Zugang beim Empfänger

Die Abmahnung ist zwar keine Willenserklärung, gilt aber als geschäftsähnliche Handlung, weshalb für ihren Zugang die Regelungen über den Zugang von Willenserklärungen[1] entsprechend gelten. Hieraus folgt zuerst, dass die Abmahnung erst dann Wirkung entfalten kann, wenn sie dem Abmahnungsempfänger tatsächlich zugeht.[2]

Bei einer mündlichen Abmahnung[3] (auf die man wegen der schwierigen Beweisführung tunlichst verzichten sollte), wird verlangt, dass der Empfänger die mündliche Erklärung auch verstehen kann, weshalb der Zugang, z. B. bei Taubheit, Sprachunkenntnis oder Bewusstlosigkeit, ausgeschlossen ist.

Eine schriftliche Abmahnung unter Anwesenden ist mit der Übergabe des Schriftstücks zugegangen. Erklärungen in Textform (z. B. E-Mail, Messenger-Dienste) gehen mit Eingang beim Anwesenden zu, wenn dieser aktuell über das Programm erreichbar ist.

Unter Abwesenden sind sie dann zugegangen[4], wenn sie in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines anderen, der ihn in der Empfangnahme von Briefen oder Erklärungen vertreten konnte, gelangt und ihm dadurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft ist.[5]

Im Übrigen gilt für den Zugang: Derjenige, der sich auf die Abmahnung beruft, muss ihren Zugang bei Bestreiten beweisen (in den meisten Fällen der Arbeitgeber). Allein der Beweis der Aufgabe zur Post begründet jedoch noch keine Vermutung, dass ein einfacher Brief auch tatsächlich zugegangen ist.[6] Wird dagegen die Abmahnung per Einschreiben mit Rückschein versandt und ist beim Empfänger niemand anzutreffen, geht das Schreiben nicht zu, da in den Briefkasten und damit in die Verfügungsgewalt nicht das Einschreiben selbst, sondern nur ein Benachrichtigungszettel gelangt.

Es kommen auch in der Praxis Fälle vor, in denen zwar nicht der Zugang eines Briefkuverts, wohl aber dessen Inhalt bestritten wird. Aus diesem Grund ist die Zusendung der Abmahnung per Einwurfeinschreiben ebenfalls ungeeignet. Dann muss nämlich der Beweis erbracht werden, dass das Abmahnungsschreiben in das Kuvert gesteckt wurde (Sekretär oder Bote vor Einwurf in den Briefkasten) und es zuging (z. B. durch Boten).

Den Empfang durch persönliche Übergabe sollte man sich am besten unter Angabe des Datums schriftlich durch den Empfänger oder einen hinzugezogenen Zeugen bestätigen lassen.

Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber oder Geschäftsführer selbst für die Übergabe der Abmahnung ungeeignet ist, denn er kann später im Prozess nicht als Zeuge auftreten. Da er die Firma selbst kraft Gesetz vertritt[7], ist er Partei. Wer aber Partei ist, kann nicht gleichzeitig Zeuge sein. Die Vernehmung einer Partei, die den Beweis zu führen hat (hier also Arbeitgeber), ist grundsätzlich nur mit Zustimmung des Gegners möglich.[8] Von der Möglichkeit, eine Partei von Amts wegen zu vernehmen[9], kann das Gericht nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen, wenn es vom Sachverhalt im Sinne dieses Parteivortrags schon "fast überzeugt ist".

Kenntnisnahme des Empfängers

Bei der Abmahnung gilt zusätzlich eine Besonderheit, dass der reine Zugang nicht ausreicht. Das BAG fordert als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Abmahnung, dass über ihren Zugang hinaus auch die Kenntnis des Empfängers von ihrem Inhalt vorliegt.[10]

Das heißt für die betriebliche Praxis: Grundsätzlich muss nicht nur der Zugang einer Abmahnung, sondern auch die Kenntniserlangung von ihrem Inhalt bewiesen werden.

Bei ausländischen Arbeitnehmern ist daher eine Übersetzung in die Landessprache angebracht. Erfolgt das Vorlesen durch einen anderen sprachkundigen Arbeitnehmer in der entsprechenden Landessprache, kann dieser ggf. als Zeuge die Übermittlung bestätigen. Zudem kann man zumindest bei engem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und der Übergabe des Abmahnungsschreibens von einem ausländischen Arbeitnehmer verlangen, dass er deutlich macht, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht versteht. Macht der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig deutlich, dass er den Inhalt der Abmahnung nicht zur Kenntnis nehmen kann, weil er z. B. die Sprache nicht versteht, ist es treuwidrig, sich nach Ausspruch der Kündigung auf fehlende Kenntnis der Abmahnung zu berufen, diese gilt dann als erteilt.[11]

[3] Hierzu zählt auch die telefonische Übermittlung.
[6] LAG Düsseldorf, Urteil v. 11.4.1971, 3 Sa 397/71.
[7] Z. B. § 35 Abs. 1 GmbHG bei der GmbH.

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