsverhältnis

durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers

nach dem 1. April beendet wird.

Arbeitnehmer, die wegen Erhalts einer Rente

aus der gesetzlichen Rentenversicherung

aus dem Betrieb ausscheiden, haben

unabhängig vom Termin ihres Ausscheidens

Anspruch auf den vollen Jahresurlaub,

wenn sie im Austrittsjahr bis zum 31. Januar

tatsächlich gearbeitet haben.

.....

8. Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate

nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei

denn, daß er erfolglos geltend gemacht

wurde oder daß Urlaub aus betrieblichen

Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen

werden konnte."

Die Kläger schieden zum 1. März 1984 (Kläger St), zum 31. Mai 1984 (Kläger G) und zum 7. Februar 1984 (Kläger S) aus ihren Arbeitsverhältnissen aus. Sie waren im Jahr 1983 längere Zeit und im Jahr 1984 ohne Unterbrechung bis zur Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse arbeitsunfähig erkrankt. Seit Beendigung der Arbeitsverhältnisse beziehen sie Renten wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die Kläger, deren tägliche Arbeitszeit acht Stunden betrug, verlangen von der Beklagten die Abgeltung restlichen Urlaubs aus 1983 und anteiligen Urlaubs aus 1984 in unstreitiger Höhe. Einschließlich eines Urlaubsgeldes, das für den Kläger St 50 % und für die beiden anderen Kläger 65 % beträgt, machen im einzelnen geltend:

der Kläger St , der einen Stundenlohn

von 13,12 DM erhielt, für 30 Urlaubstage

des Jahres 1983 und für fünf

Urlaubstage (2/12) des Jahres 1984 5.510,40 DM,

der Kläger G , der einen Stundenlohn

von 18,81 DM erhielt, für 30 Tage

Erholungsurlaub und vier Tage zusätzlichen

Urlaub nach § 44 SchwbG

des Jahres 1983 sowie für 15 Urlaubstage

(5/12 von 36) des Jahres 1984 12.166,31 DM,

der Kläger S , der einen Stundenlohn

von 18,78 DM erhielt, für 17

Urlaubstage des Jahres 1983 und drei

Urlaubstage (1/12) des Jahres 1984 4.957,92 DM.

Die Kläger haben ihre Urlaubsansprüche mit Schreiben vom 21. Februar 1984 (Kläger St), 22. Februar 1984 (Kläger G) und 17. Februar 1984 (Kläger S) erfolglos gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Abgeltungsansprüche stünden ihnen aufgrund der tariflichen Bestimmungen zu. Sie haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

St 5.510,40 DM, an den Kläger G

12.166,31 DM und an den Kläger S

4.957,92 DM jeweils brutto nebst 4 % Zinsen

ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, den Klägern stünden die Abgeltungsansprüche wegen der langen Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit, die der Beendigung der Arbeitsverhältnisse vorausgingen, nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie als unbegründet abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet, soweit der Kläger St 1.259,52 DM fordert. Im übrigen ist sie begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Soweit der Kläger St für das Urlaubsjahr 1983 Urlaubsabgeltung für acht Urlaubstage fordert, ist seine Klage unbegründet. Insoweit ist der Anspruch für 1983 erloschen, weil dem Kläger auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Urlaub nicht mehr hätte erteilt werden können. Dies entspricht einem Betrag von 1.259,52 DM.

1. Nach § 10 Nr. 8 MTV erlischt der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde, oder daß Urlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte. Diese Bestimmung gilt auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch (vgl. BAG Urteil vom 7. November 1985 - 6 AZR 202/83 - AP Nr. 24 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu 3 der Gründe).

2. Geht man davon aus, daß der Kläger St die Urlaubsabgeltung für 1983 rechtzeitig zum 1. März 1984 gefordert hatte (vgl. dazu unten II 3 d), so lag darin eine erfolglose Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs nur insoweit, als der Urlaub des Jahres 1983, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unterstellt, bis zum 31. März 1984 hätte erteilt werden können (vgl. Urteile vom 13. November 1986 - 8 AZR 212/84 -, zur Veröffentlichung bestimmt; vom 15. Januar 1987 - 8 AZR 174/85 -, nicht veröffentlicht; so schon: BAG Urteil vom 7. November 1985 - 6 AZR 62/84 - AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung und Urteil des Fünften Senats, BAGE 22, 85 = AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG Urlaubsjahr). Dies war aber, da das Arbeitsverhältnis am 28. Februar 1984 geendet hatte, nur noch in Höhe der 22 in den Monat März 1984 fallenden Arbeitstage möglich. In Höhe der weiteren acht Tage, deren Abgeltung der Kläger St für 1983 gefordert hat, ist der Anspruch somit erloschen.

3. An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn, was bisher nicht feststeht, der Kläger St über den 31. März 1984 hinaus arbeitsunfähig erkrankt war. Zwar verhindert § 10 Nr. 8 MTV bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis im Fall der Krankheit das Erlöschen des Urlaubsanspruchs auch dann, wenn dieser nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde (vgl. BAG Urteil vom 7. November 1985 - 6 AZR 62/84 -, aaO). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt dies jedoch nicht. Der Abgeltungsanspruch erlischt nach § 10 Nr. 8 MTV mit Ablauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden 31. März (vgl. BAG Urteil vom 7. November 1985 - 6 AZR 202/83 -, aaO).

II. Ob die Klagen im übrigen begründet sind, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht beurteilt werden.

1. Den Urlaubsansprüchen steht nicht entgegen, daß die Kläger während eines Teils des Jahres 1983 und im Jahr 1984 keine Arbeitsleistungen erbracht haben.

a) Der Senat hat sich bereits im Urteil vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 - (AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 2 der Gründe) der Rechtsprechung des Sechsten Senats angeschlossen, nach der der gesetzliche Urlaubsanspruch nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 4 BUrlG, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraussetzt. Die Ansprüche sind somit nicht ausgeschlossen, weil die Kläger wegen Krankheit während der genannten Zeiträume nicht gearbeitet haben. Da die Kläger für das Jahr 1984 nur Abgeltung in Höhe des anteiligen, nicht aber des vollen Jahresurlaubs verlangen, ergibt sich für dieses Urlaubsjahr auch aus § 10 Nr. 4 Abs. 2 MTV nichts Gegenteiliges.

b) Auch § 10 Nr. 3 Abs. 1 MTV steht den Urlaubsansprüchen der Kläger nicht entgegen.

Die Revisionserwiderung meint, dieser Bestimmung sei zu entnehmen, daß jedenfalls für den Teil des Tarifurlaubs, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt, vorausgesetzt werde, daß der Arbeitnehmer im Austrittsjahr tatsächlich gearbeitet habe. Zu Unrecht verweist die Beklagte dafür auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. März 1984 - 6 AZR 442/83 - (BAGE 45, 199 ff. = AP Nr. 15 zu § 13 BUrlG). Dort hat der Sechste Senat ausgesprochen, § 10 Nr. 3 Abs. 1 MTV sei jedenfalls insoweit nichtig, als er den dem Arbeitnehmer zustehenden gesetzlichen Urlaubsanspruch ausschließe oder mindere (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Aus der Einschränkung "jedenfalls" folgt, daß das Bundesarbeitsgericht bisher zu der Frage, ob § 10 Nr. 3 Abs. 1 MTV tatsächliche Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers voraussetzt, noch nicht abschließend entschieden hat. Nach Auffassung des Senats ist diese Frage zu verneinen.

Zwar macht § 10 Nr. 3 Satz 1 MTV die Höhe des Teilurlaubs davon abhängig, wie viele Monate der Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber "gearbeitet hat". Der Klammerzusatz "Beschäftigungsmonate" und die Verwendung des Begriffs "Beschäftigung" in den nächsten beiden Sätzen stützen jedoch nicht die Auslegung, in Satz 1 seien tatsächliche Arbeitsleistungen gefordert. Stattdessen gibt aber die Bestimmung des § 10 Nr. 4 Abs. 2 MTV Aufschluß. Sie schreibt vor, daß der Arbeitnehmer bis zum 31. Januar "tatsächlich gearbeitet" haben muß. Aus dieser in ihrem Wortlaut eindeutigen Regelung ist zu schließen, daß den Tarifvertragsparteien das Regelungsproblem bewußt war und sie in § 10 Nr. 3 MTV nur die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses meinten, während sie in § 10 Nr. 4 Abs. 2 MTV auf tatsächliche Arbeitsleistungen abstellten. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß abweichend vom Gesetz für den über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Tarifurlaub außer im Falle des § 10 Nr. 4 Abs. 2 MTV tatsächliche Arbeitsleistungen gefordert werden, bestehen somit nicht.

c) Gleiches gilt, soweit es sich bei dem Urlaub des Arbeitnehmers G um Schwerbehindertenurlaub nach § 44 SchwbG handelt. Auch dieser setzt keine Arbeitsleistung voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteil vom 18. Oktober 1957 - 1 AZR 437/56 - AP Nr. 2 zu § 33 SchwBeschG und Urteil vom 26. Juni 1986 - 8 AZR 75/83 - AP Nr. 5 zu § 44 SchwbG, zu I 2 a der Gründe) folgt der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte hinsichtlich seines Entstehens dem Anspruch auf Erholungsurlaub.

2. Mit dem Ausscheiden der Kläger aus den Arbeitsverhältnissen sind auch die Ansprüche auf Abgeltung des Urlaubs entstanden.

Dies folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG, auf den § 9 Nr. 3 Unterabs. 1 MTV Bezug nimmt. Danach tritt mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis an die Stelle des Anspruchs auf Urlaubsgewährung der Abgeltungsanspruch. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt die Entstehung dieses Anspruchs nicht voraus, daß der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsfähig ist. Dies entspricht seit dem Urteil vom 28. Juni 1984 - 6 AZR 521/81 - (BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung) der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 10. Februar 1987 - 8 AZR 529/84 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

3. Ob die Klagen, soweit sie nicht den gegenüber dem Kläger St abzuweisenden Teil betreffen, der Höhe nach begründet sind, kann aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilt werden.

a) Dies hängt davon ab, ob die Urlaubsabgeltungsansprüche bis zum Ablauf der Befristungen nach § 7 Abs. 3 BUrlG, § 10 Nr. 8 MTV erfüllbar waren. Daran fehlt es, wenn die Kläger auch nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse bis zu diesen Zeitpunkten arbeitsunfähig erkrankt waren (vgl. Urteil des Senats vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 -, aaO).

Bei den Klägern St und S, deren Arbeitsverhältnisse zum 1. März 1984 und zum 7. Februar 1984, also vor dem 31. März 1984, endeten, kommt es somit darauf an, ob sie, was den Urlaub für 1983 betrifft, bis 31. März 1984, und was den Urlaub für 1984 betrifft, bis 31. März 1985 solange arbeitsfähig waren, daß sie den Urlaub, den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse unterstellt, ganz oder teilweise hätten nehmen können. Bei dem Kläger G kommt es nur darauf an, ob er den Urlaub für beide Jahre bis 31. März 1985 hätte nehmen können. Da sein Arbeitsverhältnis erst zum 31. Mai 1984 endete, war sein Urlaub für 1983 nach § 10 Nr. 8 MTV in das Urlaubsjahr 1984 übertragen worden. Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf seinen gegenteiligen Rechtsstandpunkt zu diesen Fragen keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen.

b) Diese Feststellungen erübrigen sich nicht dadurch, daß die Kläger nach dem Ausscheiden aus den Arbeitsverhältnissen Erwerbsunfähigkeitsrenten erhielten. Die Erwerbsunfähigkeit schließt nicht aus, daß der Arbeitnehmer, hätte das Arbeitsverhältnis fortbestanden, in der Lage gewesen wäre, eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Dies hat der Senat seit seinem Urteil vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 - (aaO) in ständiger Rechtsprechung angenommen (vgl. zuletzt Urteil vom 26. März 1987 - 8 AZR 605/84 -, nicht veröffentlicht).

Erwerbsunfähig ist, wer infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von der Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (vgl. § 1247 Abs. 2 RVO). Die Erwerbsunfähigkeit setzt somit nicht voraus, daß der Arbeitnehmer eine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit findet keine Beschränkung auf den bisherigen Beruf oder, wie dies bei der Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs. 2 RVO die Regel ist, auf die Berufsgruppe statt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand März 1987, Bd. II, S. 392 und Bd. III, S. 682 g). Es ist somit nicht ausgeschlossen, daß ein Arbeitnehmer erwerbsunfähig, aber zugleich dennoch arbeitsfähig ist (arg. § 183 Abs. 4 RVO, vgl. Brackmann, aaO, Bd. II; ebenso LAG Niedersachsen vom 30. August 1985 - 3 Sa 28/85 -, S. 7 bis 10).

c) Entgegen der Auffassung der Revision steht dieser Rechtsprechung Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahr 1970, BGBl. II 1975, 746) nicht entgegen.

Die inzwischen ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG in seiner Erfüllbarkeit von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abhängt und dieser Anspruch ebenso wie der Urlaubsanspruch nur befristet bis zum Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums besteht, widerspricht nicht Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132. Hierzu hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits ausführlich Stellung genommen (Urteil vom 7. März 1985, BAGE 48, 186 = AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Er hat dargelegt, daß unabhängig davon, ob von einer unmittelbaren innerstaatlichen Geltung dieses Abkommens ausgegangen werden muß, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 Abs. 4 BUrlG mit Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 übereinstimmt: Sowohl Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 als auch § 7 Abs. 4 BUrlG sind in ihrem Regelungsumfang darauf beschränkt, die Voraussetzungen für das Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen. Regelungen darüber, wie Leistungsstörungen oder andere Leistungshindernisse zu behandeln sind, sind in beiden Vorschriften nicht enthalten, also auch keine Bestimmung über die Erfüllbarkeit dieses Anspruchs. Als Teil des allgemeinen Arbeitsvertragsrechts unterliegt auch der Urlaubsanspruch den Regelungen des Leistungsstörungsrechts. Nach diesen sind somit die Erfüllbarkeit des Urlaubs- und des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu beurteilen. Dieser Auffassung folgt auch der erkennende Senat (vgl. bereits das Senatsurteil vom 10. Februar 1987 - 8 AZR 529/84 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

d) Es wird somit darauf ankommen, ob es im Betrieb der Beklagten Arbeitsplätze gab, die die Kläger trotz ihrer Erwerbsunfähigkeit hätten ausfüllen können, und ob die Beklagte nach den Arbeitsverträgen verpflichtet gewesen wäre, den Klägern solche Arbeitsplätze anzubieten (vgl. Urteil des Senats vom 14. Mai 1986, aaO).

Das Landesarbeitsgericht wird weiter prüfen müssen, ob der Kläger St den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für 1983, soweit dieser nicht bereits erloschen ist (vgl. I), rechtzeitig geltend gemacht hat. Mit dem Schreiben vom 21. Februar 1984, das sich nicht bei den Akten befindet, hat der Kläger nach seiner Behauptung in der Klageschrift seinen "Urlaubsanspruch" geltend gemacht. Dieses Schreiben enthielt nur dann eine ordnungsgemäße Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs, wenn seine Auslegung durch das Berufungsgericht nach §§ 133, 157 BGB ergibt, daß für die Zeit nach der bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abgeltung des Urlaubs für 1983 verlangt wird. Die insoweit im Berufungsurteil enthaltene Feststellung ist undeutlich. Die nach dem 31. März 1984 erhobene Klage wäre als Geltendmachung der Urlaubsabgeltung für 1983 nicht mehr rechtzeitig gewesen.

Sollte das Berufungsgericht aufgrund der ergänzenden Feststellungen zu dem Ergebnis kommen, daß die Kläger den Urlaub vor den genannten Verfallzeitpunkten ganz oder teilweise hätten nehmen können, würde dies am Untergang der Urlaubsansprüche durch Zeitablauf nichts ändern. Allerdings stünden den Klägern in diesem Fall die Klageansprüche als Schadenersatzansprüche zu. Durch die Geltendmachung der Urlaubsabgeltungsansprüche in den Schreiben vom 21. Februar 1984 (Kläger St), 22. Februar 1984 (Kläger G) und 17. Februar 1984 (Kläger S) oder, soweit es darauf ankommt, durch rechtzeitige Erhebung der Klagen, hätten die Kläger die Beklagte in Verzug gesetzt (§ 284 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für den durch den Untergang der Ansprüche am 31. März 1984 bzw. 31. März 1985 entstandenen Schaden müßte die Beklagte den Klägern einstehen (§ 286 Abs. 1, § 287 Satz 2 BGB). Nach § 249 Satz 1 BGB würde die Beklagte den Klägern somit die den Urlaubsabgeltungen entsprechenden Geldbeträge als Schadenersatz schulden.

Michels-Holl Dr. Peifer Schneider

Dr. Weiss R. Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441622

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