Rz. 78

Die Verletzung der Aufbewahrungspflicht nach Handelsrecht führt zu keinen direkten Sanktionen.[1] Anders ist dies aus strafrechtlicher Sicht. Eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder eine Geldstrafe droht demjenigen, der vor Ablauf der gesetzlichen (handelsrechtlichen) Aufbewahrungsfrist Handelsbücher oder sonstige aufbewahrungspflichtige Unterlagen beiseiteschafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert.[2] Die Bestrafung greift aber nur dann ein, wenn es zur Einstellung der Zahlungen durch den Täter, zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Täters kommt oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wurde (objektive Strafbarkeitsbedingung).[3]

Wird die Tat im Zustand der Unternehmenskrise (drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) begangen, so liegt ein sogenanntes Bankrottdelikt vor,[4] für das ein Strafrahmen bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorgesehen ist. Ob die Verletzung der Aufbewahrungspflicht hinsichtlich freiwillig geführter Bücher zu Sanktionen führt, ist umstritten.[5]

Zivilrechtliche Nachteile können eintreten, wenn die Bücher auf Anordnung des Gerichts[6] im Zivilprozess wegen vorzeitiger Vernichtung nicht vorgelegt werden können.[7] ADS weisen auf mögliche Konsequenzen für die Erteilung eines Bestätigungsvermerks bei prüfungspflichtigen Kapitalgesellschaften hin.[8]

 

Rz. 79

Die Aufbewahrungspflicht ist Bestandteil der Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht. Kommt es zu Verstößen, kann dies aus steuerlicher Sicht die Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328 AO, eine Schätzung nach § 162 AO oder eine Ahndung nach § 379 Abs. 1 AO zur Folge haben.[9] Aus einem unverschuldetem Verlust aufbewahrungspflichtiger Unterlagen resultieren hingegen keine steuerlichen Konsequenzen, obwohl es in diesem Fall der Buchführung ebenfalls an der Odnungsmäßigkeit fehlt. Dabei ist es unerheblich, worauf der Verlust zurückzuführen ist. Hierauf beruhen z. B. auch die sog. Katastrophenerlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder etwa bei Hochwasserschäden. Danach dürfen aus dem Verlust von Unterlagen durch Hochwasser steuerlich keine Folgerungen gezogen werden. Dasselbe soll auch für Datenverluste durch Feuer und Löschwasser, Terroranschläge, "Hacker"-Angriffe oder den Ausfall der Stromversorgung gelten. Auch soll der Verlust außerhalb der Sphäre des Steuerpflichtigen, z. B. bei der Finanzbehörde oder durch Diebstahl, dem Steuerpflichtigen nicht angelastet werden.[10]

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Verletzung der Aufbewahrungspflicht als Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder fahrlässige Steuerverkürzung (§ 378 AO) strafbar oder ordnungswidrig sein.[11]

[1] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2000, § 257 HGB Rz. 78; Isele, in Küting/Pfitzer/Weber, Handbuch der Rechnungslegung Einzelabschluss, § 257 HGB Rz. 105, Stand: Januar 2021.
[3] Vgl. § 283b Abs. 3 i. V. m. § 283 Abs. 6 StGB.
[5] Vgl. zum Diskussionsstand Petermann, in Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, § 283 StGB Rz. 51ff.
[6] Vgl. § 258 HGB.
[7] Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 26.2.1973, 6 U 156/72, MDR 1973 S. 592.
[8] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2000, § 257 HGB Rz. 80, 85f.
[10] Vgl. Drüen, in Tipke/Kruse, AO, § 147 AO Rz. 65, Stand: April 2021; Melchior, in Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Aufbewahrungspflichten, Rz. 8, Edition 1/2021.
[11] Vgl. Drüen, in Tipke/Kruse, AO, § 147 AO Rz. 64a, Stand: April 2021.

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