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BFH Urteil vom 13.03.1984 - IX R 8/79

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Leitsatz (amtlich)

Bei einem in Berlin (West) errichteten Gebäude mit mehreren Eigentumswohnungen, für die im Zeitpunkt der Fertigstellung bereits Wohnungseigentum nach den §§ 3 oder 8 WEG begründet worden ist, kann der Bauherr die erhöhten Absetzungen nach § 14 a Abs. 1 Satz 1 BerlinFG 1970 nicht von seinen gesamten Herstellungskosten, sondern nur von dem nach § 14 a Abs. 1 Satz 3 BerlinFG 1970 auf 150 000 DM begrenzten Teil geltend machen.

 

Normenkette

BerlinFG § 14 a Abs. 1 i.d.F. vom 29. Oktober 1970

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die bei der Einkommensteuer zusammenveranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben am 2. August 1972 zu gleichen Anteilen einen 2 619/10 000 Miteigentumsanteil an einem in Berlin gelegenen Grundstück. Es war vorgesehen, auf diesem Grundstück zwei Doppelhäuser mit insgesamt 20 Wohnungen zu errichten, die in Wohnungseigentum umgewandelt werden sollten. Die Teilungserklärung hatte der Verkäufer bereits am 9. Juli 1972 abgegeben. Die Kläger traten in den vom Verkäufer geschlossenen Bauvertrag ein, "und zwar nur hinsichtlich des Hauses R-Straße, in dem sich die künftigen Eigentumswohnungen Nrn. 3, 4, 7, 8 und 10 befinden". Dementsprechend wurden die Kläger Eigentümer von fünf in einer der Hälften des einen Doppelhauses liegenden Eigentumswohnungen, die an einem Treppenaufgang liegen. Von den Ende 1972 bezugsfertig gewordenen Wohnungen nutzen die Kläger eine selbst, die anderen vier Wohnungen haben sie vermietet.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für 1972 machten die Kläger von ihren im Jahre 1972 entstandenen Herstellungskosten von 1 240 439,94 DM an erhöhten Absetzungen einen Betrag von 496 219,94 DM bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 14 a des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG 1970 - i. d. F. vom 29. Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1481, BStBl I 1970, 1016) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -), der für jede Wohnung eine gesonderte Feststellung vornahm, gewährte für jedes der als Eigentumswohnung bewerteten Objekte erhöhte Absetzungen von nur jeweils 75 000 DM. Das FA hob später auf den Einspruch der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Januar 1976 VIII R 253/71 (BFHE 117, 437, BStBl II 1976, 305) die Feststellungsbescheide wieder auf, berichtigte aber die Einkommensteuerbescheide nicht. In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte das FA neben den erhöhten Absetzungen nach § 14 a BerlinFG 1970 für vier Wohnungen Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG); außerdem erfaßte es einkommenserhöhend den Nutzungswert der eigengenutzten Eigentumswohnung.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ist der Ansicht: Es treffe entgegen der Ansicht der Kläger nicht zu, daß die Eigentumswohnungen aufgrund der tatsächlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten wie ein Mietwohngrundstück zu behandeln seien. Auf beide Gesichtspunkte komme es für die Anwendung des § 14 a BerlinFG 1970 nicht an.

Wenn § 14 a BerlinFG 1970 erhöhte Absetzungen für "Gebäude und Eigentumswohnungen" ermögliche, so folge hieraus der Unterschied zwischen Gebäude und Eigentumswohnung, der sich in der Regel dadurch ausdrücke, daß Eigentumswohnungen nur Teil eines Gebäudes seien. Mit dem Begriff "Gebäude" könnten sowohl Ein- und Zwei- wie auch Mehrfamilienhäuser gemeint sein. Jede dieser Gebäudearten könne jedoch zugleich ganz oder teilweise aus Eigentumswohnungen bestehen. Die Gebäudeart sei deshalb für die Beantwortung der Frage, ob i. S. von § 14 a BerlinFG 1970 Eigentumswohnungen errichtet worden seien, ohne Bedeutung. Es könne daher nur darauf ankommen, ob Eigentumswohnungen i. S. des § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) errichtet worden seien. Auf die bauliche Gestaltung (die tatsächlichen Gegebenheiten) des Bauwerkes könne es nur für die Frage ankommen, ob es sich bei dem Gebäude um ein Ein- oder Zweifamilienhaus oder um ein sonstiges Gebäude (Mehrfamilienhaus) i. S. des § 14 a BerlinFG 1970 handele. Nur auf diese Frage beziehe sich auch das von den Klägern erwähnte BFH-Urteil vom 18. Februar 1966 VI 87/65 (BFHE 85, 27, BStBl III 1966, 223; Hinweis auch auf das BFH-Urteil vom 20. Oktober 1965 VI 194/65 U, BFHE 84, 238, BStBl III 1966, 87).

Auch die wirtschaftlichen Gegebenheiten rechtfertigten nicht die begehrten erhöhten Absetzungen. Die Begrenzung der erhöhten Absetzungen für Eigentumswohnungen ebenso wie für Ein- oder Zweifamilienhäuser gegenüber den sonstigen Mehrfamilienhäusern sei dadurch gerechtfertigt, daß zum einen bei der Errichtung und dem Erwerb derartiger Objekte wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht uneingeschränkt beachtet würden und darüber hinaus der für diese Objekte vorhandene Markt eine weitergehende staatliche Förderung nicht erforderlich mache. Der weitere Hinweis der Kläger auf Abschn. 164 b der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) beruhe auf einem Mißverständnis, da die Kläger nicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem, sondern aus fünf Objekten bezögen.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 14 a BerlinFG, des § 21 Abs. 1 und 2, § 21 a EStG, des § 15 Abs. 1 BerlinFG a. F. i. V. m. § 7 b EStG 1961, des § 93 des Bewertungsgesetzes (BewG) i. V. m. § 75 BewG und des § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (jetzt § 4 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Sie machen geltend, daß der Tatbestand irreführend und unrichtig sei. So verschweige er, daß sie, nachdem die Teilungserklärung durch den Verkäufer bereits am 9. Juli 1972 abgegeben worden sei, erst am 2. August 1972 die Miteigentumsanteile erworben hätten und erst zu diesem Zeitpunkt in den bereits am 1. April 1972 geschlossenen Bauvertrag eingetreten seien. Die Verwendung der Begriffe Doppelhaus und Doppelhaushälfte sei irreführend. Sachverhaltsmäßig und tatbestandsmäßig werde das Grundstück so genutzt, als ob bürgerlich-rechtlich keine Teilungserklärung vor Abschluß des Kaufvertrages vom Verkäufer übernommen worden wäre. Es müsse der wirkliche Wille erfaßt werden (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Sie hätten eine Wirklichkeit im Sinne des Vorliegens eines Mietwohngrundstücks geschaffen, an der das FG bei seiner rechtlichen Beurteilung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Betrachtungsweise und der Verkehrsauffassung vorbeigegangen sei.

Es bestehe auch kein Gemeinschaftseigentum. Das als solches im Grundbuch bezeichnete Treppenhaus stehe in ihrem Alleineigentum. Es würde nur dann Gemeinschaftseigentum, wenn, was nicht geschehen sei, die aufgrund der Teilungserklärung geschaffenen Eigentumswohnungen später einmal veräußert würden. In Fällen der vorliegenden Art rechne auch Abschn. 49 Abs. 2 Satz 5 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) zu Recht das Wohnungseigentum der Grundstücksart Mietwohngrundstück zu (Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 10. Aufl., Tz. 2 und 5). Sie hätten auch versucht, die grundbuchlichen Eintragungen zu beseitigen. Es hätten sich aber unüberwindliche technische und rechtliche Hindernisse entgegengestellt.

Das Gebäude enthalte unstreitig mehrere Wohnungen. Das könnten auch Eigentumswohnungen sein, die formal als solche im Grundbuch erfaßt seien. Unstreitig sei auch, daß diese Wohnungen zu 100 % Wohnzwecken dienten. Schließlich sei auch unstreitig, daß sich die Abschreibungsvergünstigung des § 14 a BerlinFG ebenso wie die nach § 15 Abs. 1 BerlinFG a. F. i. V. m. § 7 b EStG 1961 stets auf das ganze Mehrfamilienhaus beziehe. Der Begriff Mehrfamilienhaus sei in allen früheren gesetzlichen Vorschriften unausgesprochen enthalten gewesen. Daneben gebe es eine dritte Art von Wohngebäuden. Als solche kämen nur Mehrfamilienhäuser in Betracht (Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, § 14 a Anm. 16 und 17).

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid für 1972 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es führt aus: Die Wohnanlage der Kläger könne einkommensteuerrechtlich nach dem Wortlaut des § 14 a Abs. 1 BerlinFG in der für 1972 geltenden Fassung nicht als ein Mietwohngrundstück, sondern nur als fünf Grundstücke (Eigentumswohnungen) behandelt werden, wobei die AfA für jedes Grundstück einzeln zu ermitteln sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil verletzt nicht die von den Klägern genannten materiell-rechtlichen Vorschriften.

Soweit die Kläger geltend machen, der Tatbestand des FG-Urteils sei irreführend und unrichtig, ergeben sich hieraus keine revisionsrechtlichen Folgerungen. Sollte dieser Vortrag auf die Anwendung des § 108 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerichtet sein, geht er schon deshalb fehl, weil über einen derartigen Antrag nur das FG entscheiden kann (vgl. § 108 Abs. 2 FGO; BFH-Urteil vom 4. Juni 1969 VI R 276/67, BFHE 96, 287, BStBl II 1969, 640). Soweit in diesem Vortrag die Rüge von Verfahrensmängeln liegen sollte, kann er keinen Erfolg haben, weil er nicht den Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 FGO entspricht.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß den Klägern die erhöhten Absetzungen nach § 14 a BerlinFG 1970 nicht von ihren gesamten Aufwendungen als Berechnungsgrundlage zustehen, sondern nur begrenzt auf einen Betrag von 150 000 DM für jede der fünf Eigentumswohnungen. § 14 a BerlinFG 1970 begünstigte die Herstellung von Wohnraum bei Vorliegen der Voraussetzungen im übrigen im Gegensatz zu § 7 b EStG uneingeschränkt, differenzierte jedoch bei Gebäuden mit mehreren Wohnungen danach, ob es sich um Mietwohnungen oder Eigentumswohnungen handelte (die Besonderheiten für Ein- und Zweifamilienhäuser können hier außer Betracht bleiben). In dem einen Fall können die erhöhten Absetzungen von den gesamten Herstellungskosten vorgenommen werden, in dem anderen Fall begrenzt auf den Betrag von 150 000 DM für jede Eigentumswohnung, wenn deren Herstellungskosten diesen Betrag überschreiten (§ 14 a Abs. 1 Satz 3 BerlinFG 1970).

Ob nun aber ein Gebäude mit Mietwohnungen oder mit Eigentumswohnungen fertiggestellt worden ist, läßt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht unterscheiden, sondern nur nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten abgrenzen. Ist durch die vertragliche Einräumung von Sondereigentum (§ 3 WEG) oder durch Teilung (§ 8 WEG) Wohnungseigentum begründet worden, so erhält damit die Wohnung ihre Qualifikation zu einer Eigentumswohnung (vgl. auch § 12 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - II. WoBauG - i. d. F. vom 1. September 1965, BGBl I 1965, 1617, BStBl I 1965, 604, 610: Eine Eigentumswohnung ist eine Wohnung, an der Wohnungseigentum nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Wohnungseigentumsgesetzes vom 15. März 1951, BGBl I 1951, 175, begründet ist). Dann aber ist der Tatbestand geschaffen, an den § 14 a Abs. 1 Satz 3 BerlinFG 1970 die Rechtsfolge knüpft, daß nur von den Herstellungskosten bis 150 000 DM die erhöhten Absetzungen vorgenommen werden können. Aus ähnlichen Erwägungen hat der VIII. Senat des BFH bei der Prüfung der Frage, ob eine Eigentumswohnung als solche für die Erlangung der Begünstigung nach § 7 b EStG fertiggestellt worden ist, ebenfalls auf die Vorschriften der §§ 3 oder 8 WEG abgestellt (vgl. Urteil vom 15. Juni 1982 VIII R 24/81, BFHE 137, 243, BStBl II 1983, 194, m. w. N.). Die Kläger stellen auch nicht ernstlich in Frage, daß es sich hier um Eigentumswohnungen im Rechtssinn handelt.

Die abweichend hiervon begehrte Beurteilung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist indessen nicht möglich. Es ist zwar möglich, zivilrechtliche Begriffe für das Steuerrecht anders auszulegen, wenn dies der vom Steuerrecht verfolgte Zweck gebietet. Im Grundsatz ist jedoch daran festzuhalten, daß in beiden Rechtsgebieten verwendete Begriffe den gleichen Bedeutungssinn haben. So ist es auch hier. Es sind keine Gründe ersichtlich, dem Begriff "Eigentumswohnung" einen vom bürgerlichen Recht abweichenden Sinninhalt für das Steuerrecht nur deshalb zu geben, weil die Eigentumswohnungen in dem Gebäude nur den beiden Miteigentümern zur ideellen Hälfte gehören. Hierdurch ändert sich weder rechtlich noch wirtschaftlich etwas an dem nach den §§ 3 oder 8 WEG errichteten Wohnungseigentum. Daß sich in einem solchen Fall das gemeinschaftliche Eigentum (§ 1 Abs. 4 WEG vom 15. März 1951, BGBl I 1951, 175 - jetzt § 1 Abs. 5 WEG -) in einer Person (oder - wie hier - in der Person der beiden Miteigentümer) verkörpert, ist entgegen der Ansicht der Kläger ohne Bedeutung. Das den jeweiligen Eigentumswohnungen zugehörige gemeinschaftliche Eigentum ist nach wie vor vorhanden und würde sofort im Augenblick einer Veräußerung einer der Eigentumswohnungen deutlich. Unerheblich ist es hierbei auch, daß keine Veräußerungsabsicht besteht bzw. bestanden hat.

Bei dem hier gefundenen Ergebnis braucht der Senat nicht dazu Stellung zu nehmen, ob die Begünstigung des § 14 a BerlinFG 1970 in der für das Streitjahr geltenden Fassung nicht bereits deshalb nicht zu gewähren war, weil die Kläger nicht Bauherren, sondern Erwerber der Eigentumswohnungen waren (vgl. zum Begriff des Bauherrn das BFH-Urteil vom 22. April 1980 VIII R 149/75, BFHE 130, 391, BStBl II 1980, 441). Das FG-Urteil enthält hierzu keine tatsächlichen Feststellungen. Für das vom erkennenden Senat gewonnene Ergebnis bedurfte es dieser Feststellungen nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75031

BStBl II 1984, 578

BFHE 1985, 193

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