• Erörterung mit Personalvertretung und Schwerbehindertenvertretung

    Die beabsichtigte Entscheidung ist unter Darlegung der Gründe mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Personalrat/Betriebsrat zu erörtern, wenn diese mit der beabsichtigten Entscheidung nicht einverstanden sind (§ 164 Abs. 1 Satz 7 SGB IX). Diese Verpflichtung besteht auch in dem Fall, dass bei dem Arbeitgeber überhaupt keine Schwerbehindertenvertretung besteht.[2]

  • Anhörung der betroffenen schwerbehinderten Menschen im Rahmen der vorgenannten Erörterung (§ 164 Abs. 1 Satz 8 SGB IX)

    Ein Verstoß hiergegen begründet eine Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung.

  • Unverzügliche Unterrichtung aller Beteiligten – also auch des schwerbehinderten Bewerbers – über die vom Arbeitgeber getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe (§ 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX)

    Ihnen sind die "Gründe" darzulegen, also die Tatsachen mitzuteilen, die den Arbeitgeber zu seiner Auswahlentscheidung bestimmt haben. Es ist zu verdeutlichen, weshalb die Bewerbung aus Sicht des Arbeitgebers keinen Erfolg hatte. Dem schwerbehinderten Bewerber soll so ermöglicht werden, die Entscheidungsgründe des Arbeitgebers gerichtlich nachprüfen zu lassen.[3] Ein Verstoß gegen diese Unterrichtungspflicht begründet die Vermutung der Benachteiligung eines Bewerbers wegen der Behinderung. Darüber hinausgehend hat das Hessische LAG eine Widerlegung der Vermutung praktisch ausgeschlossen. Nach seiner Auffassung könne nämlich ein Arbeitgeber die Vermutung einer Benachteiligung nicht mit Gründen widerlegen, die er dem betroffenen Bewerber im Rahmen seiner Unterrichtung nicht mitgeteilt habe. Ein Nachschieben nicht mitgeteilter Gründe komme grundsätzlich nicht in Betracht. Anderes gelte ausnahmsweise, wenn der Arbeitgeber sie vorher nicht habe geltend machen können, weil sie ihm beispielsweise nicht bekannt gewesen seien.[4] Dieser Annahme einer Präklusion ist das BAG nicht gefolgt.[5] Dem Arbeitgeber bleibt es unbenommen, sich auf alle geeigneten objektiven Tatsachen zu berufen, um eine Benachteiligungsvermutung zu widerlegen.

    Eine Begründung könnte z. B. darin bestehen, dass dem behinderten Bewerber eine bestimmte körperliche Funktion fehlt, die eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die vorgesehene Tätigkeit darstellt. Allerdings ist das generelle Interesse des Arbeitgebers, die Anzahl von krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten möglichst gering zu halten, noch keine berufliche Anforderung.[6]

 
Praxis-Tipp

Es empfiehlt sich dringend, jede Ablehnung einer Bewerbung schwerbehinderter Menschen näher zu begründen.

Dies gilt nicht für Arbeitgeber, die ihre Beschäftigungspflicht erfüllt haben. Sie unterliegen formal nach dem Wortlaut des § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX dieser Verpflichtung nicht.[7]

Für die Unterrichtung ist zwar keine Form vorgeschrieben. Aus Gründen der Transparenz und Beweisbarkeit empfiehlt sich jedoch dringend eine schriftliche Begründung.

[1] BAG, Urteil v. 15.2.2005, 9 AZR 635/03.
[2] LAG Hessen, Urteil v. 7.11.2005, 7 Sa 473/05. Das LAG Hessen hat einen Entschädigungsanspruch in Höhe eines Monatsgehalts, hier 2.200 EUR, zugesprochen.
[6] BAG, Urteil v. 3.4.2007, 9 AZR 823/06 betr. die Bewerbung einer an Neurodermitis leidenden Frau mit einem Behinderungsgrad von 40 für eine Tätigkeit in der Parkraumüberwachung.
[7] BAG, Urteil v. 21.2.2013, 8 AZR 180/12; Urteil v. 15.2.2005, 9 AZR 635/03; LAG Niedersachsen Urteil v. 10.3.2009, 13 Sa 1257/08; mit Zweifeln: BAG, Urteil v. 18.11.2008, 9 AZR 643/07.

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