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BFH Urteil vom 08.12.1970 - II R 26/67

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Leitsatz (amtlich)

1. Überträgt der Erwerber ein unbebautes Grundstück innerhalb der Fünfjahresfrist auf seinen Sohn, der seinerseits ein steuerbegünstigtes Gebäude errichtet, so liegt in der Weiterübertragung die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks auch dann, wenn dies in "vorweggenommener Erbfolge" geschieht.

2. Der Umstand, daß die Weiterübertragung des Grundstücks - außer nach den Vorschriften für den sozialen Wohnungsbau - auch nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit ist, ändert an der Nachversteuerungspflicht für den Erwerb des Grundstücks durch den Vater nichts.

2. § 6 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 des II. Baden-Württembergischen GrEStWG ist auf Fälle dieser Art nicht anwendbar.

2. § 6 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 des II. Baden-Württembergischen GrEStWG ist auf Fälle dieser Art ebenfalls nicht anwendbar, und zwar auch dann nicht, wenn sich der Vater für sich und seine Ehefrau im Gebäude eine Einliegerwohnung vorbehalten hat.

Normenkette

II. GrEStWG BW 1962 § 1 Abs. 1 Nr. 1; II. GrEStWG BW 1962 § 6 Abs. 1 S. 1; II. GrEStWG BW 1962 § 6 Abs. 2 S. 1; II. GrEStWG BW 1962 § 6 Abs. 2 S. 3 Nr. 1; II. GrEStWG BW 1962 § 6 Abs. 2 S. 3 Nr. 3; GrEStG § 3 Nr. 6

Tatbestand

Der Kläger hatte im Oktober 1963 ein unbebautes Grundstück erworben. Das FA - Beklagter - hatte den Erwerb antragsgemäß nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Zweiten Baden-Württembergischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 20. Juli 1962 - GrEStWG - (Gesetzblatt S. 74) von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen.

Im Mai 1965 übertrug der Kläger das noch unbebaute Grundstück auf seinen Sohn. Der Beklagte forderte eine Grunderwerbsteuer gemäß § 6 GrEStWG nach.

Mit Einspruch und Klage machte der Kläger im wesentlichen geltend, er habe das Grundstück unentgeltlich in vorweggenommener Erbfolge seinem Sohn übertragen, der die Bebauung als Bauherr im eigenen Namen durchführe, da er selbst - der Kläger - wegen Alters und weiter Entfernung des Grundstücks von seinem Wohnort das Bauen nicht mehr "schaffen" ("packen") könne. Für ihn und seine Frau sei in dem Haus eine Zweizimmerwohnung vorgesehen. Die Nachversteuerung bedeute eine erhebliche Härte, zumal eine Grundstücksspekulation, wie sie hierdurch getroffen werden solle, bei ihm nicht vorliege.

Einspruch und Klage waren erfolglos.

Mit der Revision rügt der Kläger, das FG habe zu Unrecht die Vorschriften des § 6 Abs. 2 Nrn. 3 und 1 GrEStWG nicht angewandt und auch Billigkeitsgründe nicht genügend berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Revision muß der Erfolg versagt bleiben.

1. Die Steuervergünstigung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWG konnte für den gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Grundstückskaufvertrag vom Oktober 1963 nur erhalten bleiben, wenn der Kläger selbst als Erwerber und Bauherr auf dem unbebauten Grundstück innerhalb der Fünfjahresfrist ein steuerbegünstigtes Gebäude errichtet hätte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStWG). Das Gesetz knüpft die Steuerbefreiung nicht nur daran, daß innerhalb dieser Frist überhaupt steuerbegünstigter Wohnraum geschaffen wird; beim Erwerb unbebauter Grundstücke ist die endgültige Steuerbefreiung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues grundsätzlich nur einmal, also nur dem Erwerber zu gewähren, der das Grundstück selbst bebaut (vgl. für das Baden-Württembergische GrEStWG 1953 bereits Urteil des BFH II 12/62 vom 31. März 1965, HFR 1965, 417 mit weiteren Nachweisen). Das wird einleuchtend deutlich für den Fall, daß der Erwerber das Grundstück unbebaut weiterveräußert: Er verliert die Steuervergünstigung, der neue Erwerber gewinnt sie, wenn dieser steuerbegünstigt baut. Es wäre aber weder mit Wortlaut noch Zweck des Gesetzes vereinbar, die Steuervergünstigung nur deshalb zweimal zu gewähren, weil der steuerbegünstigte Wohnraum auch vom ersten Erwerb an gerechnet innerhalb der Fünfjahresfrist geschaffen worden ist.

Im vorliegenden Fall war die Möglichkeit der Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWG auf den Sohn des Klägers übergegangen, da jener nach dem eigenen Vorbringen des Klägers und nach den mit der Revision nicht angegriffenen, für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 Satz 1 FGO) selbst als Bauherr des Gebäudes in Erscheinung trat. Daß diese Steuervergünstigung überlagert (verdeckt) ist, weil der Grundstücksübergang zwischen Vater und Sohn bereits gemäß § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit ist, vermag an dem Ergebnis nichts zu ändern, kann insbesondere nicht zu einer Vorverlagerung der endgültigen Steuerbefreiung auf den Erwerb des Klägers führen (vgl. außer BFH-Entscheidung II 12/62, a. a. O., in ständiger Rechtsprechung BFH-Entscheidung II 131/65 vom 1. April 1969, BFH 96, 69, BStBl II 1969, 561; II B 37/69 vom 18. November 1969, BFH 97, 260, BStBl II 1970, 103 mit weiteren Nachweisen). Sollen solche "Zwischenerwerbe" wie der des Klägers trotz der vorstehenden grundsätzlichen Regelung ebenfalls von der Besteuerung ausgenommen werden, so ist dies nur kraft ausdrücklicher Ausnahmevorschrift durch den Gesetzgeber selbst möglich (vgl. zu anderen Befreiungsvorschriften, aber bei gleicher Problematik aus neuester Zeit BFH-Entscheidung II 65/65 und II 119/65 vom 28. April 1970, BFH 99, 258 und 402, BStBl II 1970, 627 und 670 mit Nachweisen auch zum sozialen Wohnungsbau). Das wird - dies auf entsprechenden Einwand des Klägers - bestätigt z. B. durch die Vorschriften des § 1 Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 GrEStWG. Dort hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Aufgabenbereichs die Begünstigung des Zwischenerwerbs unter bestimmten sachlichen und persönlichen Voraussetzungen und aus verschiedenen Gründen für geboten gehalten, insbesondere auch für öffentlich-rechtliche Körperschaften, gemeinnützige Bauträger und freie Wohnungsunternehmen im Interesse einer planvollen Baulandbeschaffung, aus bau- und wohnungswirtschaftlichen oder finanzierungstechnischen Gründen, wie sie nach zeitlichem und räumlichem Umfang für normale private Bauvorhaben nicht in einem begünstigungswerten Ausmaß auftreten (vgl. Entwurf des II. GrEStWG, Drucksachen des Landtags von Baden-Württemberg, 3. Wahlperiode 1961 bis 1964, Beilage 1765 S. 3249 ff., 3254, Begründung zu § 1 Abs. 1 Nrn. 4 bis 7).

2. Aus dieser Rechtslage folgt zwingend, daß dann, wenn der Erwerber das von ihm zur Errichtung steuerbegünstigter Gebäude erworbene Grundstück vor Ablauf der Fünfjahresfrist weiterveräußert, ohne darauf das steuerbegünstigte Gebäude errichtet zu haben, in dieser Weiterveräußerung - zwar nicht notwendigerweise die Aufgabe der Bauabsicht als solcher (vgl. BFH-Entscheidung II B 50/69 vom 18. November 1969, BFH 97, 193, BStBl II 1970, 66), aber - die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStWG, nämlich der Errichtung des Gebäudes durch den Erwerber als Bauherrn, liegt. Als Weiterveräußerung im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts kommt dabei jeder Erwerbsvorgang (§ 1 GrEStG) in Betracht, also jede entgeltliche, aber auch - entgegen der Meinung des Klägers - jede unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks (BFH-Entscheidung II 12/62, a. a. O.; vgl. auch Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl. § 1 Tz. 42); insbesondere ist es unerheblich, ob der Veräußerer bei der Weiterübertragung einen Gewinn (Spekulationsgewinn, wie der Kläger meint) erzielt hat (vgl. BFH-Entscheidung II 279/59 vom 20. Mai 1964, HFR 1964, 424).

Die Zweckerfüllung hängt vom rein objektiven Merkmal der Bebauung und nicht davon ab, ob der Steuerpflichtige den Eintritt des Nachversteuerungstatbestandes zu vertreten hat oder nicht; deshalb mußte die Nachversteuerungspflicht selbst für den Fall der Zwangsversteigerung des Grundstücks vor Fristablauf (BFH-Entscheidung II B 7/70 vom 10. März 1970, BFH 98, 374, BStBl II 1970, 389) und erst recht für den Fall bejaht werden, daß an die Stelle des Sohnes wegen freiwilliger Aufgabe seiner Bauabsichten kraft nachträglicher Vereinbarung der Vater als Grundstückserwerber trat (BFH-Entscheidung II 131/65 vom 1. April 1969, a. a. O.).

Auch in solchen und ähnlichen Fällen bedarf es, wenn sie - wie der Kläger wohl meint - vom wirtschaftlichen Ergebnis und eigentlichen Sinn und Zweck eines Gesetzes her eine Nachversteuerung zu Unrecht auslösen sollten, einer entsprechenden Vergünstigungsvorschrift durch den Gesetzgeber selbst. Gerade Erwägungen solcher Art dürften den Gesetzgeber veranlaßt haben, durch § 6 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 GrEStWG vorzuschreiben, daß im Falle des Todes des Grundstückserwerbers die - ohne diesen ausdrücklichen Gesetzesbefehl eintretende - Nachversteuerung unterbleibt. Nun sind zwar Grunderwerbsteuerbefreiungsvorschriften - gerade auch solche auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaues - nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht eng auszulegen (BFH-Entscheidung II 68/63 vom 9. Mai 1967, BFH 88, 567, BStBl III 1967, 493). Das ändert jedoch nichts daran, daß andererseits die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit und die Finanzverwaltungsbehörden nicht befugtsind (Art. 20 Abs. 3 GG), einen im Gesetz nicht vorgesehenen Befreiungstatbestand von sich aus zu schaffen bzw. einen genau umrissenen gesetzlichen Tatbestand - auch einen Befreiungstatbestand - auf Grund eigener Wertvorstellungen auszuweiten (BFH-Entscheidungen II 132/65 vom 13. Januar 1970, BFH 98, 453, BStBl II 1970, 440; II 121, 122/65 vom 28. April 1970, BFH 99, 406, BStBl II 1970, 671; II 119/65 vom 28. April 1970, a. a. O., mit weiteren Nachweisen).

Das gilt aber für die mit der Revision als verletzt gerügten Nrn. 3 und 1 des § 6 Abs. 2 Satz 3 GrEStWG.

§ 6 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 GrEStWG nimmt ausdrücklich nur die Nichterfüllung des steuerbegünstigten Zweckes wegen des Todes des Grundstückserwerbers von der Nachversteuerung aus. Dieses durch den Erwerber nicht beeinflußbare Ereignis kann mit einer - wenn auch unentgeltlichen - auf freier Willensentschließung des Erwerbers beruhenden Übertragung des Grundstücks unter Lebenden auch dann nicht gleichgestellt werden, wenn die Übertragung im wirtschaftlichen Ergebnis (möglicherweise) einer vorweggenommenen Erbfolge gleichkommt (vgl. BFH-Entscheidungen II 279/59 vom 20. Mai 1964 und II 131/65 vom 1. April 1969, a. a. O.). Eine solche "Anwendung" des § 6 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 GrEStWG würde nicht nur gegen dessen eindeutig und genau umrissenen, auf den Todesfall beschränkten Wortlaut und damit gegen den ebenso klaren Willen des Gesetzgebers verstoßen, sondern müßte darüber hinaus - konsequent durchgeführt - über den Zweck des Gesetzes hinaus beim Erwerb in "vorweggenommener Erbfolge" ebenso wie beim Erwerb von Todes wegen zur endgültigen Freistellung selbst dann führen, wenn der Nacherwerber die steuerbegünstigte Bebauung unterläßt.

Aus den gleichen Erwägungen scheitert die Anwendung der Sondervorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 GrEStWG auf den vorliegenden Fall schon daran, daß der Kläger - wie das FG bereits zutreffend entschieden hat - nicht nur Miteigentum (Gesamthandeigentum) an dem erworbenen Grundstück von nicht mehr als 75 v. H. übertragen, also nicht mindestens 25 v. H. seines Eigentums behalten, sondern das ganze Grundstück auf seinen Sohn übertragen hat, dies - wie er selbst schon beim FA vortrug - auch deshalb, weil nur letzterem die hypothekarisch zu sichernden, günstigeren Finanzierungsmittel zur Verfügung standen. Daß in dem Gebäude für den Kläger und seine Ehefrau eine - wie er auch in der Revision geltend macht - dinglich zu sichernde, von ihm finanzierte Einliegerwohnung im Dachgeschoß zugestanden worden ist, vermag wegen des eindeutig-klaren Gesetzeswortlautes eine andere Entscheidung aus Rechtsgründen ebensowenig zu rechtfertigen, wie etwa der Gesichtspunkt, daß eine andere rechtliche und tatsächliche Gestaltung möglich gewesen wäre, aber nicht gewählt worden ist (vgl. hierzu im einzelnen noch BFH-Entscheidung II 131/65 vom 1. April 1969, a. a. O., zu 3.).

3. Der Kläger persönlich meint, das FG habe Billigkeitsgesichtspunkte nicht genügend berücksichtigt. Ob wegen aller vorgenannten oder noch wegen anderer Umstände in diesem Fall eine Billigkeitsmaßnahme wegen sachlicher oder persönlicher Billigkeitsgründe in Betracht käme, konnte - wie bereits das FG richtig ausführt - in diesem Verfahren, in dem lediglich die sich aus dem GrEStWG ergebenden Rechtsfragen zu entscheiden waren, der Senat also das Urteil des FG nur auf etwaige Verletzung dieses Gesetzes zu überprüfen hatte (vgl. § 118 Abs. 1 FGO), nicht entschieden werden.

Fundstellen

  • Haufe-Index 69378
  • BStBl II 1971, 255
  • BFHE 1971, 312

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