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BFH Urteil vom 14.07.1966 - IV 46/64

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsbehelf, der sich gegen einen nach § 215 Abs. 2 AO erlassenen Feststellungsbescheid wegen dessen verfahrensrechtlicher Unzulässigkeit wendet, ist zulässig, auch wenn sich die Aufhebung dieses Bescheides auf die Einzelveranlagungen der beteiligten Steuerpflichtigen nicht auswirkt.

 

Normenkette

AO §§ 213, 215, 231, 252

 

Tatbestand

Die von den Revisionsklägern (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) für die Streitjahre nach dem EStG zu versteuernden, hier in Betracht kommenden gewerblichen Gewinne sind nach Erlaß der Einspruchsentscheidung des Finanzamts (FA) als solche nicht mehr Gegenstand des Streits. Streit besteht vielmehr lediglich darüber, ob sie die Gewinne als Einzelunternehmer oder als Mitunternehmer (Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) erzielt haben. Das FA hat - im Gegensatz zu den Stpfl. - Mitunternehmerschaft angenommen, einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide nach § 215 Abs. 2 Ziff. 2 AO erlassen und dementsprechend auch Gewerbesteuermeßbescheide für die von ihm angenommene Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und nicht für jeden einzelnen Stpfl. als Einzelunternehmer erlassen.

Die Stpfl. begehren Aufhebung der Gewinnfeststellungsbescheide, womit sie das Ziel verfolgen, auf diesem Wege gemäß § 35 b GewStG auch eine Aufhebung der gegen die - nach ihrer Auffassung nicht bestehende - Gesellschaft ergangenen Gewerbesteuermeßbescheide zu erreichen.

Ihr Einspruch und ihre Berufung hatten keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung beharrte das FA auf seiner Auffassung, daß es sich um eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts handle, stellte aber - auf entsprechende Einwendungen der Stpfl. und insoweit in übereinstimmung mit ihnen - für alle Streitjahre niedrigere Gewinne fest. Das Finanzgericht (FG) verwarf die Berufung der Stpfl. aus folgenden Gründen als unzulässig.

Nach § 231 Abs. 1 AO (alter Fassung) könnten die Gewinnfeststellungen nur angefochten werden, wenn sich die Stpfl. durch die Höhe der getroffenen Feststellungen oder durch die Entscheidung über die Art der Einkünfte beschwert fühlten. Das sei nicht der Fall. Art und Höhe der Einkünfte seien unbestritten. Eine Aufhebung der Gewinnfeststellungen würde an den Einzelveranlagungen der Stpfl. zur Einkommensteuer nichts ändern. Da sich die Bindungswirkung der nach § 215 Abs. 2 Ziff. 2 AO erlassenen Gewinnfeststellungsbescheide auf die zu erlassenden bzw. erlassenen Einkommensteuerbescheide beschränke (§ 218 Abs. 2, Abs. 4 AO), könne es für die Frage der Beschwer - entgegen dem Urteil des RFH VI 49/43 vom 21. Juli 1943, RStBl 1943, 709 - auch nicht darauf ankommen, daß im Falle ihrer Aufhebung nach § 35 b Abs. 1 GewStG zu verfahren sei, d. h. die ergangenen Gewerbesteuermeßbescheide ebenfalls aufzuheben seien, obwohl sie nicht im Sinn des § 218 AO auf den Gewinnfeststellungsbescheiden beruhten. Die Vorschrift des § 35 b GewStG diene lediglich der Vereinfachung und komme nur dann zum Zuge, wenn die Gewinnfeststellungsbescheide aus einkommensteuerlichen Gründen anzuheben seien. Eine solche Aufhebung komme aber im Streitfall aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht. Die Aufhebung der Gewerbesteuermeßbescheide könne daher im vorliegenden Fall nur durch Rechtsbehelfe gegen diese Bescheide selbst erreicht werden.

 

Entscheidungsgründe

Dagegen richtet sich die Revision der Stpfl. Sie ist begründet. Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Ziff. 2 FGO).

Dem FG ist darin beizupflichten, daß sich die Zulässigkeit des Rechtsweges - hier die Berufung - nicht aus § 231 Abs. 1 AO alter Fassung herleiten läßt, da die Stpfl. keinen der dort genannten Anfechtungsgründe geltend machen, vielmehr Art und Höhe der auf jeden von ihnen entfallenden Einkünfte ausdrücklich anerkennen.

Ihre Berufung ist aber aus anderen Erwägungen zulässig. Sie bestreiten nämlich, was das FG nicht hinreichend beachtet hat, die - in § 231 Abs. 1 AO alter Fassung vorausgesetzte - verfahrensrechtliche Zulässigkeit der angegriffenen Feststellungsbescheide mit dem Hinweis, daß mangels eines zwischen ihnen bestehenden Gesellschaftsverhältnisses die für den Erlaß dieser Bescheide nach den §§ 213 Abs. 2, 215 Abs. 2 AO erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Damit rügen sie Verletzung der steuerlichen Grundordnung, wie sie sich für den Regelfall aus § 213 Abs. 1 AO und davon abweichend unter den dort genannten Voraussetzungen aus § 213 Abs. 2 AO ergibt. Wenn die Feststellungsbescheide mangels der nach den §§ 213, 215 AO erforderlichen Verfahrensvoraussetzungen nicht ergehen durften, sind die Stpfl., allein dadurch beschwert, ohne daß es darauf ankommt, ob und in welcher Weise sich eine Aufhebung dieser Bescheide auf ihre Einkommensteuerveranlagung auswirkt.

Die Sache geht daher an das FG zurück, das nunmehr zur Frage der Mitunternehmerschaft die erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zu treffen haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412194

BStBl III 1966, 609

BFHE 1966, 564

BFHE 86, 564

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