a) Lieferungen von Gas über ein Erdgasnetz, von Elektrizität und von Wärme oder Kälte über Wärme- und Kältenetze an Wiederverkäufer

Bei Lieferungen von Gas über ein Erdgasnetz im Gebiet der EU oder jedes an ein solches Netz angeschlossene Netz, von Elektrizität oder von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze an einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer gilt nach Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL als Ort der Lieferung der Ort, an dem der steuerpflichtige Wiederverkäufer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für die die Gegenstände geliefert werden, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort. Für den Fall, dass die Lieferung von Gas über ein Erdgasnetz im Gebiet der Gemeinschaft oder jedes an ein solches Netz angeschlossene Netz, die Lieferung von Elektrizität oder die Lieferung von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze nicht unter Art. 38 MwStSystRL fällt, gilt nach Art. 39 Abs. 1 MwStSystRL als Ort der Lieferung der Ort, an dem der Erwerber die Gegenstände tatsächlich nutzt und verbraucht.

Für Lieferungen i. S. d. Art. 38 und 39 MwStSystRL schuldet nach Art. 195 MwStSystRL die Person die MwSt, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Steuer geschuldet wird (also in dem die Lieferung steuerbar ist), für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist und an die die Gas-, Elektrizitäts-, Wärme- oder Kältelieferung bewirkt wird, wenn diese Lieferung von einem nicht in diesem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt wird.[1]

 
Praxis-Beispiel

Gaslieferung nach Schweden

Der in Deutschland ansässige Unternehmer U liefert Gas über das Erdgasnetz an einen Wiederverkäufer W in Schweden. U ist in Schweden nicht ansässig. Die MwSt für die Lieferung wird von W geschuldet. U kann netto fakturieren und muss in der Rechnung auf die Verlagerung der Steuerschuld auf W hinweisen.[2]

b) Steuerpflichtige grenzüberschreitende Dienstleistungen, die am Sitzort oder am Ort der Betriebsstätte des Leistungsempfängers in einem anderen EU-Mitgliedstaat steuerbar sind.

Nach Art. 44 MwStSystRL (der grundsätzlichen Ortsregelung für Dienstleistungen im B2B-Bereich), ergänzt durch die unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltenden Regelungen der Art. 20 ff. MwStSystRL-DVO) gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen (Unternehmer), der als solcher handelt, der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Wird die Dienstleistung an eine feste Niederlassung (Betriebsstätte) des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit belegen ist, erbracht, gilt als Ort der Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. Bei Fehlen eines Sitzes oder einer festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers.[3]

Für Dienstleistungen i. S. d. Art. 44 MwStSystRL regelt Art. 196 der Richtlinie, dass die MwSt auf diese Dienstleistungen von dem Steuerpflichtigen oder der nichtsteuerpflichtigen juris­tischen Person, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist, geschuldet wird, wenn die Dienstleistung von einem nicht in dem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wird, in dem die Leistung steuerbar ist.[4]

Dieses für die EU-Mitgliedstaaten zwingende Reverse-Charge-Prinzip gilt somit für alle (grenzüberschreitenden) steuerpflichtigen Dienstleistungen, die in einem anderen Mitgliedstaat als in dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers nach der Grundregel für B2B-Umsätze, d. h. am Sitzort oder Betriebsstättenort des Leistungsempfängers (der die Leistung als Unternehmer oder als juristische Person mit einer USt-IdNr. empfangen muss), steuerbar sind.

 
Praxis-Beispiel

Planungsleistung in Frankreich

Der in Deutschland ansässige Ingenieur I plant für den in Frankreich ansässigen Unternehmer F den Ausbau einer Erdölraffinerieanlage. I erbringt eine Leistung i. S. v. § 3 a Abs. 2 UStG, die in Frankreich steuerbar ist und für die F die Steuer schuldet. I kann netto fakturieren und muss in der Rechnung auf die Verlagerung der Steuerschuld auf F hinweisen.[5] Die Rechnungsstellungspflicht richtet sich (außer in den Fällen der Abrechnung mit Gutschrift) nach deutschem Recht, obwohl sich der Leistungsort in Frankreich befindet.[6]

 
Praxis-Beispiel

Vermittlungsleistung in Spanien

Der in Deutschland ansässige Vermittler V vermittelt für den in Spanien ansässigen Un­ternehmer S eine Warenlieferung. V erbringt eine Leistung i. S. v. § 3 a Abs. 2 UStG, die in Spanien steuerbar ist und für die S die Steuer schuldet. V kann netto fakturieren und muss in der Rechnung auf die Verlagerung der Steuerschuld auf S hinweisen.[7] Die Rechnungsstellungspflicht richtet sich (außer in den Fällen der Abrechnung mit Gutschrift) nach deutschem Recht.[8]

 
Praxis-Beispiel

Grundstücksbezogene Leistung – kein zwingender Fall des Reverse-Charge-Verfahrens

Der in Deutschl...

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