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BGH Urteil vom 01.12.2003 - II ZR 202/01

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerrechtliche Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag: Erstattungsanspruch des Organträgers wegen Steuernachzahlung für Organgesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer (steuerrechtlichen) Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 AktG) bestimmen sich Umfang und Grenzen eines etwaigen Steuererstattungsanspruchs des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft nach den für den Ergebnisabführungsvertrag geltenden Grundsätzen (Ergänzung zu BGH v. 22.10.1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50 = AG 1993, 138 = GmbHR 1993, 92 = MDR 1993, 394).

2. Mit der Abführung des Jahresüberschusses einer Organgesellschaft an den Organträger sind im Verhältnis zu ihm auch Steuerzahlungen ausgeglichen, welche er später für die Organgesellschaft nachentrichten muss.

 

Normenkette

AO § 44 Abs. 1 S. 1, § 219; AktG §§ 291, 301; BGB § 426

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 28.03.2001; Aktenzeichen 23 U 170/99)

LG Berlin (Urteil vom 12.11.1998; Aktenzeichen 90 O 130/98)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des KG Berlin v. 28.3.2001 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 90 des LG Berlin v. 12.11.1998 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die seit 1990 mit der Klägerin verschmolzene B. E. AG (künftig: BE-AG) hielt ursprünglich sämtliche Aktien an ihrer Tochtergesellschaft, der B. K. AG (künftig: BK-AG). Diese hatte sich gegenüber der Beklagten durch einen "Geschäftsbesorgungsvertrag" v. 3.4.1978 verpflichtet, ihre Erzeugnisse nach den Weisungen der Beklagten im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Beklagten zu fertigen und zu vertreiben. Als Entgelt dafür hatte die Beklagte der BK-AG u. a. die kalkulatorischen Abschreibungen auf ihr Anlagevermögen sowie "alle übrigen Aufwendungen wie Instandhaltung, Steuern (Grundsteuer, Vermögenssteuer, Vermögensabgabe, Kfz-Steuer, Gewerbekapitalsteuer) und Versicherungen" zu erstatten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Anlagevermögens der BK-AG für Rechnung der Beklagten entstanden. Ab 1.1.1981 übernahm die BE-AG auf Grund entsprechenden Vertrages mit der BK-AG deren jährliche Handelsbilanzergebnisse (Gewinn oder Verlust) zum jeweiligen Abschluss-Stichtag und hatte in ihrer Eigenschaft als Organträgerin auch die auf die BK-AG entfallenden Gewerbe- und Umsatzsteuern zu zahlen, die sie dann regelmäßig auf die BK-AG umlegte. Durch Vertrag v. 23.12.1988 veräußerte die BE-AG ihre Anteile an der BK-AG unter Aufhebung des mit ihr geschlossenen Ergebnisabführungsvertrages an die Beklagte, welche die BK-AG im Mai 1990 mit sich verschmolz. Auf Grund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung vom Juni 1993 musste die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der BE-AG für den Veranlagungszeitraum 1985 bis 1988 auf die frühere BK-AG entfallende Umsatzsteuern i. H. v. 1.215.764 DM sowie Gewerbesteuern von 256.420 DM nachentrichten.

Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Erstattung dieser Beträge. Das LG hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr entsprochen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, dass sich aus der zwischen der BE-AG und der BK-AG geübten Steuerumlagepraxis eine von dem Ergebnisabführungsvertrag zwischen beiden unabhängige vertragliche Verpflichtung der BK-AG gegenüber der BE-AG zur Erstattung der auf die BK-AG entfallenden und von der BE-AG als Organträgerin zu zahlenden Steuern nicht hinreichend entnehmen lässt. Ein Erstattungsanspruch der BE-AG bzw. der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin aus § 670 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die BE-AG als Organträgerin auf Grund der organschaftlichen Eingliederung der BK-AG in ihr Unternehmen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG; § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG i. V. m. § 14 Nr. 1-3 KStG) selbst Steuerschuldnerin war und die BK-AG für deren Steuerschuld gem. §§ 73, 219 AO lediglich subsidiär haftete. Die BE-AG leistete daher die Steuerzahlungen nicht "im Auftrag" der BK-AG, sondern auf Grund eigener Verpflichtung. Da jedoch die BK-AG auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages mit ihrer Muttergesellschaft ohnehin ihren gesamten Jahresüberschuss an ihre Muttergesellschaft abzuführen hatte, spielte es im wirtschaftlichen Ergebnis keine Rolle, ob sie eine Steuerumlage oder statt ihrer einen entsprechend höheren Gewinn abführte. Auch aus Sicht des Organträgers (Klägerin) stellt sich die Steuerumlage in solchem Fall wirtschaftlich - mit entsprechender Auswirkung auf die Bilanzierung gem. § 277 Abs. 3 S. 2 HGB - als "Vorweg-Gewinnabführung" dar (vgl. Förschle in Beck'scher Bilanzkommentar, 5. Aufl., § 275 Rz. 258m.N.; im Ergebnis ebenso Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 275 Rz. 192 f.). Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Steuerumlagepraxis der Rechtsvorgängerinnen der Prozessparteien auf Grund sowie im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages und nicht auf Grund einer zusätzlich übernommenen vertraglichen Verpflichtung der BK-AG zur Steuererstattung erfolgt ist.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin aber auch kein gesetzlicher Erstattungsanspruch entsprechend § 426 Abs. 2 BGB zum Ausgleich der nachentrichteten Steuern zu.

a) Zwar schließt nach der Rechtsprechung des BGH die gem. § 219 AO nur subsidiäre Haftung der Organgesellschaft (hier: BK-AG) für die Steuerschulden des Organträgers gem. § 73 AO ein zwischen beiden bestehendes Gesamtschuldverhältnis gegenüber dem Steuerfiskus (vgl. § 44 Abs. 1 S. 2 AO) mit der Folge eines Innenausgleichs entsprechend § 426 BGB für die auf das Unternehmen der Organgesellschaft entfallende Steuerschuld des Organträgers nicht aus (BGH v. 22.10.1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50 = AG 1993, 138 = GmbHR 1993, 92 = MDR 1993, 394; v. 1.3.1999 - II ZR 312/97, BGHZ 141, 79 [85] = AG 1999, 372 = GmbHR 1999, 660 = MDR 1999, 823). Ein Ausgleichsanspruch des Organträgers gem. § 426 BGB kommt jedoch nur in Betracht, "soweit nicht ein anderes bestimmt ist" (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Ob deshalb bei Bestehen eines Unternehmensvertrages eine entsprechende Anwendung des § 426 BGB schlechthin ausscheidet, wie in BGHZ 120, 50, 55 (BGH v. 22.10.1992 - IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50 [55] = AG 1993, 138 = GmbHR 1993, 92 = MDR 1993, 394) offenbar angenommen, kann dahinstehen. Denn unabhängig davon richten sich Umfang und Grenzen eines Ausgleichsanspruchs gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB nach dem Innenverhältnis der Gesamtschuldner (vgl. BGH v. 15.1.1988 - V ZR 183/86, BGHZ 103, 72 [76] = MDR 1988, 569). Besteht - wie hier - ein Ergebnisabführungsvertrag, so kann der Organträger z. B. einen zu einem Fehlbetrag der Organgesellschaft führenden oder diesen vertiefenden Regressanspruch nicht geltend machen, weil er den entsprechenden Betrag gem. § 302 Abs. 1 AktG sogleich zurückgewähren müsste (§ 242 BGB). Deckt oder übersteigt dagegen - wie offenbar im vorliegenden Fall - der sonstige Ertrag der Organgesellschaft die auf sie entfallenden Steuern, so könnte der Organträger entweder - bei Fehlen einer Ausgleichspflicht gem. § 426 BGB - die Abführung des gesamten Gewinns vor Steuern fordern und daraus seine durch die Organgesellschaft verursachte Steuerbelastung decken oder anderenfalls die Steuerbelastung gesondert auf die Organgesellschaft umlegen und die Abführung des danach verbleibenden Gewinns verlangen. Insgesamt kann er auch hier im Ergebnis nicht mehr als den Gewinn vor Steuern beanspruchen.

Dementsprechend konnte auch die BE-AG von der BK-AG für den Zeitraum von 1985 bis 1988 unabhängig von etwaigen späteren Steuernachforderungen nicht mehr verlangen als die bereits bezahlte Steuer und den darüber hinaus abgeführten Gewinn, mit dem der von der Klägerin geltend gemachte Steuermehrbetrag bereits abgegolten ist. Der von dem Berufungsgericht herangezogenen Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch wegen zu viel abgeführten Gewinns bedarf es nicht.

b) Ein noch bestehender Steuererstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch nicht daraus, dass die Beklagte auf Grund des Geschäftsbesorgungsvertrages v. 3.4.1978 der BK-AG gegenüber zur Steuererstattung verpflichtet war. Diese Verpflichtung umfasste zwar - entgegen der Ansicht der Revision - gem. § 13 Nr. 3 des Vertrages auch die Umsatzsteuer, soweit die in dem Vertrag vereinbarten Leistungen umsatzsteuerpflichtig waren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war jedoch weder Partei dieses Vertrages noch wurde er gem. § 328 BGB zu ihren Gunsten abgeschlossen, zumal er aus der Zeit vor Abschluss des Ergebnisabführungsvertrages datiert. Soweit das Berufungsgericht die Klage gleichwohl für begründet hält, weil die von der Klägerin für den Zeitraum 1985 bis 1988 nachentrichteten Steuern bei rückschauender Betrachtung von der Beklagten (auf Grund des Geschäftsbesorgungsvertrages) an die BK-AG und von dieser ohne Schmälerung des tatsächlichen abgeführten Gewinns an die BE-AG zu erstatten gewesen wären, geht dies fehl. Zwar haftet die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der BK-AG für deren Schulden. Diese hatte aber gem. § 301 AktG höchstens den in ihren damaligen Gewinn- und Verlustrechnungen ausgewiesenen Gewinn abzuführen, der die streitige Steuernachforderung gegenüber der Beklagten nicht enthielt. Selbst wenn man materiell-rechtlich einen in den Jahren 1985 bis 1988 entstandenen Anspruch der BK-AG gegen die Beklagte auf Steuernachzahlung annähme, wäre dieser durch Konfusion infolge der Verschmelzung der BK-AG mit der Beklagten erloschen und könnte daher nicht mehr zur (mittelbaren) Begründung eines Steuernachzahlungsanspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der BK-AG herangezogen werden.

Wollte die Klägerin bzw. die BE-AG sich etwaige Ansprüche gegen die Beklagte wegen nachzuentrichtender Steuern sichern, so hätten sie dies in dem Vertrag über den Verkauf der BK-Anteile an die Beklagte regeln müssen. Dieser Vertrag enthält eine Schiedsklausel und ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1099275

BFH/NV Beilage 2004, 159

BB 2004, 175

DB 2004, 241

DStR 2004, 468

DStZ 2004, 135

WPg 2004, 129

NWB 2004, 740

BBK 2004, 344

BGHR 2004, 385

GmbH-StB 2004, 72

NJW-RR 2004, 474

EWiR 2004, 891

NZG 2004, 185

WM 2004, 228

WuB 2004, 757

ZIP 2004, 164

AG 2004, 205

GmbHR 2004, 258

BBV 2004, 7

BFH/NV-Beilage 2004, 159

Konzern 2004, 201

LMK 2004, 87

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