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BFH Urteil vom 12.09.1978 - VII R 97/75

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Leitsatz (amtlich)

Stellt der Kapitän eines Schiffes den Antrag auf Abfertigung von Mund- und Schiffsvorrat zur bleibenden Zollgutverwendung ohne einen ein Vertretungsverhältnis andeutenden Zusatz, so ist davon auszugehen, daß er den Antrag im eigenen Namen gestellt hat.

 

Normenkette

AO § 102 Abs. 2; BGB § 164 Abs. 2; ZG § 10; HGB § 533 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) stellte als Kapitän des deutschen Motorschiffs „K” den Antrag, den von See eingebrachten Schiffsbedarf zur bleibenden Zollgutverwendung abzufertigen. Das Zollamt (ZA) entsprach dem Antrag und nahm die nicht zum Verbrauch freigegebene Menge unter Zollverschluß. Am 12. Dezember 1972 verließ der Kläger wegen Krankheit das Schiff; er übernahm auch später nicht wieder die Schiffsführung. Am 14. Dezember 1972 übernahm ein Reedereiinspektor die weitere Überwachung des in A liegenden Schiffes. Bei seinem Dienstantritt war die Zollast noch ordnungsgemäß verschlossen. Am 18. Dezember 1972 stellte der Reedereiinspektor lest, daß die Zollast aufgebrochen und ein Teil des Proviants entwendet worden war. Der Täter wurde nicht ermittelt.

Mit Steuerbescheid vom 22. März 1973 forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) vom Kläger Eingangsabgaben in Höhe von 171,90 DM für die gestohlenen Waren an. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Inhaber des Zollverkehrs, aus dem die in dem angefochtenen Steuerbescheid aufgeführten Waren entwendet worden seien, sei der Kläger gewesen. Seinem Antrag auf Abfertigung sei durch das ZA entsprochen worden. Daß der Kläger dabei als Vertreter seiner Reederei aufgetreten sei bzw. habe auftreten wollen, sei in keiner Weise mit der dafür notwendigen Klarheit (vgl. § 164 Abs. 2 BGB) zum Ausdruck gekommen. Der gestohlene Proviant gelte nach § 55 Abs. 7 Satz 2 des Zollgesetzes (ZG) als in den freien Verkehr entnommen. Mit der Entnahme sei die Zollschuld entstanden (§ 55 Abs. 8 Satz 1 ZG). Zollschuldner sei derjenige geworden, in dessen Zollverkehr sich das Zollgut befunden habe (§ 55 Abs. 8 Satz 2 ZG). Das sei der Kläger gewesen. Denn der von ihm beantragte und ihm bewilligte Zollverkehr habe für ihn auch nach dem Verlassen des Schiffes fortbestanden. Es habe weder eine Gesamtrechtsnachfolge stattgefunden noch sei der Zollverkehr im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf einen entsprechenden Antrag des den Kläger ablösenden Reedereiinspektors auf diesen übertragen worden (vgl. § 127 Abs. 10 der Allgemeinen Zollordnung – AZO –).

Die vom Kläger vorgetragenen Gründe für ein Erlöschen seiner Verantwortlichkeit rechtfertigten keine andere Beurteilung. Die Anknüpfung der Zollschuld an die Person des Inhabers des Zollverkehrs sei eine vom Gesetz gewollte Formstrenge, die der Überwachung eines einfachen, aber gleichwohl die Zollbelange hinreichend sichernden Abfertigungsverfahrens diene. Dieser Gesetzeszweck schließe es aus, daß mit einem Wechsel in der Verantwortlichkeit für das Schiff auch ohne weiteres zugleich die Verwendereigenschaft auf eine andere Person übergehen könne. Dies sei nur unter den Voraussetzungen des § 127 Abs. 10 AZO möglich. Diese Voraussetzungen lägen unstreitig nicht vor.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ließ der erkennende Senat die Revision mit Beschluß vom 27. Mai 1975 VII B 28/74 – nicht veröffentlicht – zu.

Mit seiner Revision rügt der Kläger, das FG habe die Stellung des Kapitäns als Vertreter des Reeders (§§ 511 ff. HGB) verkannt. Wenn der Kapitän zeichne, so zeichne er in seiner Eigenschaft als Kapitän im Rahmen seiner im Gesetz umrissenen Vollmacht.

Das FG habe auch die Bedeutung einer im Schiffstagebuch eingetragenen ordnungsmäßigen Schiffsübergabe verkannt. Hier werde der Bevollmächtigte des Reeders ausgewechselt, d. h. er, der Kläger, habe das Schiff mit allen Verpflichtungen und mit einer im guten Zustand verschlossenen Zollast auf den Reedereiinspektor übertragen. Diese Auffassung werde durch § 533 HGB gestützt.

Materiell gerügt werde die Tatsache, daß das FG die Bestimmungen des HGB über den Schiffer (§§ 511 ff. HGB) und insbesondere § 533 HGB nicht beachtet habe. Heimathafen des Schiffes sei B. Da sich der Vorgang in A abgespielt habe, könne er sich auch auf §§ 526, 527 HGB stützen, und zwar im Umkehrschluß.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Kläger ist zu Recht als Abgabenschuldner in Anspruch genommen worden, wenn er Zollbeteiligter war, d. h. wenn er den Antrag auf Abfertigung zur bleibenden Zollgutverwendung im eigenen Namen gestellt hat (§ 10 Abs. 3 ZG). Das FG ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß diese Voraussetzungen gegeben sind.

Nach § 102 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) gelten für die Vertretung und Vollmacht in Steuersachen die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. § 164 Abs. 2 BGB besagt, daß, wenn der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervortritt, der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht kommt. Der Kläger hat den Abfertigungsantrag ohne einen ausdrücklichen Hinweis gestellt, er handle für die Reederei. Das schließt jedoch nicht von vornherein aus, daß sein Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht doch erkennbar hervorgetreten ist. Ein solcher Wille kann bei der Stellung von Zollanträgen auch dann, wenn es an einem das Vertretungsverhältnis andeutenden Zusatz bei der Unterschrift fehlt, als erkennbar hervorgetreten angesehen werden, wenn nach den gesamten Umständen des Auftretens des Bevollmächtigten unzweifelhaft ist, daß er nicht im eigenen, sondern in fremdem Namen handelte (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1957 V z 157/56, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1957 S. 212, 214). Die Umstände müssen danach jedoch einen unzweifelhaften Schluß auf das Vertretungsverhältnis zulassen. Sprechen sie dagegen oder halten sich zumindest die Umstände, die für ein Auftreten in fremdem Namen sprechen, und die Umstände, die auf das Gegenteil schließen lassen, die Waage, so scheidet die Annahme eines Handelns in fremdem Namen aus. So aber liegt der Fall hier.

Für ein Auftreten im Namen der Reederei könnte der aus § 533 Abs. 1 HGB zu entnehmende Rechtsgedanke sprechen, daß der Kapitän, der in seiner Eigenschaft als Führer des Schiffes auftritt, den Schiffseigner (die Reederei) unmittelbar auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn er den Reeder nicht bezeichnet. Diese Regelung gilt jedoch nicht unmittelbar für Willenserklärungen des Kapitäns, die gegenüber Zollbehörden abgegeben werden. Der vorliegende Fall betrifft die Stellung eines Antrags auf Abfertigung zu einem besonderen Zollverkehr. Besonderheiten, die mit der Stellung eines solchen Antrages verbunden sind, können hier nicht außer Betracht bleiben.

Es handelte sich um einen Antrag auf Abfertigung zur bleibenden Zollgutverwendung von Mund- und Schiffsvorrat. Sinn dieses Zollverkehrs war, sicherzustellen, daß die Waren der bewilligten Verwendung auch zugeführt würden. Anders als bei rechtsgeschäftlichen Handlungen des Kapitäns i. S. des § 533 Abs. 1 HGB schied hier nicht von vornherein aus, daß der Kapitän tatsächlich im eigenen Namen handeln wollte und die Behörde sein Handeln auch so verstehen konnte. Denn der Kapitän konnte wirksamer als die Reederei für die Beachtung der Zollvorschriften sorgen, die für die zollamtliche Überwachung im Rahmen einer bleibenden Zollgutverwendung gelten. Außerdem bedarf es in Anbetracht der besonderen und bis zur Beendigung des Verkehrs fortdauernden Pflichten des Zollbeteiligten eines besonderen Zollverkehrs in besonderem Maße der Klarheit über dessen Person. In dem vom Kläger in der Rubrik „Schiffsführer” unterschriebenen Formular taucht aber der Name des Schiffseigners nicht auf.

Die Umstände lassen also zumindest Zweifel offen darüber, ob der Kläger im eigenen Namen oder im Namen der Reederei aufgetreten ist. Dann muß aber der Tatsache, daß der Kläger bei der Antragstellung einen das Vertretungsverhältnis andeutenden Zusatz unterlassen hat, entscheidende Bedeutung zukommen. Es muß also davon ausgegangen werden, daß der Wille des Klägers, im Namen der Reederei zu handeln, nicht erkennbar (im Sinne des § 164 Abs. 2 BGB) hervorgetreten ist. Der etwaige Mangel, im eigenen Namen zu handeln kommt somit nicht in Betracht.

Der Kläger ist danach Zollbeteiligter und Verwender geworden; er ist Inhaber des Zollverkehrs. Trotz des Übergangs der Verantwortlichkeit für das Schiff auf den Reedereiinspektor hat er diese Eigenschaft behalten. Eine Gesamtrechtsnachfolge ist dadurch nicht eingetreten; diese ist nur möglich in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1970 I R 72/68, BFHE 100, 353, BStBl II 1971, 26). Einzelrechtsnachfolgern kann aber der Verwendungsverkehr nur auf deren Antrag übertragen werden (§ 127 Abs. 10 AZO). Ein solcher Antrag ist jedoch nicht gestellt worden. Eine andere Art der Übertragung des Verwendungsverkehrs sieht das Zollrecht nicht vor. Insbesondere sieht es nicht vor, daß ein Wechsel in der Verantwortlichkeit für das Schiff automatisch und ohne Einschaltung der Zollstellen auch einen Wechsel in der Verwendereigenschaft herbeiführt.

Der Kläger ist also durch seinen Antrag Inhaber des betreffenden Zollverkehrs geworden; er hat diese Eigenschaft nicht durch die Übertragung der Verantwortlichkeit für das Schiff verloren. Er ist daher nach § 55 Abs. 8 Sätze 1 und 2 ZG Zollschuldner für die durch die Entnahme des Zollguts entstandene Zollschuld geworden. Der Kläger ist somit zu Recht in Anspruch genommen worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514834

BFHE 1979, 94

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