Leitsatz

1. Die Gesamtheit der zwischen dem Inhaber einer Internet-Domain und der jeweiligen Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Haupt- und Nebenansprüche kann als ein anderes Vermögensrecht nach § 321 Abs. 1 AO Gegenstand einer Pfändung sein.

2. Die Vergabestelle als Vertragspartner des mit dem Domaininhaber geschlossenen Domainvertrags ist Drittschuldner i.S. des § 309 Abs. 1 AO und damit nach § 316 AO erklärungspflichtig.

3. Bei der Pfändung der sich aus einem Domainvertrag ergebenden Ansprüche hat die Vollstreckungsbehörde insbesondere in Hinblick auf den Wert und die Verwertbarkeit dieser Ansprüche den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

 

Normenkette

§ 309 Abs. 1, § 321 Abs. 1, § 281 Abs. 3 AO, § 857, § 829 Abs. 1 ZPO

 

Sachverhalt

Die Klägerin verwaltet und betreibt als Registrierungsstelle Internet-Domains. Wer eine Domain registrieren lassen will, kann sich direkt an die Klägerin oder an jeden Provider aus der Liste der Mitglieder der Klägerin wenden und bei diesem die Registrierung in Auftrag geben. Unabhängig von der Entscheidung für einen bestimmten Provider erfolgt die Domainregistrierung durch die Klägerin selbst. Daher besteht neben dem Vertragsverhältnis mit einem Provider in jedem Fall auch ein Vertragsverhältnis mit der Klägerin.

Aufgrund rückständiger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen des Vollstreckungsschuldners, der einen Online-Shop mit Unterhaltungselektronik betreibt, erließ das FA eine Pfändungsverfügung gegenüber der Klägerin als Drittschuldnerin. Darin pfändete das FA den Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf Aufrechterhaltung der Registrierung ... als Hauptanspruch aus dem mit der Klägerin geschlossenen Registrierungsvertrag und alle weiteren sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, bei den Ansprüchen des Inhabers einer Internet-Domain, aus dem Domainvertrag handele es sich um pfändbare andere Vermögensrechte i.S.d. § 321 Abs. 1 AO und Vermögensrechte i.S.d. § 857 Abs. 1 ZPO. Daraus ergebe sich zugleich, dass die Klägerin als Drittschuldner nach § 316 AO anzusehen sei, denn der weit auszulegende Drittschuldnerbegriff erfasse jeden, dessen Rechtsstellung von der Pfändung berührt werde (FG Münster, Urteil vom 16.9.2015, 7 K 781/14 AO, Haufe-Index 8732155, EFG 2015, 2028).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

 

Hinweis

Die Frage, ob im Vollstreckungsverfahren eine ­Internet-Domain des Vollstreckungsschuldners gepfändet werden kann, ist nicht neu und höchstrichterlich vom BGH bereits anhand der Vollstreckungsvorschriften der ZPO beantwortet worden (BGH, Beschluss vom 5.7.2005, VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353). Für die Pfändung einer Internet-Domain durch eine Finanzbehörde nach den Vorschriften der AO fehlte bisher eine Entscheidung des BFH.

Die Vollstreckungsvorschriften der ZPO und der AO unterscheiden sich allerdings nicht in einer Weise, welche eine vom BGH abweichende Entscheidung rechtfertigen könnte, weshalb es nicht verwundert, dass sich der BFH der Auffassung des BGH angeschlossen hat. Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung, die der BFH für das Vollstreckungsverfahren gemäß den AO-Vorschriften übernommen hat, ist eine Internet-Domain kein absolutes pfändbares Recht, sondern lediglich eine technische Adresse im Internet. Jedoch ist die Gesamtheit der zwischen dem Inhaber der Internet-Domain und der jeweiligen Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Ansprüche ein Vermögensrecht i.S.d. § 321 Abs. 1 AO, das Gegenstand einer Pfändung sein kann. Bei diesen Ansprüchen handelt es sich nach der Eintragung der Domain in das Register und den Nameserver um Ansprüche auf dauerhafte Aufrechterhaltung dieser Eintragung als Voraussetzung für die Konnektierung, auf Anpassung des Registers an veränderte persönliche Daten oder ihre Zuordnung zu einem anderen Rechner durch Änderung der IP-Nummer oder auf Berichtigung, wenn ein Dritter in der sog. "Whois-Datenbank" zu Unrecht als Inhaber des Domainnamens geführt wird.

Stehen dem Vollstreckungsschuldner als Domain-Inhaber derartige pfändbaren Forderungen gegen die Vergabestelle (im Streitfall die Klägerin) zu und gelten nach § 321 Abs. 1 AO für die Vollstreckung "in andere Vermögensrechte" die vorangehenden Vorschriften über die Pfändung einer Geldforderung entsprechend, so kann nach Auffassung des BFH (und entgegen der Ansicht der Klägerin des Streitfalls) kein Zweifel bestehen, dass die Klägerin Drittschuldner ist und ihr die Erklärungspflichten gemäß § 316 AO obliegen. Denn die Pfändung der dem Domaininhaber nach dem Registrierungsvertrag zustehenden schuldrechtlichen Ansprüche greift unmittelbar in das bestehende Vertragsverhältnis ein und betrifft somit die Rechtsstellung der Klägerin.

Besteht nach alledem für die Pfändung der aus dem Domainvertrag folgenden schuldrechtlichen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners kein Hinderungsgrund, ste...

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