Beim Controlling von Start-Up-Initiativen stellt sich die Herausforderung, eine Balance zwischen den Anforderungen des etablierten Kerngeschäfts bzw. der Konzernzentrale und den Bedürfnissen bzw. Möglichkeiten der Start-Up-Initiativen zu finden. Wie bereits einleitend ausgeführt, unterscheiden sich die Controllingbedürfnisse und -möglichkeiten von Start-Ups hinsichtlich Planbarkeit, benötigter Flexibilität, Schnelligkeit in Entscheidungsprozessen und verfügbaren Ressourcen maßgeblich von denen etablierter Unternehmen. Diese Unterschiede ermöglichen nur einen bedingten Transfer klassischer Controllingansätze. Es gilt vielmehr ein System zu definieren, das es der Muttereinheit erlaubt, Start-Up-Initiativen in Hinblick auf den benötigten Mitteleinsatz und erwartete Ergebnisse in das Gesamtsteuerungssystem zu integrieren, ohne das Start-Up zu überfordern und ihnen gleichzeitig ein Controllingsystem zu ermöglichen, das den spezifischen Bedürfnissen entspricht.

Es ist offensichtlich, dass es für die geforderte Balance keine "one-size-fits-all"-Lösung gibt; zu unterschiedlich sind die Controllingsysteme und -strukturen etablierter Unternehmen und zu unterschiedlich sind auch die Bedürfnisse von Start-Up-Initiativen bzw. ihre Organisationsformen.

Die Einführung eines Controllingsystems, das beiden Welten genügt, bzw. Aufbau und Integration eines Start-Up-Controllings in klassische Controllingstrukturen erfordern erhebliche Vorüberlegungen. Die wesentlichsten Gestaltungsparameter bei der Definition eines derartigen Controllingsystems bzw. adäquater Controllingstrukturen sind:

  • Zielsetzung: Was erwartet sich das Mutterunternehmen von Start-Up-Initiativen? Geht es primär um Ideengenerierung für zukünftige Produkte, Services und Märkte? Geht es um den Zugang zu externem Wissen, schnellere Produktentwicklung und kürzere time-to-market, einen Transfer der Start-Up-Kultur in das Kerngeschäft oder um messbare finanzielle Ergebnisse aus Start-Up-Beteiligungen? So banal diese Fragen klingen mögen, so entscheidend ist es, bei der Entwicklung des Controllingsystems eine klare Zielvorstellung zu haben, warum sich das etablierte Unternehmen in Start-Up-Initiativen engagiert bzw. an Start-Ups beteiligt.
  • Controllingstruktur des Mutterunternehmens/Konzerns: Die Aufbauorganisation des Controllerbereichs unterscheidet sich zwischen den Unternehmen deutlich. Die Bandbreite reicht dabei einerseits von sehr zentralisierten Organisationsformen wie z. B. Shared Service Centers, die den wesentlichen Teil der Controllerleistung zentral erbringen und damit auch Start-Up-Initiativen professionell unterstützen könnten, wobei die spezifischen Bedürfnisse von Start-Ups zumeist nicht zu den standardisierten Prozessen des Shared Service Centers passen und die Distanz zum Geschäft groß ist. Anderseits gibt auch sehr dezentrale Controllingstrukturen, in denen das geschäftsnahe, operative Controlling und das Business Partnering durch Controller dezentral in den Unternehmensfunktionen erbracht wird. Dies bedeutet für das Controlling der Start-Up-Initiativen die Notwendigkeit eigener dezentraler Ressourcen. Die Frage der Organisationsstruktur sollte von Anfang an mitbedacht werden, um spätere Probleme in der Ablauforganisation zu vermeiden.
  • Ownership, Durchgriffsrecht: Wie in Kap. 1.3 gezeigt wurde, gibt es verschiedene Formen der Corporate-Open-Innovation-Initiativen. Diese reichen vom internen Corporate Business Labs bis hin zur externen Beteiligung an Start-Ups über Corporate Venture Capital. Während bei internen Start-Up-Initiativen das Controllingsystem uneingeschränkt gestaltet werden kann, ist der Gestaltungsspielraum bei Minderheitsbeteiligungen zumeist sehr eingeschränkt. Dies gilt sowohl inhaltlich als auch bezüglich der IT-Integration.
  • Lebenszyklus, Portfoliosteuerung: Wie bereits eingangs gezeigt, unterscheiden sich die Bedürfnisse bzw. der Controllingfokus von Start-Ups bzw. Start-Up-Initiativen zwischen den einzelnen Lebenszyklusphasen deutlich. Da etablierte Unternehmen in der Regel ein Portfolio an Start-Up-Initiativen in unterschiedlichen Lebenszyklus-Phasen managen, bedarf es sowohl eines Controllingsystems für das einzelne Start-Up, das sich entsprechend mit dem Lebenszyklus verändert, als auch ein Portfoliocontrolling, das einen Gesamtüberblick gibt und sich in das Gesamtcontrollingsystem integriert.
  • Nähe zum Kerngeschäft: Die Nähe der Start-Up-Initiativen zum Kerngeschäft in Hinblick auf Branche, Geschäftsmodell, Produkte/Services, Märkte, Zielgruppe, Vertriebskanäle etc. bestimmt in hohem Maße, wie weit das bestehende Controllingsystem lediglich inhaltlich angepasst oder komplett neu ausgestaltet werden muss.
  • Controllingsystem: In gleicher Weise bestimmt die Ausprägung des etablierten Controllingsystems, wie weit dieses verwendet bzw. transferiert werden kann. Umfassende, traditionelle Controllingsysteme überfordern Start-Up-Initiativen durch ihren Umfang (z. B. in Bezug auf Datenverfügbarkeit, Quantität und Qualität der Personalressourc...

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