Rz. 25

Auf die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags (z. B. nach §§ 104, 117, 118, 134, 138 BGB) kann sich jede Partei jederzeit berufen. Wurde der fehlerhafte Arbeitsvertrag bereits in Vollzug gesetzt, führt die Berufung auf die Nichtigkeit dazu, dass das Arbeitsverhältnis ex nunc (d.h. ab jetzt und nicht ex tunc, d.h. rückwirkend) als nichtig angesehen wird, für die Vergangenheit aber als wirksam gilt, sog. faktisches Arbeitsverhältnis.[1]

Der Arbeitsvertrag ist nach § 134 BGB nichtig, wenn das gesetzliche Verbot, gegen das verstoßen wurde, die Tätigkeit an sich verbietet.

 

Beispiele

Ein Arbeitsvertrag ist insgesamt nichtig, wenn

  • der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung begehen soll, z. B. Drogenhandel
  • der Arbeitnehmer mit diesem Nebenjob die wöchentliche Höchstarbeitszeit

    überschreitet[2],

  • der jugendliche Arbeitnehmer entgegen der Verbote in §§ 2, 5, 7 JArbSchG beschäftigt werden soll,
  • der Anstellungsvertrag des Vorstands einer Aktiengesellschaft für den Fall der Beendigung der Organstellung die unveränderte Weiterführung des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis über die Fristen des § 84 Abs. 1 AktG hinaus vorsieht[3],
  • ein extremer Verstoß gegen § 138 BGB vorliegt.[4]
 

Rz. 26

Dagegen bleibt der Vertrag wirksam, wenn das gesetzliche Verbot, gegen das verstoßen wurde, dem Schutz des Arbeitnehmers dient. Wäre der Vertrag nichtig, würde man damit den Arbeitnehmer nicht schützen, sondern ihm die Existenzgrundlage entziehen. Entgegen § 139 BGB führt die Nichtigkeit einzelner Vertragsbestimmungen also gerade nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags.

Vielmehr ist die Vertragslücke durch Anwendung der gesetzlichen Regelung für diesen Fall zu schließen. Gibt es keine passende Regelung für die Lückenausfüllung, muss nach §§ 133, 154 BGB der hypothetische Parteiwille erforscht werden. Dabei stellt sich die Frage, was die Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Nichtigkeit der jeweiligen Bestimmung bekannt gewesen wäre.

 

Beispiele

Bei Lohnwucher i. S. d. § 138 Abs. 2 BGB ist die Lücke durch § 612 Abs. 2 BGB zu schließen.[5]

Nach § 28 Abs. 1 BBiG muss der Ausbildende fachlich geeignet, der Ausbilder zudem persönlich geeignet sein. Der Mangel in der Berechtigung zur Einstellung oder Ausbildung berührt die Wirksamkeit des Berufsausbildungsvertrags nach § 10 Abs. 4 BBiG nicht. Fehlte die Berechtigung bereits bei Vertragsschluss, kann der Auszubildende anfechten oder fristlos kündigen, wenn der Ausbildende nicht unverzüglich einen geeigneten Ausbilder einstellt. Sollte ausnahmsweise der Ausbildende den Vertrag anfechten, ist er nach § 122 BGB zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet. Verliert der Ausbildende die Befugnis nach Vertragsschluss, finden die §§ 22, 23 BBiG Anwendung.[6]

Die Beschäftigungsverbote nach §§ 36, 10 Abs. 3, 13 Abs. 1 Nr. 3, 16 MuSchG führen nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrags. Das hat das BAG früher zwar anders gesehen[7], doch gilt diese Rechtsprechung wegen der Rechtsprechung des EuGH als überholt. Der EuGH hat entschieden, dass ein Arbeitsvertrag nicht für nichtig erklärt und auch nicht wegen Irrtums angefochten werden kann, wenn die unbefristet eingestellte Arbeitnehmerin wegen des Nachtarbeitsverbots nicht beschäftigt werden kann.[8] Außerdem hat der EuGH entschieden, dass selbst ein Beschäftigungsverbot während der gesamten Dauer des befristeten Vertrages den Arbeitgeber nicht einmal zur Anfechtung berechtigt.[9]

Hat der Arbeitnehmer keine Arbeitsgenehmigung, ist die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags streitig. Nach einer Ansicht ist das Arbeitsverhältnis gleichwohl wirksam, sodass der Arbeitgeber den Lohn nach §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 2 Satz 1 BGB bzw. nach § 280 BGB schuldet.[10] Der Arbeitgeber kann bzw. muss das Arbeitsverhältnis personenbedingt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kündigen.[11] Nach anderer Ansicht ist der Vertrag zwar nichtig, aber der Arbeitgeber ist gleichwohl zur Lohnzahlung verpflichtet, da er sich nicht auf die §§ 814, 817, 818 Abs. 3 BGB berufen kann.[12]

Ein Verstoß gegen § 8 BUrlG (Erwerbstätigkeit während des Urlaub) führt weder zur Nichtigkeit des Vertrags zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten, noch zu Einbußen beim Entgelt oder beim Urlaub. Der Arbeitgeber kann allerdings Unterlassung sowie ggf. Schadensersatz verlangen und ordentlich oder außerordentlich kündigen.[13]

 

Rz. 27

Abschlussverbote können sich auch aus Tarifverträgen ergeben.[14] Verstößt der Arbeitgeber gegen ein Abschlussverbot in einer Auswahlrichtlinie i. S. d. § 95 BetrVG, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des individuellen Arbeitsvertrags. Der Betriebsrat kann in diesem Fall die Zustimmung zur Einstellung (d. h. zur tatsächlichen Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb) verweigern.[15] Der Arbeitgeber kommt dadurch in Annahmeverzug, § 615 Satz 1 BGB, da er an den Arbeitsvertrag gebunden ist, aber den Arbeitnehmer nicht beschäftigen darf.[16]

[1] HaKo-KSchG/Mestwerdt, Einleitung Rz. 9.
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