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BAG Urteil vom 23.01.1996 - 9 AZR 564/93

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelvertragliche Tantiemeregelung. Auslegung

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 242

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 20.01.1993; Aktenzeichen 14 (18) Sa 948/92)

ArbG Iserlohn (Urteil vom 13.05.1992; Aktenzeichen 1 Ca 2892/91)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. Januar 1993 – 14 (18) Sa 948/92 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Tantiemeansprüche aus dem Geschäftsjahr 1988/1989.

Der Kläger war vom 1. Juli 1982 bis 31. März 1989 bei der R. GmbH & Co. KG beschäftigt. Er hatte zuletzt die Stellung des Leiters der Finanz- und Geschäftsbuchhaltung. Ihm war Prokura erteilt. Sein Monatsgehalt betrug 8.350,00 DM brutto. Der Arbeitsvertrag vom 25. November 1985/9. Januar 1987 enthielt unter § 3 Nr. 3.3 folgende Tantiemeregelung:

„3.3 Außerdem erhält Herr W. für jedes Geschäftsjahr, das mit Gewinn abschließt, eine Jahresabschlußvergütung nach folgender Staffel:

≫

=

1 Mio. DM Gewinn

–

30 % eines Monatsgehaltes

≫

=

2 Mio. DM Gewinn

–

40 % eines Monatsgehaltes

≫

=

3 Mio. DM Gewinn

–

50 % eines Monatsgehaltes

≫

=

4 Mio. DM Gewinn

–

60 % eines Monatsgehaltes

≫

=

5 Mio. DM Gewinn

–

70 % eines Monatsgehaltes

≫

=

6 Mio. DM Gewinn

–

80 % eines Monatsgehaltes

≫

=

7 Mio. DM Gewinn

–

90 % eines Monatsgehaltes

≫

=

8 Mio. DM Gewinn

–

100 % eines Monatsgehaltes

Gewinn in diesem Sinne ist der Gewinn lt. Steuerbilanz nach Abzug des Aufwandes für diese Jahresvergütung. Die Jahresabschlußvergütung ist fällig nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung.”

Die R. GmbH & Co. KG hatte drei Gesellschafter, die persönlich haftende Gesellschafterin L. GmbH & Co. KG sowie die Kommanditistinnen S. GmbH und O. GmbH. Die Beklagte erwarb Ende 1988 alle Geschäftsanteile der L. GmbH und führte nach dem Ausscheiden der übrigen Gesellschafter das Geschäft der früheren Kommanditgesellschaft unter Weglassung der alten Firma fort.

Die von der Beklagten für das Geschäftsjahr 1988/1989 aufgestellte Bilanz zum 31. März 1989 wies einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 6.218.634,86 DM aus. In der Einkommensteuererklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1989 haben die ausgeschiedenen Gesellschafter folgende

Veräußerungsgewinne angegeben:

S.

GmbH

=

10.747.738,00 DM

O.

GmbH

=

10.692.471,00 DM.

Die Beklagte zahlte im November 1989 dem Kläger freiwillig und ohne Anerkennung eines Rechtsanspruches eine Abschlußvergütung von 40 % des letzten Monatsgehaltes.

Der Kläger ist der Meinung, in die Gewinnermittlung nach § 3 Nr. 3.3 des Arbeitsvertrages seien die Veräußerungsgewinne der Gesellschafter mit einzubeziehen. Er hat am 20. Dezember 1991 unter Hinweis auf ein zugunsten der ehemaligen Geschäftsführer der L. GmbH ergangenes Schiedsurteil die Aufstockung der Tantieme auf 100 % des Monatsgehaltes gerichtlich geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.010,00 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 20. Dezember 1989 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit stattgegeben und den weitergehenden Zinsanspruch abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Tantieme i.H.v. 100 % eines Monatsgehalts nach § 3 Nr. 3.3 seines Arbeitsvertrages. Die R. GmbH & Co. KG, deren Geschäft die Beklagte nach Ausscheiden der alten Gesellschafter nach § 138 HGB fortführt, hat im Geschäftsjahr 1988/1989 nicht mit einem Gewinn laut Steuerbilanz i.S. des § 3 des Arbeitsvertrages abgeschlossen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt. Die hiergegen erhobenen Rügen der Revision sind unbegründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat eine einzelvertragliche Vereinbarung ausgelegt. Bei der Regelung der Parteien handelt es sich um eine nichttypische, einzelfallbezogene Vereinbarung, deren Auslegung revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt lediglich, ob das Berufungsgericht allgemeine Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB verletzt hat, ob Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen oder ob wesentlicher Auslegungsstoff unberücksichtigt geblieben ist (BAG Urteil vom 12. Juli 1990 – 2 AZR 39/90 – AP Nr. 87 zu § 613 a BGB, zu B III 1 der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP Nr. 63 zu § 74 HGB; BAG Urteil vom 3. Mai 1994 – 9 AZR 516/92 – n.v.; BAG Urteil vom 17. Januar 1995 – 9 AZR 565/93 – n.v.). Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.

2. Ein Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB ist nicht erkennbar. Das Landesarbeitsgericht hat über den Wortlaut der Vereinbarung hinaus den wirklichen Willen der Parteien erforscht (§ 133 BGB), indem es auf den Sinn und Zweck der Tantiemeregelung abgestellt hat. Hiergegen hat die Revision keine begründeten Rügen erhoben. Ihr Hinweis, es finde sich in der Vereinbarung kein Anhaltspunkt dafür, daß zur Ermittlung der Tantiemehöhe allein auf das Betriebsergebnis der Beklagten abzustellen sei, und die Beklagte habe es versäumt, eine dementsprechende Beschränkung in die Vereinbarung aufzunehmen, ist unbeachtlich. Diese allein auf den Wortlaut der Vereinbarung abstellende Interpretation des Klägers mißachtet § 133 BGB.

3. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht keinen wesentlichen Auslegungsstoff unberücksichtigt gelassen. Es hat bei seiner Auslegung die Praxis bei der persönlich haftenden Gesellschafterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten beachtet, Abschreibungen aus den Ergänzungsbilanzen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen der Kommanditisten zu Lasten der anspruchsberechtigten Geschäftsführer zu berücksichtigen. Seine Beurteilung, das Verhalten der persönlich haftenden Gesellschafterin gegenüber den bei ihr angestellten Geschäftsführern sei bei der Auslegung des anderslautenden Vertrages der Parteien ebenso ohne Bedeutung wie das zu Gunsten der Geschäftsführer ergangene Schiedsurteil, ist auslegungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die hiergegen gerichteten, auf Treu und Glauben sowie auf Gleichbehandlung gestützten Rügen der Revision verkennen den revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab.

4. Auch die weiteren Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, es sei unklar geblieben, ob, wann und in welchem Umfang die bei der Veräußerung von Kommanditanteilen zu Tage tretenden stillen Reserven gebildet worden seien, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Vorbringen des Klägers zur Auflösung stiller Reserven, für deren Bildung er während seiner Beschäftigung von Juli 1982 bis März 1989 mitgesorgt haben könnte, ist ohne jegliche Substanz. Soweit der Kläger mit seinem revisionsrechtlichen Vorbringen eine Verletzung des § 139 ZPO rügen will, ist die Rüge unzulässig. Der Kläger hat versäumt, im einzelnen vorzutragen, welche Fragen das Landesarbeitsgericht hätte stellen müssen und welche konkreten Antworten er dann darauf gegeben hätte.

5. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Auslegung nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen. Das gilt auch für die Berücksichtigung steuerrechtlicher Grundsätze.

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Geschäftsführern der L. GmbH. Der Kläger übersieht, daß seine Arbeitgeberin in der Vergangenheit ihm gegenüber keine Maßnahmen getroffen hat, auf deren Fortsetzung der Kläger in der Zukunft vertrauen durfte. Der Kläger verkennt, daß ungleiche Sachverhalte zu beurteilen waren. Weder kann die Berücksichtigung von Abschreibungen mit der Nicht-Berücksichtigung von Veräußerungsbilanzen verglichen werden, noch liegen gleichlautende vertragliche Vereinbarungen vor.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Leinemann, Dörner, Düwell, R. Trümner, Weiss

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1083574

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