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BFH Urteil vom 11.12.1959 - VI 230/58 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Grundstücken, die Baugelände sind und dem Eigentümer als Vermögensanlage dienen, ist die gezahlte Grundsteuer allenfalls in Höhe von etwa erzielten Zwischennutzungen abzugsfähig (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1857/29 vom 19. Dezember 1929, RStBl 1930 S. 108).

 

Normenkette

EStG §§ 9, 21

 

Tatbestand

Die Bfin. ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke. Für eines dieser Grundstücke, das nicht bebaut ist, zahlte sie im Jahre 1953 für Grundsteuer, Haftpflichtversicherung, Landwirtschaftsbeitrag, Löschungs- und Gerichtskosten insgesamt 4.000 DM. Als Pachtzins nahm sie von einem Kleingartenverein für die überlassung des Grundstücks 450 DM ein. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1953 setzte sie für dieses Grundstück einen Verlust von 3.550 DM von den überschüssen ihrer anderen Grundstücke ab. Das Finanzamt erkannte bei der Einkommensteuerveranlagung die Aufwendungen für das unbebaute Grundstück nur in Höhe der durch die Verpachtung erzielten Einnahmen an. Einspruch und Berufung hiergegen hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht ging davon aus, daß von den geltend gemachten Ausgaben überhaupt nur die gezahlte Grundsteuer und die Haftpflichtversicherungsbeiträge als Werbungskosten in Betracht kämen. Diese Zahlungen seien nach § 9 Ziff. 2 EStG jedoch nur berücksichtigungsfähig, wenn sie für Grundstücke entrichtet würden, die der Einnahmeerzielung dienten. Habe ein Steuerpflichtiger nicht die Absicht, aus seinem Grundstück durch Vermietung und Verpachtung wirkliche Nutzungen zu ziehen, sondern sei es für ihn ausschließlich eine Vermögensanlage, dann gehörten diese Aufwendungen zu den bei der Einkommensteuer nicht berücksichtigungsfähigen Kosten der Vermögensverwaltung. Auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, daß das betreffende Grundstück, das der verstorbene Vater der Bfin. bereits im Jahre 1924 an einen Kleingartenverein verpachtet habe, für diese eine reine Kapitalanlage gewesen sei. Nach den Einheitswertakten sei es nur als Baugelände verwertbar. Da es im Wohnsiedlungsgebiet liege, sei sein Wert mit zunehmendem Bedarf an Bauland gestiegen. Die Bfin. habe den dadurch eingetretenen Vermögenszuwachs inzwischen auch realisiert; denn sie habe das Grundstück, dessen Einheitswert auf den 21. Juni 1948 50.000 DM betragen habe, am 1. April 1954 für 350.000 DM veräußert. Nachdem das Eigentum auf sie übergegangen sei, habe sie zunächst nichts unternommen, um das Grundstück einer anderen Nutzung zuzuführen. Erst kurz vor dem Abschluß der Verkaufsverhandlungen habe sie das Pachtverhältnis mit dem Kleingartenverein zum 1. Oktober 1953 gekündigt. Sie habe sich also lediglich die Wertsteigerung des Grund und Bodens zunutze gemacht. Daß das für die Besteuerung der Bfin. früher zuständige Finanzamt in X. die Aufwendungen für das unbebaute Grundstück bei der Einkommensbesteuerung früherer Jahre in voller Höhe als Werbungskosten anerkannt habe, sei ebenfalls ohne Bedeutung; denn jeder Veranlagungszeitraum sei für sich zu beurteilen. Es verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn das für die Besteuerung des Jahres 1953 zuständige Finanzamt im Gegensatz zur früheren Sachbehandlung die Aufwendungen nur bis zur Höhe der Einnahmen als Werbungskosten anerkenne.

Die Bfin. macht mit der Rb. in erster Linie geltend, die Vorentscheidung verstoße gegen Treu und Glauben, weil das früher zuständig gewesene Finanzamt die Aufwendungen für das Grundstück auch zum Abzug zugelassen habe, soweit sie die Einnahmen überstiegen hätten. Sie habe sich darauf verlassen können, daß das nunmehr für ihre Besteuerung zuständige Finanzamt diese übung beibehalten werde. Sie hätte sonst hinsichtlich des Grundstücks anders disponiert und wäre bestrebt gewesen, die Ausgaben im Rahmen der Einnahmen zu halten. Auch habe das Finanzgericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Es hätte von dem mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Finanzamt in X. eine Auskunft einholen müssen, warum dieses bisher die Aufwendungen in voller Höhe berücksichtigt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Die Annahme des Finanzgerichts, das unbebaute Grundstück habe der Bfin. als Vermögensanlage und nicht zur Einnahmeerzielung gedient, beruht auf einer Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse. Der Bundesfinanzhof ist an derartige, auf dem Gebiet der Tatsachenbeurteilung liegende Feststellungen gemäß § 288 Ziff. 1 AO grundsätzlich gebunden. Diese Bindung besteht nur dann nicht, wenn ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten oder gegen das geltende Recht festzustellen ist. Ein solcher Verstoß ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar. Das Finanzgericht konnte nach dem aus den Akten ersichtlichen Sachverhalt zu der der Vorentscheidung zugrunde liegenden Beurteilung kommen. Sie entspricht der Lebenserfahrung. Die Ausführungen der Bfin. sind nicht geeignet, diese Würdigung als unmöglich erscheinen zu lassen.

Ist hiernach davon auszugehen, daß das betreffende Grundstück für die Bfin. eine Vermögensanlage und nicht ein Gegenstand der Einnahmeerzielung war, so sind ihre Aufwendungen für das Grundstück keine Werbungskosten, da sie nicht zur Erzielung, Sicherung oder Erhaltung von Einnahmen, sondern der Erhaltung eines Vermögenswerts dienten. Das Grundstück hat zwar Pachteinnahmen erbracht. Diese sind aber im Verhältnis zu seinem Wert unbedeutend gewesen, und es kann nach der Lebenserfahrung nicht angenommen werden, daß die Bfin. zur Erzielung dieser Einnahmen ein Mehrfaches der erhaltenen Pacht allein für die Grundsteuer aufgewendet hat. Es ist vielmehr dem Finanzgericht beizutreten, das die Bezahlung der Grundsteuern und die übrigen Aufwendungen für das Grundstück als solche zur Erhaltung dieses Vermögenswertes angesehen hat, die bei der Einkommensteuer an sich nicht berücksichtigt werden können. Der Reichsfinanzhof hat in derartigen Fällen jedoch zugelassen, daß die Einnahmen, die ein als Vermögensanlage dienendes Baugelände durch eine seiner eigentlichen Zweckbestimmung nicht entsprechende Nutzung erbringt, um die für das Grundstück angefallenen Aufwendungen bis zur Höhe der Zwischennutzungen gekürzt werden (Urteil VI 1857/29 vom 19. Dezember 1929, RStBl 1930 S. 108; siehe auch Urteil IV 125/43 vom 24. Februar 1944, RStBl 1944 S. 434). Der Senat tritt dieser Beurteilung bei. Die Aufwendungen für ein als Vermögensanlage anzusehendes Baugelände sind zwar grundsätzlich bei der Einkommensbesteuerung unbeachtliche Auslagen für die Erhaltung des Vermögens. Soweit ihnen jedoch Einnahmen gegenüberstehen, würde die Versagung des Abzugs zu einem wirtschaftlich unzutreffenden Ergebnis führen. In Höhe der Zwischennutzungen ist daher der Werbungskostencharakter der Aufwendungen anzuerkennen. Durch diese Sachbehandlung wird erreicht, daß sich weder die Einnahmen noch die Ausgaben für das Grundstück auf die Einkommensteuer auswirken. Dieses Ergebnis, zu dem auch das Finanzgericht gelangt ist, wird nach Auffassung des Senats der Sachlage gerecht.

Die Berufung der Bfin. auf den Grundsatz von Treu und Glauben vermag ihren Antrag auf Berücksichtigung eines Verlustes ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Das Finanzgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß jeder Veranlagungszeitraum für sich zu beurteilen ist. Es besteht keine Bindung an die Sachbehandlung in früheren Jahren. Eine solche könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn ein Finanzamt einem Steuerpflichtigen auf dessen Anfrage eine Auskunft erteilt hat, die diesen zu Dispositionen veranlaßt hat, die durch eine von der erteilten Auskunft abweichende Sachbehandlung sich zum Schaden des Steuerpflichtigen auswirken. Ein solcher Ausnahmefall ist bei dem aus den Akten ersichtlichen Sachverhalt und auch nach dem eigenen Vortrag der Bfin. nicht anzunehmen.

Auch der Einwand der Bfin., das Finanzgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, kann nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung führen, da alle für die Festsetzung der Einkommensteuer des Jahres 1953 wesentlichen Merkmale aus den Akten zu entnehmen waren. Auf die Sachbehandlung des früher zuständig gewesenen Finanzamts brauchte das die Besteuerung des Jahres 1953 vorzunehmende Finanzamt unter diesen Umständen nicht näher einzugehen. Da die Vorentscheidung demnach rechtlich nicht zu beanstanden ist, ist die gegen sie gerichtete Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409576

BStBl III 1960, 67

BFHE 1960, 182

BFHE 70, 182

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