a) Rechtslage bis Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2020

Weichen die Verkehrswerte von den Steuerwerten ab, ist nur der Teil der Ausgleichsforderung steuerfrei, welcher dem Verhältnis des Steuerwerts des Endvermögens zum Verkehrswert des Endvermögens entspricht (§ 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG). Diese Vorschrift ist in 2009 trotz Anhebung der Steuerwerte beibehalten worden.

Es sind alle bei der Ermittlung des Endvermögens berücksichtigten Vermögensgegenstände zu bewerten, auch wenn sie nicht zum steuerpflichtigen Erwerb gehören.

Häufig wird nach § 13 ErbStG, § 13a ErbStG[1] oder § 13d ErbStG[2] begünstigtes Vermögen vorliegen. In diesem Fall ist in die Berechnung des Zugewinnausgleichfreibetrags dieses begünstigte Vermögen mit seinem Steuerwert vor Abzug der sachlichen Steuerbefreiungen (Bruttowert) einzubeziehen. Ist der sich danach ergebende Steuerwert des Endvermögens niedriger als dessen Verkehrswert, ist die nach zivilrechtlichen Grundsätzen ermittelte fiktive Zugewinnausgleichsforderung entsprechend dem Verhältnis von Steuerwert und Verkehrswert des dem Erblasser zuzurechnenden Endvermögens auf den steuerfreien Betrag zu begrenzen (R E 5.1 Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStR 2019).

Zur Umrechnung der fiktiven Ausgleichsforderung in den steuerfreien Betrag kann die folgende Formel zugrunde gelegt werden:

 
Steuerwert des Endvermögens x fiktive Zugewinnausgleichsforderung = steuerfreie Ausgleichsforderung
Verkehrswert Endvermögen
 
Praxis-Beispiel

Umrechnung der steuerfreien Ausgleichsforderung

Die Ehegatten EM und EF leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. EM und EF haben einen gemeinsamen Sohn. EM verstirbt, ohne dass er ein Testament hinterlassen hat. Das indizierte Anfangsvermögen für beide Ehegatten hat jeweils 150.000 EUR betragen. Das Endvermögen beläuft sich bei EM auf 1.400.000 EUR und bei EF auf 300.000 EUR. Das Endvermögen besteht aus einem Gewerbebetrieb (Verkehrswert 1.000.000 EUR und Steuerwert 900.000 EUR) und aus Geldvermögen in Höhe von 400.000 EUR. Das Verwaltungsvermögen des Betriebs beläuft sich auf 95 %.

Lösung:

Die zivilrechtliche Ausgleichsforderung für die Ehefrau ermittelt sich wie folgt:

 
  Ehemann EM   Ehefrau EF
indiziertes Anfangsvermögen 150.000 EUR   150.000 EUR
Endvermögen 1.400.000 EUR   300.000 EUR
jeweiliger Zugewinn der Ehegatten 1.250.000 EUR   150.000 EUR
Zugewinn des EM   1.250.000 EUR  
abzüglich des Zugewinns der EF   ./. 150.000 EUR  
übersteigender Zugewinn des EM   1.100.000 EUR  
hiervon 1/2 = Zugewinnausgleichsforderung der EF   550.000 EUR  

Im nächsten Schritt erfolgt gemäß der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG im Wege einer Verhältnisrechnung eine Umrechnung der zivilrechtlichen Ausgleichsforderung in die steuerfreie (fiktive) Ausgleichsforderung.

Die Begünstigungen des § 13a ErbStG finden keine Anwendung, da das begünstigungsfähige Vermögen mit 95 % nahezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen (d. h. übermäßiges Verwaltungsvermögen) besteht (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG).[3]

 
550.000 EUR x 1.300.000 EUR = 510.714 EUR
1.400.000 EUR

Die steuerfreie Ausgleichsforderung der EF beläuft sich somit auf 510.714 EUR.

Ein Beispiel zur Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung enthalten auch die Erbschaftsteuerhinweise 2019.[4]

b) Rechtslage ab Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2020

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wird in § 5 Abs. 1 ErbStG ein neuer Satz 6 eingefügt. Dieser lautet wie folgt:

"Sind bei der Ermittlung der Bereicherung des überlebenden Ehegatten oder des überlebenden Lebenspartners Steuerbefreiungen berücksichtigt worden, gilt die Ausgleichsforderung im Verhältnis des um den Wert des steuerbefreiten Vermögens geminderten Werts des Endvermögens zum ungeminderten Wert des Endvermögens des Erblassers nicht als Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG."

Grund für die Änderung ist Folgender:

Durch die derzeitige Ausgestaltung des § 5 Abs. 1 ErbStG kommt es zu einer nicht gerechtfertigten Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners.

Diese entsteht dadurch, dass der Zugewinn und die daraus errechnete Ausgleichsforderung nach den bürgerlich-rechtlich maßgebenden Verkehrswerten des Anfangs- und Endvermögens ermittelt wird ohne Rücksicht darauf, ob für das maßgebende Endvermögen, zu dem auch das im Nachlass vorhandene Vermögen gehört, Steuerbefreiungen gewährt werden.

Im Gegensatz dazu kann der erbschaftsteuerrechtlich maßgebende Wert des erworbenen Nachlassvermögens wegen der Anwendung von Befreiungsvorschriften in erheblichem Umfang gemindert sein. Um diese Doppelbegünstigung auszuschließen, wurde ein neuer § 5 Abs. 1 Satz 6 ErbStG ins Gesetz eingefügt.[5]

Demnach wird der um den Wert des steuerbefreiten Vermögens geminderte Steuerwert des Endvermögens des Erblassers ins Verhältnis zum ungeminderten Steuerwert des Endvermögens gesetzt und mit der sich nach § 1371 Abs. 2 BGB ergebenden fiktiven Ausgleichsforderung multipliziert.

Steuerbefreites Vermögen in diesem Sinne kann z. B. sein:

  1. Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG; beim Erwerb durch d...

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