Betriebsrat hat Anspruch auf Einsicht in Lohnlisten mit Namen

Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat lediglich die Gehaltslisten in anonymisierter Form vorlegt. Denn der muss überprüfen können, ob im Betrieb die Gleichbehandlung der Geschlechter korrekt angewendet wird. Das umfassende Einsichtsrecht verstößt auch nicht gegen  die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO).

In dem vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschiedenen Fall gewährte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat nur Einsicht in anonymisierte Bruttolohn- und Gehaltslisten der Arbeitnehmer.

Betriebsrat  wollte Listen mit Namen der einzelnen Mitarbeiter einsehen

Der Betriebsrat vertrat jedoch die Auffassung, die Listen nebst Namen der einzelnen Mitarbeiter einsehen zu können: Nur so könne er ausreichend in die Lage versetzt werden, mögliche Diskriminierungen, etwa nach dem Entgelttransparenzgesetz (insbesondere § 13 EntgTranspG), zu erkennen. Die Arbeitgeberin hielt dem entgegen, dass sie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ihrer Arbeitnehmer zu schützen habe und berief sich zudem auf datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Erst wenn der Betriebsrat bei den anonymisierten Listen Unregelmäßigkeiten erkennen würde, könne er in Bezug auf diese Daten in einem zweiten Schritt die Nennung der dahinterstehenden Namen verlangen, so die Arbeitgeberin weiter.

Betriebsrat hat Überwachungsfunktion – Überprüfung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit

Nach der Ansicht des Landesarbeitsgerichts seien dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG auf sein Verlangen hin jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat benötige dabei die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber zu bilden, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiere oder nur durch eine andere Lohngestaltung erreicht werden könne. Dabei sei es auch erforderlich, stichprobenartig zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die einzelnen Entgeltbestandteile - wie etwa Nachtzuschläge - vorliegen. Durch die namentliche Zuordnung werde der Betriebsrat in die Lage versetzt, bei den einzelnen Mitarbeitern nachzufragen oder dies anhand der Dienstpläne nachzuvollziehen.

Einsicht in die Originalunterlagen des Arbeitgebers, um „Waffengleichheit“ zu gewährleisten

In Betrieben, in welchen kein Betriebsausschuss nach § 28 BetrVG gebildet ist, kann das Einsichtsrecht in die Gehaltslisten durch den Betriebsratsvorsitzenden, dessen Stellvertreter oder ein anderes beauftragtes Betriebsratsmitglied wahrgenommen werden. Der Betriebsrat darf dabei auf die Originalunterlagen des Arbeitgebers - etwa in Form einer elektronischen Datei - zugreifen, um  insoweit „Waffengleichheit“ zu gewährleisten.

Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen. Andererseits dürfe er aber die Listen nicht filtern oder reduzieren. Das von der Arbeitgeberin favorisierte „Zwei-Stufen-Modell“ hingegen, würde die Überwachungstätigkeit des Betriebsrats unzumutbar erschweren.

Kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen

Dem Anspruch auf Einsicht in die Gehaltslisten nebst Mitarbeiternamen stehen auch keine datenschutzrechtlichen Belange entgegen. Hierbei handele es sich um eine nach § 26 Abs. 1 BDSG rechtlich zulässige Form der Datennutzung.

  • Im Hinblick auf die EU-DSGVO sei der Betriebsrat, solange er sich im Rahmen der Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben bewege, kein „Dritter“.
  • Eine Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung sei gegeben, da die Einsichtnahme in die Listen der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung der Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat diene (Art. 6 Abs. 1 c) EU-DSGVO).
  • Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und beim Bundesarbeitsgericht (BAG) unter dem Aktenzeichen 1 ABR 44/18 anhängig.

(LAG Niedersachsen, Urteil v. 22.10.2018, 12 TaBV 23/18).

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