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BFH Urteil vom 15.12.1966 - IV 232/64

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Scheidet ein Gesellschafter, dessen Kapitalkonto negativ ist, aus der Personengesellschaft aus und verzichtet der verbleibende Gesellschafter auf den Ausgleich des negativen Kapitalkontos, so erzielt der Ausscheidende in Höhe des Minuskapitals auch dann einen Veräußerungsgewinn, wenn der Ausgleichsanspruch des verbleibenden Gesellschafters wertlos ist. Der entgegenstehenden Auffassung des RFH (Urteile VI A 652/34 vom 3. Juli 1935, StuW 1935 Nr. 540; VI A 690/34 vom 5. Februar 1936, RStBl 1936, 555) folgt der Senat nicht.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist in dem Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1959, ob durch das Ausscheiden eines Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto ein Veräußerungsgewinn entstand (§ 16 Abs. 1 EStG).

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) betrieb vom 1. Januar 1956 bis zum 30. Juni 1959 mit dem Malermeister A. ein Malergeschäft in der Form einer Personengesellschaft. In der Schlußbilanz vom 30. Juni 1959 wies die Gesellschaft ein negatives Kapitalkonto des Stpfl. aus. Der verbleibende Gesellschafter A verzichtete durch Vertrag vom 1. August 1959 auf den Ausgleich des negativen Kapitalkontos.

In dem Auseinandersetzungsvertrag erklärten die Gesellschafter alle aus dem Gesellschaftsverhältnis herrührenden gegenseitigen Ansprüche für abgegolten.

Das Finanzamt (FA) nahm an, daß der Stpfl. durch den Verzicht seines früheren Mitgesellschafters auf den Ausgleich des negativen Kapitalkontos einen Veräußerungsgewinn erzielt habe.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Vorinstanz führte aus:

Das FA habe zu Recht einen Veräußerungsgewinn festgestellt. Die Ausgleichsforderung des A. gegen den Stpfl. sei nicht wertlos gewesen. Der Stpfl. habe außer Steuerschulden und unbedeutenden laufenden Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Auseinandersetzung keine Schulden gehabt. A. habe den Stpfl. als Arbeitnehmer beschäftigt, ohne mit seiner Forderung gegen die Lohnforderungen des Stpfl. wenigstens teilweise aufzurechnen. Er habe seine Forderung nicht für uneinbringlich halten können, zumal sich das FA nach der Auseinandersetzung wegen der Steuerschulden des Stpfl. in beträchtlicher Höhe durch Pfändungen seiner Lohnansprüche befriedigt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die als Revision zu behandelnde Rb. des Stpfl. ist unbegründet.

Scheidet ein Gesellschafter, dessen Kapitalkonto negativ ist, aus der Personengesellschaft aus und verzichten die verbleibenden Gesellschafter auf den Ausgleich des negativen Kapitalkontos, so entsteht bei dem Ausgeschiedenen in Höhe des Betrages des Minuskapitals regelmäßig ein Veräußerungsgewinn. Denn es ist davon auszugehen, daß der Ausscheidende eine entsprechend höhere auszahlbare Abfindung erhalten hätte, wenn vor allem seine hohen Privatentnahmen nicht zu einem ausgleichsbedürftigen negativen Kapitalkonto geführt hätten (vgl. BFH-Urteil IV 321/60 U vom 6. Dezember 1962, BFH 76, 360, BStBl III 1963, 133).

In der Rechtsprechung des RFH wurde angenommen, daß ein Veräußerungsgewinn des Ausscheidenden dann nicht entstehe, wenn die gegen diesen Gesellschafter gerichtete Forderung wertlos gewesen sei. Der Erlaß einer wertlosen Forderung könne dem Schuldner nicht als Gewinn angerechnet werden (vgl. RFH-Urteile VI A 652/34 vom 3. Juli 1935, Steuer und Wirtschaft 1935 Nr. 540; VI A 690/34 vom 5. Februar 1936, RStBl 1936, 555). Danach liege in solchen Fällen ein Vermögenszuwachs vor, der einem Sanierungsgewinn wesensgleich sei. Das rechtfertige es, den durch den Verzicht entstehenden rein formalen Vermögenszuwachs wie einen Sanierungsgewinn zu behandeln und daher steuerfrei zu lassen.

Der Senat kann dieser Rechtsprechung des RFH nicht folgen. Die die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns rechtfertigenden Erwägungen treffen auf Fälle der vorliegenden Art nicht zu. Denn hier wird der Schulderlaß anders als bei der Sanierung nicht erklärt, um einen Betrieb am Leben zu erhalten. Für die Annahme eines steuerfreien Sanierungsgewinns ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weder ausreichend noch erforderlich. Der Sanierungsvorgang setzt im Gegenteil in der Regel eine begrenzte Zahlungsfähigkeit voraus und der Schulderlaß bezweckt, diese zu erhalten (vgl. BFH-Urteil I 359/60 S vom 25. Oktober 1963, BFH 78, 308, BStBl III 1964, 122). In dieser Zweckbestimmung und nicht in der (teilweisen) Wertlosigkeit der Schulden liegt die Rechtfertigung der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns. Der Verzicht auf den Ausgleich eines negativen Kapitalkontos stellt ebenso wie der Gläubigerverzicht im Rahmen einer Sanierung einen betrieblichen Vorgang dar, es sei denn, daß auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles eine Schenkung angenommen werden muß. Der Verzicht führt auch dann zu einem Gewinn des ausgeschiedenen Gesellschafters, wenn der Ausgleichsanspruch des verbleibenden Gesellschafters im Zeitpunkt der Verzichtserklärung wegen Vermögenslosigkeit des Ausgeschiedenen wertlos war. Denn es muß berücksichtigt werden, daß die erlassene Forderung wieder einen Wert hätte erlangen können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Schuldner oder sein Rechtsnachfolger zu einem späteren Zeitpunkt zahlungsfähig sein wird.

Diese rechtliche Beurteilung ist auch sinnvoll. Denn es ist zu berücksichtigen, daß das Kapital durch zu hohe Entnahmen negativ geworden ist. Der unterlassene Ausgleich dieser Beträge kommt wirtschaftlich einer aus Anlaß des Ausscheidens vorgenommenen nachträglichen änderung der Gewinnverteilung gleich, wobei es unerheblich ist, aus welchen Gründen sie vorgenommen wird. Soweit das negative Kapitalkonto auf Verlustzurechnungen in den Vorjahren beruht, besteht keine Veranlassung, die durch die unterlassene Abdeckung des negativen Kapitalkontos eingetretene Vermögensmehrung steuerfrei zu lassen, weil sich diese Verluste früher einkommensmindernd auswirkten oder jedenfalls auswirken konnten.

Dieser Beurteilung des Vorganges steht die steuerrechtliche Behandlung bei dem verbleibenden Gesellschafter nicht entgegen. Denn die Behandlung der beiden Seiten ist voneinander unabhängig. Es kann also gegen die Annahme eines Schuldnergewinns nicht eingewendet werden, daß derselbe Vorgang bei dem Gläubiger möglicherweise ohne Erfolgsauswirkung bleibt. Denn diese Frage beurteilt sich nach anderen Gesichtspunkten (vgl. RFH-Urteil VI A 1495/31 vom 27. Januar 1932, RStBl 1932, 463).

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob, wie die Vorinstanz meinte, die Ausgleichsforderung noch einen Wert besaß, oder ob sie, wie der Stpfl. vorträgt, nicht einbringlich war. Denn der Veräußerungsgewinn ist unabhängig davon, ob die Forderung des verbleibenden Gesellschafters gegen den Stpfl. im Zeitpunkt des Erlasses wertlos war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412405

BStBl III 1967, 309

BFHE 1967, 122

BFHE 88, 122

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