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BFH Urteil vom 18.07.1973 - I R 11/73

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Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO ist jeweils für die einzelne Steuerart und den einzelnen Steuerabschnitt zu prüfen, ob eine neue Tatsache eine höhere oder niedrigere Veranlagung rechtfertigt.

2. Eine neue Tatsache, die zu Mehr-Betriebsteuern führt, rechtfertigt eine niedrigere Veranlagung zur Körperschaftsteuer, wenn eine Pflicht bestand, die Mehrsteuern als Verbindlichkeit oder Rückstellung anzusetzen.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nrn. 1-2; EStG § 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter der S-mbH. Deren Geschäftsführer erstattete am 26. Juni 1962 Selbstanzeige, weil die GmbH für gewisse Umsätze zu Unrecht einen Steuersatz von 1 v. H. in Anspruch genommen habe. Daraufhin fand eine Prüfung durch die Steuerfahndung statt. Der Prüfer stellte für das Streitjahr 1960 in die Prüferbilanz eine Rückstellung für rund 40 000 DM nachzuzahlender Umsatzsteuer ein. Weiter aktivierte er die auf Anzahlungen entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 873 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) meldete den Körperschaftsteueranspruch, der sich nach dem Ergebnis der Steuerfahndungsprüfung ergab, zur Konkurstabelle an. Der Kläger bestritt die Forderung und legte gegen den Feststellungsbescheid des FA Einspruch ein. Mit diesem begehrte er außerdem eine Wertberichtigung zu den Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen wenigstens in Höhe der aktivierten Umsatzsteuer auf Anzahlungen sowie eine Rückstellung für Gewährleistungen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen. Das FG hat in seiner Entscheidung, die in den EFG 1973, 127 veröffentlicht ist, ausgeführt, im Streitfall führe die neue Tatsache der schädlichen Bearbeitung zu einer Mehr-Umsatzsteuer von etwa 40 000 DM und lediglich zu einer Minderung der Körperschaftsteuer in Höhe von 22 000 DM. Daher handle es sich um eine neue Tatsache zuungunsten des Steuerpflichtigen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.

Der Kläger vertritt im Gegensatz zum FG die Auffassung, die Frage, ob eine neue Tatsache zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen vorliege, sei für jede Steuerart für sich zu beantworten. Nach den Ausführungen in Tz. 12 des Fahndungsberichts müsse davon ausgegangen werden, daß die GmbH nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung bei sorgfältiger Prüfung der bei Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1960 erkennbaren Umstände eine Umsatzsteuerrückstellung zu bilden gehabt habe. Danach bestehe für die Bildung dieser Rückstellung in dieser Bilanz kein Wahlrecht, das nach der Rechtsprechung des BFH entscheidend für die Ablehnung einer neuen Tatsache zugunsten des Steuerpflichtigen gewesen sei. Schließlich habe der Prüfer gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, wenn er im Rahmen seiner Prüfung die für die GmbH günstigen Tatsachen übergangen habe.

Der Kläger beantragt, in der Bilanz 1960 eine Gewährleistungsrückstellung in Höhe von 140 000 DM und ein Delkredere in Höhe von 11 108 DM anzuerkennen und die Körperschaftsteuer entsprechend zu ermäßigen, ggf. unter Berücksichtigung der neu ermittelten Gewerbesteuerrückstellung.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Senat kann der Auffassung des FG nicht folgen, bei der Prüfung der Frage, ob durch eine Betriebsprüfung neue Tatsachen bekannt werden, die eine niedrigere Veranlagung rechtfertigen (§ 222 Abs. 1 Nr. 2 AO), seien die Auswirkungen der neuen Tatsache auf alle in Betracht kommenden Steuerarten zu berücksichtigen. Wenn das Gesetz von einer "höheren Veranlagung" und von einer "niedrigeren Veranlagung" spricht (§ 222 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO), so kann damit nur die Veranlagung zu einer bestimmten Steuerart und - jedenfalls bei Abschnittssteuern - in einem bestimmten Steuerabschnitt gemeint sein. Denn das Gesetz kennt keine "Gesamtveranlagung" zu mehreren Steuern und für mehrere Steuerabschnitte (vgl. § 25 EStG, § 20 KStG, §§ 14, 16 GewStG, § 11 UStG 1951). "Veranlagung" ist die Festsetzung der Steuer und damit die Konkretisierung des Steueranspruchs in einem Steuerbescheid nach Abschluß der Ermittlungen (§ 210 AO). Wie es nun keinen Gesamtsteueranspruch für mehrere Steuerarten, sondern so viele Steueransprüche gibt, wie der Steuerpflichtige an Steuerarten für den jeweiligen Steuerabschnitt schuldet, gibt es auch ebenso viele Veranlagungen zu den einzelnen Steuerarten für den einzelnen Steuerabschnitt und keine Gesamtveranlagung.

Daher ist auch nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO jeweils für die einzelne Steuerart und den einzelnen Steuerabschnitt zu prüfen, ob eine neue Tatsache eine höhere oder niedrigere Veranlagung rechtfertigt.

2. Der Fahndungsprüfer hat im Streitfall die neue Tatsache festgestellt, daß die GmbH umsatzsteuerschädliche Bearbeitungen durchgeführt und dies vorsätzlich verschwiegen habe (Tz. 12 des Fahndungsberichts). Diese Feststellung führt nach dem Urteil des FG zu einer Erhöhung der Umsatzsteuer um etwa 40 000 DM und - infolge der damit erforderlichen Umsatzsteuerrückstellung - zu einer Minderung der Körperschaftsteuer um etwa 22 000 DM. Die auf Grund der erwähnten Tatsachen bewirkte Minderung der Körperschaftsteuer rechtfertigt eine niedrigere Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1960, was dann nach ständiger Rechtsprechung zu einer Wideraufrollung des ganzen Körperschaftsteuerfalles der GmbH für 1960 führt.

Der BFH hat allerdings wiederholt entschieden, daß Mehrbeträge von Betriebsteuern, die sich durch eine Betriebsprüfung ergeben haben, keine neue Tatsache im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO sind (Urteile vom 10. August 1961 IV 117/58 U, BFHE 73, 735, BStBl III 1961, 534; vom 21. August 1962 I 248/60 U, BFHE 75, 643, BStBl III 1962, 501; vom 5. Juni 1962 I 95, 110/60 S, BFHE 76, 282, BStBl III 1963, 100; vom 23. März 1965 I 253/64, StRK, Reichsabgabenordnung § 222, Rechtsspruch 255). Der IV. Senat hat diese Auffassung in dem Urteil IV 117/ 58 U damit begründet, daß der Ansatz einer Rückstellung für die Mehrsteuern von der Ausübung eines Wahlrechts durch den Steuerpflichtigen abhängig sei. Neue Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO seien aber nur objektive Tatsachen, die unabhängig vom Willen des Steuerpflichtigen geeignet seien, eine höhere oder niedrigere Veranlagung zu rechtfertigen. Der I. Senat hat in den Urteilen I 248/60 U und I 253/64 entscheidend darauf abgestellt, daß keine Passivierungspflicht für die Mehrsteuern bestehe, wenn der Steuerpflichtige bei Aufstellung der Bilanz nach sorgfältiger Prüfung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände mit den Mehrsteuern nicht habe rechnen müssen.

Diese Ausführungen des I. Senats zeigen, daß nicht immer ein Wahlrecht besteht, die Mehrsteuern in dem Wirtschaftsjahr des Entstehens oder in dem Wirtschaftsjahr der Aufdeckung zu passivieren. Abzugsfähige Steuern sind grundsätzlich dem Jahr zu belasten, zu dem sie wirtschaftlich gehören (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1969 I R 107/59, BFHE 97, 524, BStBl II 1970, 229). Andererseits gilt der allgemeine Grundsatz, daß für die Frage der Aktivierungspflicht und der Passivierungspflicht und damit für die Frage, ob die Bilanz richtig oder unrichtig ist, der Erkenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns bei Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen ist (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. Bd. 2, § 256 des Aktiengesetzes Tz. 68, 77; BFH-Urteil vom 11. Oktober 1960 I 56/60 U, BFHE 72, 8, BStBl III 1961, 3). Dieser Grundsatz führt dazu, daß der Steuerpflichtige die Mehrsteuern in dem Jahr des Entstehens zu passivieren hat, wenn er bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns mit der Entstehung der Mehrsteuern rechnen muß (BFH-Urteil I R 107/59). Ein Wahlrecht besteht dann nicht.

Ob im Streitfall die Voraussetzungen einer Passivierungspflicht für das Jahr 1960 erfüllt sind, hat das FG nicht geprüft. Die Sache geht daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Nach dem BFH-Urteil vom 13. Januar 1966 IV 51/62 (BFHE 84, 517, BStBl III 1966, 189) rechtfertigt die Tatsache, daß nach allgemeiner Erfahrung bei einer Betriebsprüfung mit Steuernachforderungen zu rechnen ist, keine Rückstellung. Ist dem Kaufmann aber bei Aufstellung der Bilanz bekannt, daß er einen bestimmten Sachverhalt steuerrechtlich falsch behandelt hat, oder muß ihm das bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bekannt sein, so besteht objektiv die Pflicht, die Mehr-Betriebsteuern als Verbindlichkeit oder - wenn die Höhe ungewiß ist - als Rückstellung anzusetzen. Nach diesen Grundsätzen wird das FG die Umstände, die zur Selbstanzeige führten, näher prüfen.

Sollte sich bei der erneuten Verhandlung herausstellen, daß nach diesen Grundsätzen keine Passivierungspflicht bestand, wird das FG Gelegenheit haben, auf die Ausführungen des Klägers in der Revision einzugehen, der Prüfer sei nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, zu untersuchen, ob bereits bei Aufstellung der Bilanz 1960 mit Gewährleistungsansprüchen zu rechnen war.

Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70615

BStBl II 1973, 860

BFHE 1974, 226

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