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BFH Urteil vom 02.10.1968 - VI R 64/68

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Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber eine verbilligte Wohnung an, so ist der Unterschied zwischen dem Mietpreis und den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes seinem Arbeitslohn voll zuzurechnen. Bei der Berechnung des Mietvorteils ist ein Abschlag auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die Wohnung den persönlichen Bedürfnissen des Arbeitnehmers nicht entspricht, z. B. weil sie zu groß ist.

 

Normenkette

LStDV 1965 § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, § 3 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte ist Vorsteher eines FA. In dem Dienstgebäude des FA ist ihm eine 196,42 qm große Dienstwohnung mit sieben Zimmern zugewiesen worden. Der Kläger ist kinderlos verheiratet.

Die Vergütung für die Wohnung beträgt gemäß § 4 der Dienstwohnungsverordnung (DWVO) vom 9. November 1965 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1966 S. 48) monatlich 211 DM. Der örtliche Mietwert ist auf 341,10 DM festgestellt worden. Den Unterschiedsbetrag von 130,10 DM unterwarf das Landesamt für Besoldung und Versorgung der Besteuerung.

Der Kläger begehrt die Erstattung von 132,70 DM, weil die Dienstwohnung seinen Wohnbedarf wesentlich überschreite. Er beruft sich auf das Urteil des BFH VI 31/61 U vom 8. September 1961 (BFH 73, 606, BStBl III 1961, 487). Danach sei bei der Berechnung des Mietvorteils ausschließlich auf die Wohnbedürfnisse abzustellen. Bei seinem Zwei-Personen-Haushalt entspreche allenfalls eine 120 qm große Wohnung, bestehend aus vier Zimmern und Küche, seinem Wohnbedürfnis. Mehr als vier Zimmer nutze er auch nicht. Die übrigen Räume habe er, da sie nun einmal vorhanden seien, mit alten, an sich ausrangierten Möbeln ausgestattet. Diese Ausstattung habe fast ausschließlich Abstellcharakter. Einen geldwerten Vorteil hätten diese Räume nicht für ihn.

Das beklagte FA lehnte die Erstattung ab: Entscheidend sei nach § 8 Abs. 2 EStG, § 3 Abs. 1 LStDV der objektive Mietwert, der durch Vergleich mit der ortsüblichen Miete zu ermitteln sei. In der Regel könne dabei der von der zuständigen Behörde nach der DWVO festgesetzte Mietwert zugrunde gelegt werden. Der im zu entscheidenden Fall zugrunde gelegte qm-Preis von 1,73 DM sei nicht übersetzt. Das BFH-Urteil VI 31/61 U (a. a. O.) sei hinsichtlich eines etwaigen Abschlags für die geringen Wohnbedürfnisse eines Arbeitnehmers so auszulegen, daß ein Abschlag von der anzusetzenden qm-Zahl nur dann in Betracht komme, wenn der Arbeitnehmer einzelne Räume tatsächlich nicht benutze (leerstehende Räume).

Das FG gab der Sprungklage des Klägers statt (vgl. EFG 1968, 301): Bei der Ermittlung des steuerlich anzusetzenden Mietwerts der Wohnung eines Arbeitnehmers nach § 8 Abs. 2 EStG, § 3 Abs. 1 LStDV dürften an Stelle des objektiven Mietwerts, der durch Vergleich mit der ortsüblichen Miete zu ermitteln sei, lediglich die Räume angesetzt werden, die den Wohnbedürfnissen des Arbeitnehmers entsprächen, ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer überzählige Räume tatsächlich benutze oder nicht. Ein Abschlag sei nach den Grundsätzen des BFH-Urteils VI 31/61 U (a. a. O.) zu berücksichtigen. Die Auffassung des FA, daß dieser Abschlag nur in Betracht komme, wenn der Arbeitnehmer einzelne Räume tatsächlich nicht benutze, finde weder im Gesetz eine Stütze noch im Urteil VI 31/61 U. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des RFH sei das in Naturalbezügen bestehende Einkommen eines Arbeitnehmers stets danach zu bewerten, welchen Wert die Naturalbezüge für den Arbeitnehmer hätten (vgl. Urteile VI A 2090/29 vom 22. Januar 1930, RFH 26, 195; VI A 1476, 1477/29 vom 26. Februar 1930, RStBl 1930, 671; VI A 2190/30 vom 19. Juli 1932, RStBl 1933, 20).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die vom FG zugelassene Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen; Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 und § 8 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 LStDV). Zu den Gütern, die in Geldeswert bestehen, den Sachgütern, gehört insbesondere der Bezug einer freien Wohnung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 LStDV). Ist die Wohnung nicht frei, sondern nur verbilligt überlassen, so schließt das den Zufluß eines Sachgutes nicht aus.

Dem Gesetzeswortlaut entsprechend kann die Frage, ob einem Arbeitnehmer geldwerte Sachgüter zugeflossen sind, nicht nach dessen Einstellung, persönlichen Verhältnissen und Bedürfnissen entschieden werden. Maßgebend sind vielmehr objektive Merkmale (vgl. das Urteil des Senats VI 229/59 vom 18. November 1960, HFR 1961, 29). Ist dem Arbeitnehmer objektiv ein geldwerter Vorteil zugeflossen, so ist dieser zu bewerten, und zwar in voller Höhe, d. h. in dem Umfang, wie er dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Für die Bewertung maßgebend sind die üblichen Mittelpreise des Verbrauchsortes (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LStDV), also ebenfalls ein objektiver Maßstab.

Die Anwendung des objektiven Maßstabes sowohl bei der Beurteilung des Vorteils wie auch bei dessen Bewertung kann dazu führen, daß dem Arbeitnehmer ein Vorteil zugerechnet wird, den er nach seinen persönlichen Verhältnissen oder Bedürfnissen entweder gar nicht oder doch nur als einen geringwertigen Vorteil ansieht. Wie bei der Geldentlohnung kann es aber auch bei der Sachentlohnung nicht auf die Einschätzung durch den Arbeitnehmer ankommen, wenn eine gleichmäßige Erfassung gewährleistet sein soll (vgl. auch § 9 Abs. 1 und 2 BewG 1965). Werden zwei Arbeitnehmern zwei gleiche Kraftfahrzeuge im gleichen Umfang zur Verfügung gestellt, so haben sie die gleichen Vorteile, ohne daß es darauf ankäme, ob der eine einen teureren oder der andere einen billigeren Wagen bevorzugen würde. Entscheidend ist allein die Tatsache, daß sie den Wagen fahren.

In seinem Urteil VI 31/61 U (a. a. O.) hat der Senat allerdings anerkannt, daß bei einer Werkswohnung, die der Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen beziehen müsse, zwecks Berechnung des Mietvorteils nur die Räume anzusetzen seien, die dem Wohnbedürfnis des Arbeitnehmers entsprächen.

Auch der RFH hatte mehrfach entschieden, daß kein zurechenbarer geldwerter Vorteil sei, was über das private Wohnbedürfnis des Inhabers einer Dienst- oder Werkswohnung hinausgehe (vgl. die vom FG zitierten Urteile VI A 2090/29, VI A 1476, 1477/29 und VI A 2190/30, a. a. O.). An dieser Rechtsprechung kann aber aus den dargelegten Gründen nicht mehr festgehalten werden. Wer eine ihm kostenlos überlassene Wohnung nutzt, hat nun einmal den entsprechenden Vorteil, mag er ihn wünschenswert finden oder nicht (vgl. auch das Urteil des Senats VI R 175/66 vom 8. März 1968, BFH 92, 8, BStBl II 1968, 435, das die Zurechnung und Bewertung der Nutzung eines angeblich nur im Interesse des Arbeitgebers bezogenen Einfamilienhauses betrifft).

Im Streitfall ist die Dienstwohnung nicht unentgeltlich überlassen worden. Die vom Kläger zu zahlende Vergütung von 211 DM monatlich liegt unter dem örtlichen Mietwert von unstreitig 341,10 DM. In Höhe des Unterschiedsbetrages von 130,10 DM ist dem Kläger ein geldwerter Vorteil zugeflossen.

Ob der Kläger als Vorsteher die 196,42 qm große Dienstwohnung in dem FA beziehen mußte oder ob es ihm freigestanden hätte, eine kleinere Wohnung zu mieten, ist für die Entscheidung unerheblich. Entscheidend ist wie dargelegt nur die Tatsache, daß er die Wohnung nutzt.

Anders läge es nur dann, wenn er den Zufluß des Vorteils verhindert hätte. Wenngleich er gehalten war, die Wohnung anzunehmen, hätte er überzählige Räume ablehnen können, indem er sie seinem Dienstherrn zur Verfügung stellte oder doch jedenfalls eindeutig nicht nutzte, auch nicht als Abstellplätze für ausrangierte Möbel. Das ist nicht geschehen. Dem Kläger ist der geldwerte Vorteil in der angegebenen Höhe also zugeflossen.

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Die Sache ist nach dem Dargelegten spruchreif. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68362

BStBl II 1969, 73

BFHE 1969, 23

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