1 Einleitung

Das Arbeitsverhältnis wird im Gegensatz zu den vergleichbaren Werk- oder Dienstverträgen dadurch gekennzeichnet, dass der Gläubiger der Arbeitsleistung (der Arbeitgeber) die Art und Weise der Arbeitsleistung einseitig bestimmen kann. Die Befolgung einer Weisung hat wiederum zur Folge, dass die entsprechende Tätigkeit als "Arbeit" im Sinne des § 2 ArbZG gilt.[1] Der Schuldner der Arbeitsleistung (der Arbeitnehmer) muss die Anweisungen des Arbeitgebers grundsätzlich befolgen. Die rechtliche Grundlage für dieses Weisungs- oder Direktionsrecht findet sich in § 106 GewO.[2] Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) näher bestimmen. Daneben umfasst das Weisungsrecht aber auch die Möglichkeit, das arbeitsbegleitende Verhalten der Beschäftigten zu reglementieren (z. B. Alkoholverbote). Das Weisungsrecht kann durch Arbeitsvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarung, einen anwendbaren Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften eingeschränkt werden. Insbesondere darf der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nicht in Widerspruch zu gesetzlichen Bestimmungen ausüben.[3] Bei der Entscheidung müssen die Interessen der Arbeitsvertragsparteien gegeneinander abgewogen werden. Der Arbeitgeber hat auch die speziellen Belange des Beschäftigten, etwa wegen einer Erkrankung, zu beachten.[4]

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen 2 inhaltlichen Arten von Weisungen. Zum einen gibt es das arbeitsvertragliche Weisungsrecht gem. § 106 GewO, das einem Arbeitgeber gegenüber eigenen Beschäftigten zusteht (siehe Punkt 3). Zum anderen existiert das fachliche (werk-, sach-, projektbezogene) Weisungsrecht nach § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB, das auch ein Auftraggeber gegenüber einem Auftragnehmer, insbesondere seiner Erfüllungsgehilfen, besitzt. Bei fachlichen Weisungen handelt es sich um solche, die Art, Reihenfolge und einzelne Inhalte einer bereits im Dienst-/Werkvertrag vereinbarten Leistung regeln, z. B. Qualitätsvorgaben, Größenangaben, Stückzahl, Fertigungsmethoden. Letztere spielt eine Rolle bei der Abgrenzung zwischen echten Werk- oder Dienstverträgen und Scheinselbstständigkeit. Der Auftraggeber kann Fremdfirmenmitarbeitern gegenüber keine arbeitsvertraglichen Weisungen erteilen, darf jedoch fachliche Anweisungen geben.[5]

Die Abgrenzung in der Praxis ist jedoch schwierig, sodass bei zu häufiger Weisungsaktivität der Eindruck entsteht, dass die Fremdfirmenmitarbeiter in Wirklichkeit durch arbeitsvertragliche Anweisungen geführt werden. Denn selbst wenn dem Sinn nach eine fachliche Anweisung gegenüber Fremdfirmenmitarbeitern vorliegt, kann diese auch zugleich implizit arbeitsvertragliche Weisungen beinhalten. Man spricht dann von der Problematik doppelfunktionaler Weisungen.[6]

Das Gegenstück zum Weisungsrecht des Arbeitgebers ist die Gehorsamspflicht der Beschäftigten. Die Nichtbeachtung einer arbeitgeberseitigen Weisung stellt eine Vertragsverletzung dar. Die Weisungsgebundenheit ist das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses. Beschäftigter ist daher ein Mitarbeiter, der im Wesentlichen seine Tätigkeit nicht frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB bzw. § 611a BGB).[7] Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wahren Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben.[8]

Über das Weisungsrecht kann der Arbeitgeber jedoch nicht unmittelbar in die Privatsphäre des Beschäftigten außerhalb der Arbeitszeit Einfluss nehmen. Ob der Angestellte während seiner Freizeit auf seine berufliche Stellung Rücksicht zu nehmen hat, ist Gegenstand der Treuepflicht, deren Inhalt nicht durch einseitige Weisungen des Arbeitgebers konkretisiert werden kann. Dem Arbeitgeber steht somit z. B. während einer vom Beschäftigten auf eigene Veranlassung ausgeübten Freizeit im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung grundsätzlich kein Weisungsrecht über die Arbeitsleistung des Beschäftigten zu.[9]

Neben dem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht besitzen Arbeitgeber auch weitergehende Kompetenzen zur Gestaltung des Arbeitsverhältnisses in personellen und sozialen Angelegenheiten. Soziale Angelegenheiten sind dabei insbesondere solche, die der Mitbestimmung nach dem BetrVG oder den Personalvertretungsgesetzen bedürfen. Ob und in welchem Umfang das Weisungsrecht auch solche Fragen umfasst, muss im Einzelfall ermittelt werden.[10]

Das Weisungsrecht i. S. d. § 106 GewO setzt ein Abhängigkeitsverhältnis voraus, wie es zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten besteht. Andere Formen der Weisungsgebundenheit fallen nicht hierunter. Insbesondere kann der entsprechende Schutz des Beschäftigten ...

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