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BFH Urteil vom 14.02.1964 - VI 179/62 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wird von dem nach der TO. A bemessenen Gehalt eines angestellten Arztes ein Teil vertragsgemäß an eine Versorgungsausgleichskasse abgeführt, so hängt es von den zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen ab, ob die abgeführten Beträge steuerpflichtiger Arbeitslohn des Arztes sind, oder ob es sich dabei um eine Maßnahme zur Rückdeckung des Arbeitgebers wegen der späteren Versorgungsleistungen handelt. Sind die Beteiligten einig, daß die späteren Versorgungsbezüge lohnsteuerpflichtig sein werden, so spricht dies dafür, daß die an die Ausgleichskasse abgeführten Beträge nur der Rückdeckung des Arbeitgebers dienen sollen.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1, § 19/1/1; LStDV § 2

 

Tatbestand

Der Bf. ist Chefarzt eines Kreiskrankenhauses. Daneben hat er eine freiberufliche Praxis. Nach dem am 12. Dezember 1955 mit dem Kreis geschlossenen Dienstvertrag erhält er als Chefarzt eine monatliche Vergütung "auf der Grundlage nach Vergütungsgruppe I der Tarifordnung A für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst (Angestellte) - TO. A -". Nach Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei Eintritt der Dienstunfähigkeit steht ihm eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen nach Besoldungsgruppe A 2c 2 zu, bei der sein Besoldungsdienstalter so angenommen wird, als sei er mit dem Inkrafttreten des Anstellungsvertrages in das Beamtenverhältnis eingetreten. Nach seinem Tode bekommt seine Witwe eine Versorgung nach den entsprechenden beamtenrechtlichen Grundsätzen. Nach § 4 Abs. 3 des Anstellungsvertrages erstattet der Bf. "dem Kreis die an die Versorgungsausgleichskasse zu entrichtenden Beiträge, errechnet nach der Lebenserwartung, solange er im Dienst des Kreises steht".

In der Rb. ist streitig, wie die nach § 4 Abs. 3 des Anstellungsvertrages vom Bf. an den Kreis "erstatteten Beiträge" in den Jahren 1955 und 1956 zu behandeln sind. Der Bf. hält nur die um diese Beträge gekürzten Bezüge für steuerpflichtigen Arbeitslohn. Das Finanzamt erkannte diese Kürzung nicht an und sah die Erstattung als Verwendung eines Teils des dem Bf. zugeflossenen Arbeitslohns an. Die Kürzungsbeträge rechnete es jedoch zu den Sonderausgaben. Das wirkte sich aber steuerlich nicht aus, weil die übrigen beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben bereits die Höchstbeträge überstiegen. Der Einspruch und die Berufung des Bf. hatten insoweit keinen Erfolg.

Das Finanzgericht ging davon aus, daß der Bf. nach dem Anstellungsvertrag Anspruch auf eine Entlohnung nach Vergütungsgruppe I TO. A habe, die nach § 1 der Allgemeinen Dienstordnung vom 30. April 1938 und § 1 TO. A vom 1. April 1938 nicht gekürzt werden dürfe. Der Landrat des Kreises habe erklärt, daß nach dem Willen der Vertragsparteien das Gehalt des Bf. nicht habe gekürzt werden sollen. Die in § 4 Abs. 2 und Abs. 3 des Anstellungsvertrages enthaltenen Bestimmungen über die Altersversorgung hätten mit der Höhe des Gehalts nichts zu tun. Es seien in dem Anstellungsvertrag zwei Verträge zusammengefaßt worden, nämlich der Dienstvertrag und ein Vertrag über die Altersversorgung des Bf. Wie die späteren Versorgungsleistungen steuerlich zu behandeln seien, habe keinen Einfluß auf die Entscheidung des Streitfalles. Es brauche auch nicht entschieden zu werden, ob die Erstattungsbeträge zu Recht als Sonderausgaben angesehen worden seien, da die Kammer in jedem Fall von einer Verböserung absehen wolle.

Der Bf. trägt zur Begründung seiner Rb. vor, der Anstellungsvertrag sei einheitlich zu beurteilen, da er seine Rechte und Pflichten im ganzen regele. Da der Kreis ihn fest habe binden wollen, hätten die Bestimmungen über seine Versorgung in den Vertrag aufgenommen werden müssen. Dabei sei nicht irgendein Versorgungsversprechen gemacht worden, sondern eine genaue Versorgungszusage unter Angabe einer Beamtenbesoldungsgruppe. Da die Aufwendungen der anstellenden Behörde aus dieser Versorgungszusage vermutlich haushaltsmäßig nicht gedeckt gewesen seien, seien sie auf ihn abgewälzt worden. Sein Gehalt sei daher überhaupt nicht nach TO. A Vergütungsgruppe I festgelegt, sondern frei vereinbart worden. Es sei wegen der Versorgungszusage entsprechend herabgesetzt worden. Das Finanzgericht habe auch die steuerlichen Auswirkungen für die Zukunft bei seiner Entscheidung beachten müssen. Die späteren Versorgungsleistungen müßten nach § 19 EStG besteuert werden. Die Erstattungsbeträge hingen, wenn man sie als Teil des Gehalts ansehe, mit diesen Versorgungszahlungen eng zusammen, so daß sie nicht Sonderausgaben, sondern Werbungskosten seien. Falls man jedoch die späteren Versorgungsleistungen für Bezüge im Sinn des § 22 EStG halte, liege bei Versagung des Abzugs der Erstattungsbeträge eine doppelte Steuerbelastung vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Das Finanzgericht ist der Auffassung, dem Bf. sei das volle Gehalt nach Vergütungsgruppe I TO. A zugeflossen. Die Einwendungen des Bf. gegen diese Beurteilung sind begründet. Ob Aufwendungen eines Arbeitgebers für die Zukunftssicherung eines Arbeitnehmers als Zufluß von Arbeitslohn oder als Maßnahme zur Rückdeckung des Arbeitgebers zur späteren Erfüllung seiner Versorgungszusage anzusehen sind, muß nach den zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarungen beurteilt werden (Urteil des Senats VI 163/60 U vom 3. März 1961, BStBl 1961 III S. 191, Slg. Bd. 72 S. 525). Wenn auch in § 4 Abs. 1 des Anstellungsvertrags des Bf. ein Gehalt "auf der Grundlage nach der Vergütungsgruppe I TO. A" festgelegt ist, so ändert doch Abs. 3 des gleichen § 4 diese Vereinbarung dahin ab, daß nur der um die Beiträge an die Versorgungskasse zu entrichtende Betrag tatsächlich ausgezahlt wird. Da beide Vertragsbestimmungen unmittelbar zusammenhängen, ist anzunehmen, daß - worauf übrigens auch die Formulierung des Abs. 1 hinweist - die Vergütungsgruppe I TO. A lediglich die Grundlage für die Bemessung des Gehalts sein soll, daß jedoch kein tarifgebundener Arbeitsvertrag nach dieser Vergütungsgruppe geschlossen werden sollte. Ob eine solche Gehaltsvereinbarung arbeitsrechtlich zulässig war, kann für die Besteuerung dahingestellt bleiben. Die Vertragsparteien sind jedenfalls danach verfahren und müssen sich deshalb auch steuerlich entsprechend behandeln lassen. Arbeitslohn im Sinn von § 2 LStDV ist daher nur der Teil des Gehalts nach Vergütungsgruppe I TO. A, der nach der Kürzung um die Beiträge für die Versorgungsausgleichskasse dem Bf. tatsächlich zur Verfügung stand. Die an die Versorgungsausgleichskasse abgeführten Beiträge wurden von dem Arbeitgeber zur Rückdeckung verwendet und sind dem Bf. daher im Sinn von § 11 Abs. 1 EStG im Streitjahr nicht zugeflossen (vgl. Urteil des Senats VI 130/55 U vom 6. März 1959, BStBl 1959 III S. 231, Slg. Bd. 68 S. 604). Für diese Auslegung spricht auch, daß die späteren Versorgungsbezüge des Bf. und seiner Ehefrau nach Auffassung aller Beteiligten Arbeitslohn im Sinn von § 19 EStG sein werden. Der Senat hat hiergegen nach dem Akteninhalt keine Bedenken. Der Bf. weist mit Recht darauf hin, daß nach der vom Finanzamt und vom Finanzgericht vertretenen Ansicht eine doppelte Besteuerung eintreten würde, nämlich zunächst eine Besteuerung der sogenannten Erstattungsbeträge als laufender Arbeitslohn und später eine Heranziehung der Versorgungszahlungen als Zuwendungen aus dem früheren Arbeitsverhältnis. Dieses Ergebnis wird vermieden, wenn hinsichtlich der Erstattungsbeträge ein Zufluß nicht angenommen wird. Das ist eine nach § 4 des Anstellungsvertrags mindestens mögliche, nach Auffassung des Senats aber auch zutreffende Vertragsauslegung.

Die angefochtene Entscheidung, die auf einer anderen rechtlichen Beurteilung beruht, wird aufgehoben. Der Senat hält es für zweckmäßig, die Sache zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen an das Finanzamt zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411147

BStBl III 1964, 243

BFHE 1964, 28

BFHE 79, 28

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