1 Definition und Ausweisfragen

1.1 Zum Begriff "Vorratsvermögen"

 

Rz. 1

Es gibt keine gesetzliche Definition des Begriffs "Vorräte" bzw. "Vorratsvermögen"; sie lässt sich nur aus dem Gesetzeszusammenhang und im Umkehrschluss aufstellen. Der Gesetzeszusammenhang (die Gliederungsvorschriften des § 266 HGB) stellt die Vorräte in das Umlaufvermögen. Da § 247 Abs. 2 HGB besagt, dass "im Anlagevermögen nur die Gegenstände auszuweisen sind, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen", folgt im Umkehrschluss, dass dem Umlaufvermögen diejenigen Gegenstände zuzuordnen sind, die bestimmt sind, nicht dem Betrieb dauernd zu dienen. Zum Vorratsvermögen gehören damit alle Gegenstände, die nicht dauernd dem Betrieb zu dienen, sondern im Rahmen des Betriebs verarbeitet, bearbeitet und/oder verkauft zu werden bestimmt sind. Die Zweckbestimmung eines Gegenstands in dem betreffenden Betrieb und nicht die Art ist für die Einordnung unter das Vorratsvermögen entscheidend.

1.2 Bilanzausweis

 

Rz. 2

Nach dem Gliederungsschema der Bilanz (§ 266 Abs. 2 B I HGB) sind die Vorräte auf der Aktivseite als Bestandteil des Umlaufvermögens auszuweisen. Die weitere Tiefengliederung (sie spiegelt auch gleichzeitig den Umfang des Vorratsvermögens wider) ist nur bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften/GmbH & Co. KG[1] gefordert und sieht wie folgt aus:

B.

Umlaufvermögen

I.

Vorräte

  1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe,
  2. unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen,
  3. fertige Erzeugnisse und Waren,
  4. geleistete Anzahlungen.
 

Rz. 3

Die Zuordnung der Vermögensgegenstände zum Anlage- und Umlaufvermögen und damit auch zu den Vorräten kann in praxi umstritten sein, da die Zweckbestimmung eine Ermessensentscheidung des bilanzierenden Unternehmens ist. So können z. B. die Musterhäuser von Fertighausherstellern oder die Ausstellungs-/Mustermöbel eines Möbelhauses dem Anlagevermögen zugerechnet werden, vorausgesetzt die entsprechenden Kriterien, z. B. Aufnahme in das Anlagenverzeichnis, sind erfüllt. Auch Vorführwagen eines Kfz-Händlers können als Anlagevermögen angesehen werden.[2]

[1] Zu den Größenklassen s. § 267 HGB.
[2] BFH, Urteil v. 17.11.1982, BStBl 1982 II S. 344.

1.3 Arten des Vorratsvermögens

 

Rz. 4

Rohstoffe gehen unmittelbar in die Produktion ein oder werden zur Erbringung einer Dienstleistung benötigt. Sie umfassen nicht nur unbearbeitete Rohstoffe, z. B. Öl, Baumwolle, sondern auch einzubauende Materialien, z. B. Kugellager, Ventile, sowie vom Unternehmen bezogene Vermögensgegenstände vorgelagerter Produktionsstufen, z. B. Garne bei Webereien.

Hilfsstoffe gehen ebenfalls in das Fertigerzeugnis ein, bilden jedoch nur einen untergeordneten Bestandteil. Zu den Hilfsstoffen zählen: Nägel, Schrauben, Lacke, Säuren, Laugen, Beizen, Schweißmaterial, Chemikalien, Farb- und Konservierungsstoffe bei Nahrungs- und Genussmitteln, Gerbstoffe u. a. m.

Betriebsstoffe bilden zwar keinen Bestandteil des Fertigerzeugnisses, sie werden aber bei der Herstellung des Erzeugnisses verbraucht, z. B. Energie, Brenn- und Schmierstoffe.

 

Rz. 5

Unfertige Erzeugnisse sind Bestandteile des Vorratsvermögens, für die im Unternehmen bereits durch Be- und Verarbeitung Aufwendungen, z. B. Löhne und Gemeinkosten, entstanden sind, die jedoch nicht verkaufsfähig sind.

Bei Dienstleistungsbetrieben kommt der äquivalente Ausweis der unfertigen Erzeugnisse als "unfertige Leistungen" in Betracht, wobei hier "in Arbeit befindliche Aufträge" bzw. "noch nicht abgerechnete Leistungen" zu erfassen sind.

 

Rz. 6

Zu den fertigen Erzeugnissen gehören Vorräte, die unmittelbar vor der Veräußerung stehen, also versandfertig sind. Solange dieses Kriterium nicht erfüllt ist, handelt es sich um unfertige Erzeugnisse, z. B. abgefüllter, in Fässern lagernder Wein, der noch reifen muss.

Zu den Fertigerzeugnissen gehören auch Vermögensgegenstände, sog. Waren, die von Dritten bezogen und ohne eigene Be- oder Verarbeitung entweder allein oder als Zubehör zu den eigenen Fertigerzeugnissen weiter veräußert werden.

 

Rz. 7

Geleistete Anzahlungen sind Vorauszahlungen an Dritte für die Beschaffung von Produktionsfaktoren aufgrund abgeschlossener Liefer- und Leistungsverträge, wobei die zu erbringende Lieferung und Leistung von dem Dritten noch aussteht. Auszuweisen sind tatsächlich erfolgte Zahlungen des Unternehmens, nicht bereits schon die Zahlungsanforderungen der Dritten. Es muss sich um Anzahlungen für Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens handeln.

 

Rz. 8

Für erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen besteht gem. § 268 Abs. 5 Satz 2 HGB das Wahlrecht, sie auf der Aktivseite offen von dem Posten "Vorräte" abzusetzen oder gesondert unter den Verbindlichkeiten auszuweisen.[1] Für kleine KapCo Gesellschaften, die gemäß § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB eine verkürzte Bilanz aufstellen, entfällt dieses Wahlrecht.

Eine Saldierung erhaltener Anzahlungen mit geleisteten Anzahlungen ist jedoch gem. § 246 Abs. 2 HGB unzulässig. Anzusetzen ist grundsätzlich der Nettobetrag, d. h. der Anzahlungsbetrag ohne Umsatzsteuer.

[1] Nach Wulf, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 268 HGB Rz. 33 ist "dieses Auswahlrecht...

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