Green Economy, Blue Economy, Grüner Kapitalismus

Green Economy, Blue Economy, Grüner Kapitalismus: Die nachhaltige Transformation wird von verschiedenen Denkschulen begleitet. Doch nicht überall steht Nachhaltigkeit wirklich im Mittelpunkt. Bernd Hinrichs diskutiert die populärsten Ansätze.

Technologische und soziale Innovationen verbessern die Ökobilanz so entscheidend, dass der Planet Erde nicht mehr überfordert wird. Diese Überzeugung basiert auf der Annahme, dass mittels des technologischen Fortschritts der Ressourcenverbrauch vom Wirtschaftswachstum und den damit einhergehenden Emissionen entkoppelt werden kann. Grünes Wirtschaftswachstum ist in dieser Diskursströmung unabdingbare Voraussetzung für Nachhaltigkeit und wird unter anderem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), den Vereinten Nationen, der Weltbank und der Europäischen Union explizit als zukünftiger Entwicklungspfad angesehen. 

Neben diesen Institutionen sind es vornehmlich große Unternehmen und Kapitalgruppen, die ihre wirtschaftlichen Interessen auf einen grünen Weltmarkt richten. Nachhaltigkeit als Modernisierung ist deshalb so anschlussfähig, weil bestehende Strukturen nicht grundlegend verändert, sondern nur den ökologischen Restriktionen angepasst werden (unter anderem liberale Demokratie, kapitalistische Marktwirtschaft, Individualismus, Konsum, Wohlstandsorientierung, Mobilität). Die Märkte und der Wettbewerb werden in diesem Konzept als effizienzsteigernde, wirtschaftliche Einrichtungen manifestiert (unter anderem durch den Markt für den CO2-Emissionshandel). 

Nachhaltigkeit als Modernisierung ist deshalb so anschlussfähig, weil bestehende Strukturen nicht grundlegend verändert, sondern nur den ökologischen Restriktionen angepasst werden.

Die hier verorteten Diskurspositionen sind auch deshalb so beliebt, weil sie keine gesellschaftlichen Umverteilungen einfordern. Die von den Unternehmen verursachten ökonomischen wie ökologischen Kosten werden weiterhin von der Gesellschaft getragen (externalisierte Kosten), während die Erträge weiterhin gesellschaftlich ungleich verteilt bleiben. Daraus resultierende soziale Spannungen sollen durch kommunale ökologische und soziale Infrastrukturen weitestgehend vermieden werden und damit nachhaltige Lebensweisen ermöglichen. 

Wirklich ist, was Anschluss findet

Anschlussfähig sind solche Wirklichkeitsbeschreibungen, die von den anderen Mitgliedern einer Kommunikationsgesellschaft als möglich beziehungsweise als sinnvoll akzeptiert werden. Dies ist meistens dann der Fall, wenn diese Beschreibungen in das Weltbild und das Denken der relevanten Gemeinschaft passen. Sie ist ein wichtiges Relevanzkriterium für Wirklichkeitskonstruktionen. (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2018)

Green Economy, Green Deal, Green Growth

Die Begriffe „Green Economy“, „Green (New) Deal“ und „Green Growth“ können im Wesentlichen synonym verwendet werden. Die Vertreter einer grünen Ökonomie zielen auf einen grünen Umbau der Gesellschaft und des bestehenden Wirtschaftssystems. Die Energie- und Ressourceneffizienz soll weiter gesteigert und das Naturkapital besser genutzt werden (Ökosystem-Management). Mit der Erschließung neuer, grüner Märkte durch Öko-Innovationen sollen Wettbewerbsvorteile entstehen. In der Green Economy sollen Wachstum und Umweltschutz Hand in Hand gehen. Die Wachstumsorientierung bleibt dabei bestehen.

Die politischen Rahmenbedingungen sind nach Überzeugung der Anhänger einer grünen Ökonomie so anzupassen, dass aus der Finanz-, Wirtschafts- und Ökologiekrise eine Win-win-Situation entsteht. Krise wird als Chance verstanden, die zu einer Ökonomie führen kann, die menschliches Wohlergehen sowie soziale Gerechtigkeit fördert und gleichzeitig Umweltrisiken sowie ökologische Knappheit reduziert. Die Imaginationen einer Green Economy lösen Wohlbehagen aus. Und dennoch bleibt das ungute Gefühl, dass es nicht für alle Probleme dieser Welt eine technologische Lösung gibt! 

Die Imaginationen einer Green Economy lösen Wohlbehagen aus. Und dennoch bleibt das ungute Gefühl, dass es nicht für alle Probleme dieser Welt eine technologische Lösung gibt!

Laut Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022) verbindet die Green Economy Ökologie und Ökonomie: „Wirtschaft muss international wettbewerbsfähig sein, genauso aber auch umwelt- und sozial verträglich. Die Green Economy steigert die gesellschaftliche Wohlfahrt, bekämpft Armut und strebt soziale Gerechtigkeit an. Vor dem Hintergrund anerkannter ökologischer Grenzen soll auf Basis eines umfassenden Verständnisses der Zusammenhänge in Wirtschaft, Finanzwesen und Politik ein umweltverträgliches qualitatives und somit nachhaltiges Wachstum ermöglicht werden. Ziel ist, veränderte, nachhaltige Produktions- und Konsumweisen zu entwickeln, um weltweit und insbesondere für kommende Generationen Wohlstand und eine hohe Lebensqualität zu sichern. Der Weg zur Green Economy führt über einen Veränderungsprozess, der die gesamte Gesellschaft betrifft. Es geht um eine umfassende ökologische Modernisierung der gesamten Wirtschaft und ihrer Sektoren. Faktoren einer umweltverträglichen Wirtschaft sind Ressourcenverbrauch, Emissionsreduktion, Steigerung von Energie- und Rohstoffproduktivität sowie nachhaltiger Gestaltung von Produkten, Versorgungssystemen und Infrastrukturen. Fragen nach Lebens- und Arbeitsbedingungen, Konsummustern, Produktlebenszyklen und Finanzierungsmodellen stehen damit in direktem Zusammenhang“.

Blue Economy: Die Natur zum Vorbild

In Abgrenzung zur „Green Economy“ verfolgt die „Blue Economy“ den Ansatz, für alle Herausforderungen leistbare und gänzlich umweltfreundliche Lösungen zu finden, ohne das Ökosystem weiter zu schädigen oder die nur wenigen Menschen zugänglich sind. „Die Blue Economy recycelt nicht, sie regeneriert! Es ist ein Wirtschaftsmodell, das keine Emissionen oder Abfälle produziert, sondern Arbeitsplätze und sozialen Zusammenhalt schafft und nicht mehr kostet.“ (nachzulesen auf www.theblueeconomy.org) Nach dem Vorbild der Natur sollen die besten, klimafreundlichen, effizienten und gleichzeitig marktfähigen Technologien für den Umgang mit natürlichen Ressourcen umgesetzt werden.

Die Blue Economy recycelt nicht, sie regeneriert! Es ist ein Wirtschaftsmodell, das keine Emissionen oder Abfälle produziert, sondern Arbeitsplätze und sozialen Zusammenhalt schafft und nicht mehr kostet.

Die Blue Economy Alliance treibt dabei auch Veränderungen des gesamten Wirtschaftssystems voran, sammelt und veröffentlicht diese Ideen und hilft bei deren Übersetzung in Geschäftsmodelle. Zudem soll eine neue Generation von Unternehmern unterstützt werden, die nur lokale Ressourcen verwendet und Abfall zum Ausgangspunkt ihrer Geschäftsmodelle macht. Die innovative Nutzung von Abfällen und Ressourcen soll zur Errichtung einer Zero Emission Economy führen. Die Blue Economy basiert insofern auf der Funktionsweise von Ökosystemen und ahmt die Kaskadenwirtschaft der Natur nach, indem Abfall (aus Stoffwechselprozessen) stets Ausgangsmaterial für die nächste Wertschöpfungsstufe ist.

Die Blue Economy nach Gunter Pauli basiert auf den folgenden Annahmen und Prinzipien (vgl. Utopia, 2019): Die Natur funktioniert in regionalen Kreisläufen, in der es keinen Mangel gibt. Die Natur passt sich lokalen Gegebenheiten an. Alles in der Natur ist verbunden und in der Natur ist alles biologisch abbaubar. Die Natur ist ständig im Wandel und divers. Die Natur ist effizient. Die Natur gehört allen und von einem natürlichen Prozess profitieren viele.

Das bedeutet, dass in der Blue Economy

  • Innovationen eingeführt werden, die von der Natur inspiriert sind. Lösungen basieren in erster Linie auf technologischen Innovationen. Natürliche Systeme teilen Risiken. Jedes Risiko ist ein Motivator für Innovationen.
  • jedes Nebenprodukt die Quelle für ein neues Produkt ist. Natürliche Systeme kaskadieren Nährstoffe, Materie und Energie – Abfall gibt es nicht.
  • nachhaltiges Wirtschaften sich nicht nur unter Berücksichtigung der lokalen Ressourcen, sondern auch der Kultur und Tradition entwickelt. Die Natur bietet den Unternehmen Raum, die mit weniger mehr erreichen und nur mit dem arbeiten, was in der Natur lokal verfügbar ist.
  • die Schwerkraft die erste Hauptenergiequelle und Solarenergie die zweite erneuerbare Energiequelle ist.
  • Wasser das primäre Lösungsmittel (keine komplexen, chemischen oder toxischen Katalysatoren) ist.
  • gilt: Die Natur ist effizient. So maximiert nachhaltiges Wirtschaften den Einsatz von verfügbarem Material und Energie, was den Stückpreis für den Verbraucher senkt.

Grüner Kapitalismus: Wenn Klimaschutz nicht alles ist 

„Grüner Kapitalismus“ verzichtet auf gesellschaftliche Umverteilung und tastet wirtschaftspolitisch den Vorrang der Märkte nicht an. Seine ökonomischen wie ökologischen Kosten und Erträge sind daher gesellschaftlich ungleich verteilt. Vertreter des Grünen Kapitalismus sind davon überzeugt, dass diese Diskursposition alternativlos ist. Klimaschonende Innovationen werden sich nur durchsetzen und weltweit verbreiten, wenn Unternehmer damit nicht nur die Welt retten, sondern auch ihre Bilanz.

Vertreter des Grünen Kapitalismus sind davon überzeugt, dass diese Diskursposition alternativlos ist. Klimaschonende Innovationen werden sich nur durchsetzen und weltweit verbreiten, wenn Unternehmer damit nicht nur die Welt retten, sondern auch ihre Bilanz.

„Das neue Mantra von Politik, Unternehmen und Finanzinvestoren lautet demnach: Wir können das Klima und die Umwelt vor der Katastrophe retten, ohne dass wir unser Wirtschaftssystem auf den Kopf stellen müssen. […] Vor kurzem sollte der Kapitalismus noch für die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen, für Finanzkrisen und politische Radikalisierung verantwortlich sein. Heute trauen viele denselben Kräften zu, die Welt zu retten. Und zwar nicht nur in Deutschland: BlackRock-Vorstandschef Larry Fink gab Ende 2019 bekannt, dass der größte Vermögensverwalter der Welt seine Investitionen zunehmend an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten werde.“ ( Pennekamp, 2020 bei faz.net). Eine Spielart des „Grünen Kapitalismus“ findet übrigens unter dem Begriff „Sustainable Finance“ statt.


--
Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch „Nachhaltigkeit als Unternehmensstrategie", das im März 2023 bei Haufe erschienen ist. Hier geht's zum Buch!