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BFH Urteil vom 04.10.1968 - IV R 59/68

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Leitsatz (amtlich)

1. Ein Herzinfarkt und seine Folgeerkrankungen stellen bei Angehörigen freier Berufe keine typische Berufskrankheit dar.

2. Mit Darlehnsmitteln bezahlte Krankheitskosten können erst im Jahr der Darlehnsrückzahlung zu einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG führen. Wurden die Krankheitskosten schon für das Jahr ihrer Zahlung geltend gemacht und wirkten sie sich steuerlich aus, so muß sich der Steuerpflichtige den erlangten Steuervorteil anrechnen lassen.

 

Normenkette

EStG 1956/57 § 4 Abs. 4; EStG 1956/57 § 12 Nr. 1; EStG 1956/57 § 33

 

Tatbestand

Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1956 und 1957, ob Reise- und Aufenthaltskosten und der Rückzahlungsbetrag eines Darlehens Betriebsausgaben oder außergewöhnliche Belastungen darstellten (§ 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1, § 33 EStG).

Der Revisionskläger (Steuerpflichtige) ist Rechtsanwalt und Notar. Er erlitt im August 1955 einen Herzinfarkt mit nachfolgender Venenentzündung und im September 1955 eine Lungenembolie. Am 7. November 1955 wurde er aus dem Krankenhaus entlassen.

Bei den Einkommensteuerveranlagungen 1956 und 1957 erkannte das FA verschiedene, vom Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachte Aufwendungen nicht an, und zwar die Kosten von Aufenthalten in Luftkurorten für zwei Personen sowie die Rückzahlung eines Darlehens von 2 000 DM für Krankheitskosten aus dem Jahre 1955.

Das FA vertrat die Auffassung, daß es sich nicht um echte Kurkosten, sondern um Ausgaben für Erholungsreisen gehandelt habe. Die Darlehnsrückzahlung im Jahr 1957 könne nicht berücksichtigt werden, da es sich um Aufwendungen für Arzt und Krankenhaus im Jahr 1955 handle.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das FG wies die Klage ab. Es führte im wesentlichen das Folgende aus. Die vom Steuerpflichtigen als Kurkosten geltend gemachten Aufwendungen seien keine Betriebsausgaben. Es habe keine typische Berufskrankheit vorgelegen. Eine sogenannte Managerkrankheit rechne nicht hierher. Die Aufwendungen könnten auch nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Die Zwangsläufigkeit von Kurkosten könne in der Regel nur dann bejaht werden, wenn sich der Steuerpflichtige am Kurort unter ärztliche Kontrolle begeben habe. Dies habe der Steuerpflichtige nicht getan.

Die Rückzahlung des Darlehens von 2 000 DM könne nicht als außergewöhnliche Belastung des Jahres 1957 berücksichtigt werden. Die der Darlehnsaufnahme zugrunde liegenden Krankheitskosten seien bereits im Jahre ihrer Aufwendung (1955) bei der Einkommensteuerveranlagung als außergewöhnliche Belastungen anerkannt worden und hätten sich bei der Steuerfestsetzung ausgewirkt.

Der Steuerpflichtige rügt unrichtige Rechtsanwendung und mangelnde Sachaufklärung. Die Reise- und Aufenthaltskosten hätten ausschließlich der Wiederherstellung seiner Gesundheit und Arbeitsfähigkeit gedient. Sie seien in erster Linie als Betriebsausgaben anzuerkennen, da es sich um eine typische Managerkrankheit gehandelt habe (Hinweis auf den Kommentar von Herrmann-Heuer zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer 1955, Anm. 36 zu § 9, S. E 664/1).

Schließlich hätte das FG die Darlehnsrückzahlung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigen müssen, da die Gläubiger den Betrag erst in den Streitjahren erhalten und sich die Zahlungen 1955 steuerlich nicht ausgewirkt hätten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet, soweit sie den Veranlagungszeitraum 1956 betrifft. Wegen des Veranlagungszeitraums 1957 führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die als Kurkosten geltend gemachten Aufwendungen für Reisen und Aufenthalte können steuerlich weder als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) noch als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) anerkannt werden.

Kosten, die ein Angehöriger eines freien Berufes aufwendet, um seine Gesundheit wiederherzustellen, sind nur dann als Betriebsausgaben berücksichtigungsfähig, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder wenn der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht (vgl. BFH-Urteile VI 150/64 U vom 26. März 1965, BFH 82, 308, BStBl III 1965, 358; IV 158/56 U vom 6. Juni 1957, BFH 65, 136, BStBl III 1957, 286). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Herzinfarkte mit ihren Folgeerkrankungen treten erfahrungsgemäß nicht nur bei Angehörigen geistiger Berufe und bei Personen in leitender Stellung ("Manager"), sondern bekanntlich auch bei Handwerkern, Arbeitern und Hausfrauen in erheblichem Umfange auf. Solche Erkrankungen können daher nicht typischerweise bestimmten Berufen zugeordnet werden. Der abweichenden, im Schrifttum vereinzelt vertretenen Auffassung folgt der Senat nicht. Im Streitfall ist auch ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf des Steuerpflichtigen nicht eindeutig dargetan. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Steuerpflichtige, wie das FG annahm, von einer Jugenderkrankung her eine Disposition für spätere Gefäßerkrankungen mitbrachte. Denn der Zusammenhang zwischen dem Beruf des Steuerpflichtigen und der Krankheit ist nicht nachgewiesen und auch nicht offensichtlich. Die Kosten gehören daher zu den Kosten der Lebensführung im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG.

Im Streitfall können die Kosten auch nicht teilweise als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden. Nach dem eigenen Vorbringen des Steuerpflichtigen kann es sich bei den bezeichneten Aufenthalten nicht um unmittelbar im Anschluß an die Entlassung aus der stationären Behandlung unternommene Kuren, sondern allenfalls um Nachkuren handeln. Der BFH entschied im Urteil IV 487/55 U vom 2. August 1956 (BFH 63, 227, BStBl III 1956, 285), daß die Kosten einer ohne ärztliche Aufsicht durchgeführten Nachkur in einem typischen Erholungsort zu den allgemein üblichen Aufwendungen für die Lebensführung rechnen. Auch die Beibringung eines besonderen ärztlichen Attestes ändert daran nichts. Diese Auffassung bestätigte der BFH in späteren Entscheidungen (vgl. Urteile VI 155/55 U vom 26. Juli 1957, BFH 65, 298, BStBl III 1957, 347; VI 206/62 vom 11. Dezember 1963, HFR 1964, 157). Der Senat hält hieran fest. Der Steuerpflichtige unterzog sich, wie unbestritten ist, an den verschiedenen Aufenthaltsorten keiner ärztlichen Aufsicht.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie den Veranlagungszeitraum 1957 betrifft, da das FG möglicherweise zu Unrecht die Berücksichtigung der Darlehnsrückzahlung als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) versagt hat.

Wird eine Schuldaufnahme durch Aufwendungen veranlaßt, die zwangsläufig und außergewöhnlich im Sinne des § 33 EStG sind, so liegt eine berücksichtigungsfähige außergewöhnliche Belastung erst im Jahr der Tilgung der Schuld vor (vgl. BFH-Urteil VI 99/61 U vom 23. Juni 1961, BFH 73, 331, BStBl III 1961, 387). Denn bis zu diesem Zeitpunkt ist das laufende Einkommen nicht belastet. Der Grundsatz ist auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige, etwa aus Rechtsunkenntnis, die geleisteten Krankheitsaufwendungen bereits als außergewöhnliche Belastung geltend machte, eine steuerliche Auswirkung jedoch nicht eintrat. Hat sich die Zahlung aber ausgewirkt, so hat der Steuerpflichtige einen Steuervorteil erlangt, auf den er für diesen Veranlagungszeitraum keinen Anspruch hatte. Wird nach dem dargelegten Grundsatz für das Jahr der Darlehnsrückzahlung eine außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, so muß sich der Steuerpflichtige den früher erlangten Steuervorteil nach Treu und Glauben anrechnen lassen, da er nicht aus demselben Sachverhalt zweimal eine Steuerermäßigung in Anspruch nehmen kann.

Nach alledem kommt es für die Entscheidung darauf an, ob und inwieweit die Darlehnsaufnahme durch Aufwendungen veranlaßt war, die zwangsläufig und außergewöhnlich im Sinne des § 33 EStG waren und ob und inwieweit sich Zahlungen, die aus den Darlehnsmitteln bestritten wurden, bereits für das Jahr 1955 steuerlich ausgewirkt haben. Die Rechtskraft der Einkommensteuerveranlagung 1955 steht nicht, wie das FG meinte, dieser Prüfung entgegen. Der Steuerpflichtige hat bestritten, daß sich die Krankheitskosten schon für den Veranlagungszeitraum 1955 ausgewirkt hätten. Das FG traf keine Feststellungen, die eine abschließende Würdigung in diesem Punkte zuließen. Da die Sache somit nicht spruchreif ist, wird das FG in eine erneute Prüfung einzutreten haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68408

BStBl II 1969, 179

BFHE 1969, 442

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