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BFH Urteil vom 31.08.1994 - II R 82/93 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerschuldner bei Grundstückserwerb zu gemeinschaftlichem Eigentum von Ehegatten

Leitsatz (NV)

1. Schuldner der Grunderwerbsteuer für einen Erwerbsvorgang, der auf den Erwerb gemeinschaftlichen Eigentums von Ehegatten gerichtet ist, ist der an dem Vertrag beteiligte Ehegatte. Sind beide Ehegatten als Erwerber aufgetreten, so ist jeder für sich Steuerschuldner für den Erwerb der Hälfte des Grundstücks, ohne daß Gesamtschuldnerschaft besteht.

2. Ein Grunderwerbsteuerbescheid, der ohne weitere Erläuterung in einem derartigen Fall an beide Ehegatten gerichtet ist und mit dem Grunderwerbsteuer für den gesamten Erwerb in einem Betrag festgesetzt wird, verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.

Normenkette

GrEStG (DDR) § 15 Nr. 1 (= 1983 § 13 Nr. 1); AO 1977 § 119 Abs. 1

Verfahrensgang

FG des Landes Brandenburg ()

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Jahre 1990 beide als Angestellte tätig waren. Durch notariell beurkundeten "Eigenheimkaufvertrag" vom 18. Juni 1990 erwarben sie als gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten das von ihnen bereits bewohnte Eigenheim. Veräußerer war der A. Das Entgelt betrug 51 230 Mark der ehemaligen DDR (Mark). Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 19. Juni 1990 erwarben sie das Grundstück, auf dem sich das Eigenheim befand. Veräußerer war die Stadt B. Der Kaufpreis betrug 515,50 Mark. Im Grundstückskaufvertrag wies der Notar darauf hin, daß der Vertrag als staatlich genehmigt gelte. Im Eigenheimkaufvertrag belehrte er die Vertragsparteien, daß der Vertrag der staat lichen Genehmigung bedürfe. Eine Einzelgenehmigung wurde für die Verträge nicht beantragt. Am 23. Oktober 1990 erteilte die Stadt B eine globale Genehmigung für die Grundstücke X-Straße, die auch die Verträge der Kläger umfaßte. Am 13. Mai 1991 wurden die Kläger als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Durch Bescheid vom 31. Januar 1992 setzte das beklagte Finanzamt (FA) Grunderwerbsteuer in Höhe von 1 793 DM fest. Als Bemessungsgrundlage zog es dabei unaufgeteilt das Entgelt aus dem Eigenheimkaufvertrag heran, das es wegen der inzwischen erfolgten Währungsumstellung mit 50 v. H. ansetzte. Der Steuerbescheid war gerichtet an: "

Herrn C

Frau C

X-Straße

in B".

Mit dem dagegen gerichteten Einspruch wurde geltend gemacht, daß der Erwerb nach § 15 Abs. 7 der Durchführungsbestimmugen zur Eigenheimverordnung (DBEigenheimVO) der ehemaligen DDR steuerfrei sei. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen und gleichzeitig unter Änderung des Bescheides vom 31. Januar 1992 die Grunderwerbsteuer auf 1 811 DM festgesetzt. In die Bemessungsgrundlage hatte das FA nunmehr auch das Entgelt aus dem Grundstückskaufvertrag miteinbezogen. Im übrigen wurde die Steuer wiederum einheitlich aus einer unaufgeteilten Bemessungsgrundlage berechnet und festgesetzt. Jedem der Kläger wurde eine Einspruchsentscheidung bekanntgegeben.

Mit der dagegen gerichteten Klage wurde weiterhin geltend gemacht, daß der Erwerb grunderwerbsteuerfrei sei.

Das Finanzgericht (FG) hat mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 736 veröffentlichten Urteil der Klage stattgegeben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 31. Januar 1992 und die Einspruchsentscheidung vom 20. August 1992 aufgehoben. Sowohl der Erwerb des Grundstückseigentums als auch des Gebäude eigentums durch die Kläger sei nach § 15 Abs. 7 DBEigenheimVO i. V. m. §§ 14, 12 Abs. 2 der Eigenheimverordnung von der Grunderwerbsteuer befreit.

Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten FA. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und sinngemäß die Abweisung der Klage.

Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach der Eigenheimverordnung sei für den Erwerb der Kläger im Juni 1990 nicht mehr zu gewähren.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das FG den Grunderwerbsteuerbescheid und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung auf gehoben. Der mit der Klage angefochtene Bescheid ist allerdings bereits aus anderen -- vom FG nicht erörterten -- Gründen aufzuheben.

1. Der Erwerbsvorgang der Kläger ist nach dem Grunderwerbsteuergesetz der ehemaligen DDR i. d. F. vom 18. Dezember 1970 (GVBl, Sonderdruck Nr. 677) -- GrEStG DDR -- zu beurteilen. Dies folgt aus Art. 8 i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 des Einigungsvertrages. Das GrEStG DDR ist revisibles Recht i. S. des § 118 Abs. 1 der Finanz gerichtsordnung (FGO), das vom erkennenden Senat überprüft werden kann, und zwar ggf. auch für Zeitpunkte vor dem Wirksamwerden des Beitritts (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630, 632).

Der Kaufvertrag über das Grundstück unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR der Grunderwerbsteuer. Der Erwerb des darauf errichteten Eigenheims unterliegt als Erwerb eines Gebäudes auf fremdem Boden nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG DDR der Grunderwerbsteuer. Nach dem Wortlaut beider Verträge sollten Gebäude und Grundstück als "gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten" übergehen (vgl. § 13 des Familien gesetzbuches der DDR vom 20. Dezember 1965 -- GBl 1966 I, S. 1 --), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 1975 (GBl I, S. 517). Sollten die Verträge erst nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland wirksam geworden sein -- falls die erst danach erteilte Genehmigung für ihre Wirksamkeit erforderlich war --, und die Kläger keine Erklärung nach Art. 234 § 4 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) i. d. F. des Einigungsvertrages über die Fortgeltung des bisherigen Güterstandes abgegeben haben, so sind beide Erwerbsvorgänge als jeweils gerichtet auf den Erwerb von Miteigentumsanteilen je zur Hälfte durch die Eheleute anzusehen (vgl. Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB sowie Art. 234 § 4 a Abs. 1 und 3 EGBGB i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 -- BGBl I, S. 2182 --). In diesem Fall liegen zwei getrennte Steuerfälle vor, bei denen Bemessungsgrundlage jeweils die Hälfte der in den Verträgen vereinbarten Gegenleistung ist. Steuerschuldner ist jeder Ehegatte für seinen Erwerbsvorgang, ohne daß Gesamtschuldnerschaft besteht (vgl. Viskorf in Boruttau/Egly/Sig loch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 13 Rdnr. 72).

Aber auch bei Wirksamkeit der Verträge vor dem Beitritt bzw. bei einer Beibehaltung des bisherigen Güterstandes durch die Eheleute ergäbe sich nichts anderes. Das zumindest sachenrechtlich der Gütergemeinschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vergleichbare gemeinschaftliche Eigentum der Ehegatten nach § 13 des Familiengesetzbuches der DDR, auf das nunmehr ausdrücklich die Vorschriften über das durch beide Ehegatten verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung finden (Art. 234 § 4 a Abs. 2 EGBGB), ist kein eigener Rechtsträger. Die Ehegatten sind daher nicht in ihrer Verbundenheit nach § 15 GrEStG DDR Schuldner der Grunderwerbsteuer. Schuldner der Grunderwerbsteuer für einen Erwerbsvorgang, der auf den Erwerb gemeinschaftlichen Eigentums gerichtet ist, ist vielmehr jeweils der an dem Vertrag auf der Erwerberseite beteiligte Ehegatte. Sind -- wie im Streitfall -- beide Ehegatten als Erwerber aufgetreten, so ist jeder für sich Steuerschuldner nach § 15 Nr. 1 GrEStG DDR, ohne daß Gesamtschuldnerschaft besteht. Entsprechend den Grundsätzen für den Erwerb von Miteigentumsanteilen an Grundstücken liegen auch insoweit zwei Grunderwerbsteuerfälle vor, bei denen jeder Ehegatte als Erwerber der Hälfte des Grundstücks bzw. des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden anzusehen ist. Es gelten dieselben Grundsätze, die nach der Rechtsprechung des Senats auf den Erwerb durch eine Gütergemeinschaft nach dem BGB anzuwenden sind (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. April 1967 II 49/63, BFHE 88, 388).

2. Danach genügt der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid nicht den Erfordernissen des § 119 Abs. 1 der Abgaben ordnung (AO 1977). Da das FA die Grunderwerbsteuer -- materiell-rechtlich zu Unrecht (vgl. oben 1.) -- in einem Betrag festgesetzt hat, kann dem Bescheid nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnommen werden, welcher Ehegatte in welcher Höhe Schuldner der in einem Betrag festgesetzten Steuer sein soll. Daran ändert auch die Einspruchsentscheidung nichts. Sie verändert zwar die Höhe der Bemessungsgrundlage, ändert aber nichts an der einen Steuerfestsetzung. Ein Fall des § 155 Abs. 3 oder Abs. 5 AO 1977 liegt nicht vor. Der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids enthält auch keinen Anhalt, der eine Beseitigung dieses Zweifels durch Auslegung ermöglicht. Damit verstößt der Bescheid gegen § 119 Abs. 1 AO 1977, der vorschreibt, daß ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein muß. Bereits dieser Mangel führt zur Aufhebung des Bescheids (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. September 1987 II R 42/84, BFHE 151, 460, BStBl II 1988, 120), ohne daß es auf die vom FG erörterten Gründe noch ankommt. Der Senat hat davon abgesehen, die Beteiligten vor dieser Entscheidung auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen. Das rechtliche Gehör wird dadurch gewährleistet, daß der Senat nach § 90 a FGO durch Gerichtsbescheid entscheidet.

Fundstellen

  • Haufe-Index 420213
  • BFH/NV 1995, 438

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